Neuer Ort für Yoga, Film oder BeerdigungKapelle in Köln-Mülheim vor Abriss bewahrt

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Die Vorsitzenden vom Verein „Et Kapellche“: Dirk Weingarten, Johan van Beers (v.l.).

  • Der Verein „Et Kapellche“ hat die Kapelle an der Holsteinstraße vor dem Abriss bewahrt.
  • Die neuen Räume sollen grundsätzlich allen offen stehen, die Ideen haben – vergünstigt oder sogar kostenlos.
  • „Die Leute treten uns bei wie blöd“, sagt Dirk Weingarten, Vorsitzender des Vereins.
  • „Nur für Jugendliche tun wir uns mit Angeboten noch schwer“, gibt Weingarten zu.

Mülheim – Sie haben Kastagnetten, eine Tuba, Tamburine und Handglocken in den Händen, sie ziehen durch die Straßen ihres Veedels, manchmal bleiben sie vor Geschäften stehen, singen „Mir losse de Kapellche in Mülheim“. Und die Menschen, die zu Dutzenden durch Mülheim gezogen sind, singen nicht nur, sie haben es geschafft:

Der Verein „Et Kapellche“ hat die Kapelle an der Holsteinstraße vor dem Abriss bewahrt – nun wollen die Mitglieder sie mit neuem Leben füllen.

Eine gute Woche vorher. Noch ist die ehemalige Klosterkapelle an der Holsteinstraße nicht neu eröffnet. Doch die Vorsitzenden des Vereins „Et Kapellche“ sind schon hier, sie stehen vor dem backsteinernen Gebäude mit nagelneuem orangefarbenen Anbau und werben in Gesprächen mit Bürgern um weitere Unterstützung für ihr Projekt.

Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs im Gespräch mit interessierten Anwohnern.

Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs im Gespräch mit interessierten Anwohnern.

Ob denn hier auch weiterhin Beerdigungen begangen werden können, ob es auch weiterhin möglich ist, einen Pfarrer in die Kapelle zu bestellen, fragt eine 78-Jährige, die das „Kapellche“ noch anders kennt: 1967 erbaut, war sie früher Teil eines Klosters des Redemptoristenordens.

Mangels Nachwuchs gab der Orden das Kloster auf, 2014 erwarb die mehrheitlich städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG das Gelände, riss das Kloster ab – und entschloss sich nach einer Unterschriftenaktion der Bürger, zumindest die Kapelle stehen zu lassen.

„Wir hatten fast schon nicht mehr daran geglaubt“

Auf 8100 Quadratmetern hat die GAG heute 120 Wohnungen realisiert. Während sie schon bezogen wurden, soll der Alltag im angrenzenden „Kapellche“ langsam anlaufen. „Wir hatten fast schon nicht mehr daran geglaubt, dass es tatsächlich funktionieren würde“, meint Dirk Weingarten, Vorsitzender des Vereins, und erinnert sich daran zurück, wie traurig man in Mülheim über den geplanten Abriss von Kloster und Kapelle gewesen sei.

„Heute, wo wir diese neuen Perspektiven haben, sind die allermeisten total euphorisch“, sagt Johan van Beers, zweiter Vorsitzender von „Et Kapellche“. „Mit der Euphorie kommen aber auch Erwartungen an unser Angebot.“

Noch ist die alte Dame, mit der die Männer an diesem sonnigen Nachmittag ins Gespräch kommen, skeptisch. Doch als sie ihr erklären, dass die Bürger das Bauwerk auch weiterhin für Beerdigungsfeiern nutzen können, freut auch sie sich. Denn genau das soll das Konzept des neuen „Kapellche“ sein: Die Räume stehen grundsätzlich allen offen, die Ideen haben, wie die Kapelle als Veedelstreffpunkt genutzt werden kann.

Im Inneren des ehemaligen Redemptoristen-Kloster

Im Inneren des ehemaligen Redemptoristen-Kloster

Bereits jetzt haben die Verantwortlichen ein siebenseitiges Programm zusammengestellt: Musikalische Leseabende werden hier bald genauso stattfinden wie Kinderflohmärkte, Ausstellungen mit Mülheimer Künstlern, Yoga-Gruppen oder Filmabende. Vereinsmitglieder können die Räume und Angebote vergünstigt oder sogar kostenlos nutzen. „Nur für Jugendliche tun wir uns mit Angeboten noch schwer“, gibt Weingarten zu. „Aber die Leute treten uns bei wie blöd.“ 80 Mitglieder hat der Verein rund eine Woche vor der offiziellen Eröffnung.

Als der Verein schließlich in einem Festzug bis zur Kapelle zieht und die Räume offiziell eröffnet, kommt auch Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs. Es heißt, er habe dabei geholfen, das Überleben der Kapelle zu sichern. Immerhin hat die GAG nicht nur die Initiative bei der Umsetzung ihres Projektes unterstützt, sondern zugunsten der Kapelle rund 60 Wohnungen weniger realisieren können als anfangs geplant, sagt Weingarten. „So gesehen haben wir natürlich 60 Wohnungen verhindert, aber dafür auch den Frieden im Veedel bewahrt. Es geht ja beim Wohnen nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität.“

Er glaubt: „Wäre es anders gelaufen, es hätte hier wohl schnell Stunk gegeben.“ Die Kapelle als Garant für mehr Lebensqualität im Quartier? Am Tag der offiziellen Eröffnung seien nochmals rund 20 neue Mitgliedereinträge eingegangen, erzählt Weingarten. In den nächsten Tagen will „Et Kapellche“ die Hundert-Mitglieder-Schwelle überschreiten.

Rundgang und Kursprogramm

Am Samstag, 3. August, um 14.30 Uhr, lädt Jörg Thunemann alle Interessierten zu einer Führung durch Mülheim ein. Unter dem Motto „Müllem im Wandel der Zick“ zeigt er die Veränderungen im Stadtbild, die neuesten Entwicklungen und Hintergründe dazu. Darüber hinaus erfahren die Teilnehmer viel Wissenswertes, das er in seiner ureigenen, humorvollen, kölschen Art vermittelt. Der Rundgang startet an Jörg’s Weinshop in der Frankfurter Straße 56 und endet gegen 16.30 Uhr am Kapellchen, Holsteinstraße 1. Der Eintritt ist frei. Spenden zugunsten des Vereins „Et Kapellche“ sind gern gesehen.

Am Montag, 5. August, findet um 19 Uhr die Vorstellung des Veranstaltungs- und Kursprogramms des ersten Halbjahres statt: Ausstellungen, After-work-Singing, Diskussionsabende, Filmabende, Gesundheitskurse, Lesungen, Meditation, nachbarschaftlicher Austausch bei Kaffee und Kuchen und vieles mehr werden angeboten. Alle Interessierten sind zu dieser offenen Mitgliederversammlung eingeladen. Für das leibliche Wohl wird gesorgt. 

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