Gemeinnütziges WohnenVerein pachtet Altbau in Köln-Dellbrück – Wohnraum für 20 Menschen geplant

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Vor einem Haus stehen eine Frau und ein Mann. In einem Fenster ist die Schriftzeile Bürgertreff zu sehen.

Luca Bandelow (l.) und Georg Gläser von Tausendsechs e.V. wollen an der Bergisch Gladbacher Straße bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Der Verein Tausendsechs will einen Altbau in Dellbrück in ein gemeinnütziges Wohnprojekt umwandeln. Die Stadt hat den Mitgliedern das Haus in Erbpacht überlassen.

„Wenn ich hier bin, dann… woah!“, Georg Gläser scheint für das herrschaftliche Haus aus Gründerzeiten an der Bergisch Gladbacher Straße 1006 im Zentrum Köln-Dellbrücks keine Worte zu finden. Das Mitglied des Vereins Tausendsechs ist aber nicht nur optisch von dem Altbau überwältigt. Es haut ihn genau so um, dass er mit seinem Verein den Zuschlag für einen Erbpachtvertrag für die nächsten 99 Jahre bekommen hat.

Wir schreiben das Jahr 2019. Das Haus in der Bergisch Gladbacher Straße 1006 steht seit zehn Jahren leer, wurde sogar in den 2010er Jahren kurzzeitig besetzt. Um den stetig steigenden Immobilienpreisen entgegenzuwirken, sollte dieses Haus von der Stadt für ein  gemeinwohlorientiertes Wohnprojekt ausgeschrieben werden. Zur gleichen Zeit soll die Kulturfabrik Kalk ihre Räumlichkeiten verlassen. Gläser ist Mitglied dieser Gruppe. Eine glückliche Fügung oder bloß Zufall? Zusammen mit Mitgliedern anderer sozialer Wohnprojekte gründete der 27-Jährige den Verein Tausendsechs und bekam im Jahr 2021 den Zuschlag per Stadtratsbeschluss.

Haus in Köln-Dellbrück steht Verein für 99 Jahre zur Verfügung

„Es gibt gerade einen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik, Erbpachten werden immer häufiger vergeben“, erklärt Luca Bandelow, auch sie ist Mitglied des Vereins. Für einen Erbpachtzins von zwei Prozent des Verkehrswertes des Objektes, das in etwa 10.000 Euro im Jahr entspricht, steht das Haus dem Verein für mindestens 99 Jahre zur Verfügung.

Die Zinsen sollen durch eine angemessene Miete gedeckt werden, die sich die Bewohnerinnen und Bewohner je nach ihren finanziellen Möglichkeiten aufteilen. In Zusammenarbeit mit der Beteiligungsgesellschaft Mietshäuser Syndikat wollen sie das Projekt angehen. Sie stehen dem Verein nicht nur als Berater und Unterstützer zu Seite, sondern auch als Versicherung dafür, dass der Altbau nicht zu Marktkonditionen verkauft wird. „Das Mietshäuser Syndikat hat ein Veto-Recht und setzt dieses auch im Fall der Fälle ein“, erklärt Bandelow.

Da sich der vom Hausschwamm befallene Altbau, der seit einem Jahrzehnt leersteht, in einem maroden und zerfallenen Zustand befindet, will der Verein eine Kernsanierung vornehmen. Nach ersten Prognosen sollten die Kosten bei etwa 800.000 Euro liegen, inzwischen wurde die Schätzung auf 2,5 Millionen Euro nach oben korrigiert. Dabei soll es sich nur um grundlegende und dringend nötige Sanierungsarbeiten handeln.

„Wir werden auch selber so viel wie möglich helfen, stemmen und schleifen“, betont Gläser, der als Sänger einer Band auch für sich selbst einen Traum erfüllen kann. „Es wäre natürlich toll, einen Proberaum in den Keller zu bauen.“ Direktkredite und -anlagen sollen die Kernsanierung finanzieren. Hierfür sucht der Verein auch noch Geldgeber. „Banken haben Erfahrungen mit dem Modell, da das auch schon in der Vergangenheit so funktioniert hat“, berichtet Bandelow.

Wohnung für Geflüchtete oder Menschen im Hafturlaub

Auch wenn beide sich vorstellen können, selber in der BG1006 zu wohnen, soll es sich dabei um ein solidarisches und gemeinnütziges Wohnprojekt handeln. Es sollen 18 bis 20 Menschen dauerhaft dort gemeinschaftlich und barrierefrei wohnen. Derzeit wäre es für einen Rollstuhlfahrer aber noch nicht einmal möglich, über die Türschwelle in den Flur, geschweige denn in den dritten Stock über die denkmalgeschützte Wendeltreppe zu kommen. Rampen und Aufzüge sollen her.

Im Erdgeschoss soll eine solidarische Wohnung für Menschen im Hafturlaub oder Geflüchtete zur Verfügung stehen. Auch an den Klimaschutz wird gedacht. „Mit das Schädlichste für das Klima sind Neubauten, aber man muss eben auch bei der Sanierung einiges beachten“, betont Bandelow, die als persönliche Assistenz für selbstbestimmtes Leben arbeitet. Das Haus aus der Gründerzeit soll zukunftstauglich gemacht werden: Solarpaneele, Erdwärme, gedämmte Fenster. Aus Oldtimer mach selbstfahrendes Elektroauto. Upcycling auf ganz hohem Niveau und zum gemeinnützigen Zweck.

Ein vierstöckige Altbau an einer Straßenecke mit weißer Fassade ist zu sehen.

Das Haus an der Bergisch Gladbacher Straße 1006 muss kernsaniert werden.

Die Kernsanierung soll diesen Sommer beginnen und im Sommer 2025 abgeschlossen werden. Bis dahin bleibt das selbstverwaltete, selbstbestimmte und solidarische Wohnen in der Bergisch Gladbacher Straße 1006 eine Vision. Die nächste Hürde wird mit der Unterzeichnung des Erbpachtvertrags demnächst genommen. Dazwischen steht für Gläser und Bangelow aber noch viel Planungsarbeit mit Architekten, Energie- und Finanzberatern an. Die 28-jährige Persönliche Assistentin kann sich dem Projekt aufgrund Ihrer Blockarbeitszeiten komplett hingeben und ist damit überglücklich: „Ich arbeite 48 Stunden am Stück und habe danach umso mehr Zeit, um mich dem Projekt 1006 hundertprozentig zu widmen.“


Sechs genossenschaftliche Wohnprojekte haben sich zusammengeschlossen, um ihrer Forderung nach Unterstützung durch die Stadt Nachdruck zu verleihen: Rondorf: Hof der Familie eG, Müngersdorf: Machbarschaft Köln eG i.Gr. (Petershof), Zollstock: Mietergenossenschaft Kalscheurer Weg eG, Dellbrück: Tausendsechs e.V, Innenstadt: Verein Ludolf-Camphausen-Straße 36 e.V., (LC36) Nippes: Woge Köln eG.

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