Zwischen Rattenmenschen und RitternLarp-Community trifft sich in der Kölner Südstadt

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Ein Mann in Magierkostüm steht vor einer Kiste, neben ihm steigen grüne Feuerfontänen und Rauch empor.

Hofmagier Balthasar vollführt ein magisches Ritual.

Wenn Ritter und Orks in der KVB sitzen, dann ist es wieder so weit: Einmal im Monat veranstaltet Twilight ein Live-Rollenspiel in Köln.

Spitze Eckzähne blitzen beim Lachen hervor, eine menschengroße Ratte in Lumpen huscht vorbei, Rüstungen glänzen im Kerzenschein. Was klingt wie Bilder aus „Herr der Ringe“, „Game of Thrones“ oder ein Terry Pratchett-Roman, lässt sich regelmäßig in der Kölner Südstadt beobachten. Im Fort I im Friedenspark treffen sich einmal im Monat Larper. Larp steht für Live-Action-Role-Playing, also Live-Rollenspiel.

In der Taverne, die sonst ein Jugendzentrum ist, hängen eiserne Kronleuchter mit Kerzen von der Decke. Händlerinnen und Händler stehen hinter Tischen, auf denen Krüge und Schmuck zur Schau gestellt werden. Ein zwielichtiger Händler bietet Fluchgold und sogar ein Vampirauge an. Die Bezahlung: Kupfermünzen. Die können die Larper verdienen, indem sie Aufgaben lösen.

So soll etwa eine magische Tinte aus Schmetterlingseiern, Salz und Wasser hergestellt werden. Die Zutaten müssen vermischt und dann erhitzt werden, dafür braucht es Feuermagie. Die beherrscht aber nicht jeder, einem Magierlehrling fehlt es an Erfahrungspunkten, die er mit der Teilnahme an Larps dazugewinnen kann. Wie in einem Computerspiel, nur eben in echt.

Larps spielen nicht immer in mittelalterähnlichen, alternativen Welten. Die Spielerinnen und Spieler können auch gegen Zombies kämpfen, Teil der Harry Potter-Welt werden oder auf einer Party in den 20ern einen Mordfall aufklären. Wichtig ist: Im Gegensatz zum Cosplay verkleiden sich die Larper nicht als spezifische Charaktere aus ihrer Lieblingsgeschichte, sondern kreieren ihren eigenen Charakter.

Mitspielen kann jeder, nur der Einstieg kostet etwas Überwindung. Dafür ist die Taverne gut: Hier wird nur ein Abend gespielt, die Aufgaben sind klein, es geht mehr um den Austausch mit den anderen Larpern. Hier treffen grauhaarige Magier auf Kinder in Rüstungen. Marcel, der im normalen Leben Architekt ist, spielt zusammen mit seinen Söhnen Jonas (13), Julius (10) und Tristan (7). Profis seien die Jungs noch nicht – aber „wir üben“. Marcel gefällt die Geselligkeit am Spiel: Handys etwa haben im Mittelalter-Setting nichts zu suchen und Aufgaben lassen sich nur in Teamarbeit lösen.

Beim ConQuest of Mythodea spielen rund 10.000 Larper

Larps gibt es erst seit Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre – und sie werden immer beliebter. Beim ConQuest of Mythodea, einem fünftägigen Live-Rollenspiel in Nienburg, treffen sich etwa jährlich rund 10.000 Larper zum Spielen. Da werden große Schlachten geschlagen, Monster getötet, Festungen belagert. Gefährlich ist das aber nicht: Die Waffen, die im Larp benutzt werden, sind streng reguliert und bestehen aus angemaltem Schaumstoff.

Die schlimmsten Verletzungen seien angeknackste Knöchel. „Wenn der Ritter, der sonst im Büro arbeitet, stundenlang durch den Wald rennt, knickt er leicht um“, erzählt Mercedes Buyala. Die 46-jährige Eventmanagerin gehört zu den Urgesteinen von Twilight, die seit 1995 Live-Rollenspiele veranstalten. Neben großen Abenteuern auf Burgen organisiert das Team von Twilight auch das monatliche Tavernen-Treffen in der Südstadt. Vor der Corona-Pandemie hätten sich da teilweise bis zu 300 Larp-Fans versammelt, derzeit komme meist nur etwa die Hälfte an Spielerinnen und Spielern zusammen.

Ich reise hier mit meinen Kumpels durch die Gegend, verkaufe Sachen oder töte Monster. Was man so tut.
Lisa Rduch

Eine davon ist Lisa Rduch. Montags bis freitags ist sie Pharmazeutisch-technische Assistentin, am Wochenende wird sie zu einem Rattenmenschen oder auch „Skaven“. „Ich reise hier mit meinen Kumpels durch die Gegend, verkaufe Sachen oder töte Monster. Was man so tut“, erzählt sie lachend. An ihrer Gewandung (Larper nennen es nicht Kostüm) arbeite sie insgesamt schon fünf oder sechs Jahre, es gebe immer etwas zu optimieren.

Die Spielerinnen und Spieler, die wie Lisa schon lange dabei sind, stecken oft viel Arbeit aber auch viel Geld in das perfekte Erscheinungsbild: Ein gehörntes Wesen, das seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat 800 Euro in seine Silikonmaske investiert.

Es geht aber auch einfacher. Die Theaterpädagogik-Studentin Zoe zum Beispiel trägt ein bauchfreies Leinenoberteil und hat sich Tattoos aufgemalt. Sie spielt die Bardin Arvana und unterhält das Tavernenpublikum mit ihrer Gitarre und singt über Magie. Das Larp sei für sie wie eine spannende Serie, bei der sie unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht – nur dass sie eben selbst Teil der Geschichte ist. „Das ist einfach eine Rolle, die fesselnd ist, wo man miterleben möchte, was als nächstes passiert“, erklärt Zoe.

Das große Finale, auf das die Larper bei der ersten Taverne im neuen Jahr hinfiebern, ist ein magisches Ritual. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer legen Geschichten, Gegenstände, Wünsche und Ängste in eine Holztruhe, die dann für ein Jahr verschwinden soll. Oliver Hombach aus dem Twilight-Team kommt in ein samtenes Gewand gekleidet auf den Hof und stellt sich als der Hofmagier Balthasar vor. Er schreitet um die Kiste herum, rezitiert einen Zauberspruch, neben ihm schießen grüne Flammen empor – und die Kiste verschwindet. Nicht durch Magie, sondern fortgetragen von Spielleitern, begleitet durch Pyrotechnik. Aber man kann ja mal so tun als ob.

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