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Aus der Zeit gefallenKölner Spielwarengeschäft hält Stellung in Lindenthal

Lesezeit 4 Minuten
Inhaber Dieter van Dillen hält in seinem Laden ein silbernes Rutschauto in der Hand.

Das Spielzeuggeschäft von Dieter van Dillen ist in Lindenthal eines der letzten seiner Art.

Ein ganz besonderer Kölner Spielzeugladen – Dieter van Dillen verkörpert Tradition und Leidenschaft in Lindenthal.

Sein Laden gleicht einer Zeitkapsel, in der konserviert wurde, was im Laufe vergangener Jahrzehnte Kinderherzen höher schlagen ließ: Bei Dieter van Dillen am Lindenthalgürtel/Ecke Bachemer Straße stehen Blechspielzeuge neben historischen Puppen, es finden sich hier eine Sammlung mit Pumuckl-Figuren, Mainzel-Männchen, Bausätze, ein rund hundert Jahre alter Tretroller und sogar eine Dampfmaschine.

Kölner Spielwarenhändler mit Herz

Dass sich das Spielzeuggeschäft über vier Dekaden hinweg behauptet hat, während viele andere Anbieter die Konkurrenz gegen den Onlinehandel aufgegeben haben, liegt wohl auch an der Persönlichkeit des Inhabers.

Dass aus dem hoch gewachsenen, gelernten Uhrmacher und Großhandelskaufmann ein Spielwarenhändler wurde, ist einem Zufall geschuldet: „Hier war ein Drogist, bei dem ich meine Rasierklingen kaufte; ein alter Knabe. Den fragte ich irgendwann: Wie lange wollen Sie das noch machen? Er sagte, wenn ich den Laden übernehmen wollte, höre er morgen auf. Ich musste mich blitzschnell entscheiden, hinter mir stand eine Frau an, die hier ein Café eröffnen wollte“, erinnert sich der 82-Jährige.

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Zu jenem Zeitpunkt lagen hinter ihm 25 Jahre Tätigkeit für die Motorenteilefirma Hess. Van Dillen wollte sein eigener Chef sein. Mit Spielzeug verband ihn zu jener Zeit vor allem eines: die Erkenntnis, dass er für seine fünf Neffen im Handel selten etwas fand, das seinen Vorstellungen entsprach. „Ich habe etwas Mechanisches gesucht“, erinnert er sich.

Selbstständig und entschlossen, auch schon als Kind

Seine hellblauen Augen strahlen, wenn er die Kästen mit Konstruktionsspielzeug präsentiert, aus dem man Riesenräder, Flugzeuge oder eigene Kreationen bauen kann. Spontan übernahm van Dillen das Geschäft, dessen Regale bis heute die seines Vorgängers sind.

Schubfächer eines Schrankes sind noch mit lateinischen und deutschen Namen der Pflanzen beschriftet, die dort einst lagerten. Heute liegen Tierfiguren darin. Spontan und entschlossen hatte van Dillen auch schon als Zwölfjähriger sein Schicksal in die Hand genommen. Da er an den Folgen einer Kinderlähmung litt, wollte er von einem Orthopädieprofessor behandelt werden, der als besonders renommiert galt.

Ohne das Wissen seiner Mutter sei er beim Professor vorstellig geworden. Der habe zunächst nach den Eltern gefragt und dann gelacht, als der Junge energisch antwortete: „Mein Vater ist gestorben und meine Mutter muss arbeiten, aber ich bin ja auch der, der krank ist.“ Weil sein Fall untypisch gewesen sei, habe der Professor wohl der Behandlung zugestimmt.

Mit ebenso viel Energie setzte van Dillen, auch als Kind, durch, dass er einen Fuchswelpen adoptieren durfte, dessen Bau ausgehoben und dessen Geschwister erschlagen worden waren. Zunächst kümmerte er sich selbst um ihn, später fand er bei einer Dame mit großem Garten für den Fuchs ein Zuhause.

Köln-Lindenthal: Vieles hat sich verändert

Lindenthal, wo sich Generationen von Kindern die Nasen an seinem Schaufenster platt gedrückt haben, ist der Stadtteil, in dem van Dillen selbst aufgewachsen ist. „Früher spielten hier ständig Kinder, Räuber und Gendarm oder Hüppekästchen. Heute sehe ich kein Kind mehr auf der Straße“, bedauert er.

Kommt doch mal eines, hat es die ganze Aufmerksamkeit van Dillens der nicht nur erzählen, sondern auch zuhören kann. Ein Neunjähriger zum Beispiel, der mittags oft allein zu Hause sei und auch schon mal sein Herz ausgeschüttet habe, nachdem der Lehrer ungerecht war.

Individuelle Reparaturarbeiten für besonderes Spielzeug

Viele kaputte Spielzeuge hat er im Laufe der Jahrzehnte repariert. Ein antikes Schaukelpferd hat er besonders in Erinnerung: „Ein Vater kam damit. Die Beine waren gebrochen, als er sein Kind daraufsetzte, weil der Holzwurm darin war, aber es war ein Andenken an den Großvater.“

Zwei Monate habe er gebraucht, um das richtige Werkzeug zu beschaffen und die Beine von innen heraus mit unsichtbarem Stahlgewinde zu verstärken: „Danach konnte der Vater mit seinem Sohn darauf sitzen. Er war glücklich, und so etwas macht mir Freude.“

Engagement und Zusammenhalt aus Köln

Zu den Dauerbrennern im Sortiment gehören Rutschfahrzeuge aus Metall – Traktoren, Oldtimer und Flugzeuge. Auch zu ihnen gibt es eine Geschichte: Der Hersteller, ein Amerikaner, habe seine Landsleute dafür nicht begeistern können und beinahe aufgegeben. Dem Pioniergeist des Großvaters, der ihm 2000 Dollar gab, sei es zu verdanken, dass er seine Modelle auf der Nürnberger Spielzeugmesse anbot. „In der ersten Stunde war alles verkauft“, erzählt van Dillen, der die Gefährte in Einzelteilen geliefert bekommt: „Weil ich Uhrmacher bin, ist das aber kein Problem.“

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