Kreis Euskirchen – Die Volkshochschule war vor Jahrzehnten mit dem biederen Geruch von Sparpädagogik für das Volk behaftet. Dahin gingen im Zweifel Hausfrauen, die ihr Urlaubs-Italienisch auffrischen wollten oder Männer, die für den Beruf die Grundzüge englischer Sprache lernen mussten. Dem entsprach der „Arbeitsplan“ als besseres Faltblatt, in das das noch spärliche Kursangebot der Anfangsjahre leicht passte. Inzwischen hat sich diese altertümlich daherkommende „Hochschule für das Volk“ zu einer Bildungsfabrik gemausert, die nun wahrlich jeder Anforderung an die Weiterbildung außerhalb der Regelschulen gerecht wird. Das halbjährlich veröffentliche Programmangebot füllt dicke Kataloge.

Steuermann in der teilweise stürmischen Wandlung der Kreis VHS war seit 1989 der 1950 geborene Richard Victor aus Sistig. Morgen feiert er sein Silberjubiläum als Chef der VHS: Anlass, eine Bilanz zu ziehen. Dass er sich dem Ort des Interviews nähert, ist unschwer erkennbar. Seit Jahrzehnten fährt er einen heute im Straßenbild markanten Mercedes 220 SE Coupé, Baujahr 1964, mit roten Sitzen. Der beige Schlitten ist regional bekannt wie ein fünfbeiniger Hund und sein Markenzeichen.

Nach dem Abitur am Städtischen Gymnasium Schleiden studierte er bis 1976 mit dem Ziel, Realschullehrer für Englisch und Erdkunde zu werden. Aber die Stellen waren in der Eifel dünn gesät, daher griff Victor den Hinweis auf, dass die VHS einen pädagogischen Mitarbeiter suche und bewarb sich erfolgreich. 1989 wurde er Leiter der VHS und drückte der Einrichtung seinen Stempel auf. In der Folgezeit legte er besonderen Wert darauf, Jugendlichen und Erwachsenen das Nachholen von versäumten Schulabschlüssen zu ermöglichen. Bald waren diese Abschlussprüfungen für sämtliche Schulformen bundesweit anerkannt, die Prüfungen führte die VHS selbst durch. Selbst die Fachhochschulreife konnte man dank Telekolleg II und Kollegtagen bei der VHS erwerben. Dank einer zeitweiligen Kooperation mit dem Abendgymnasium Bonn konnten Erwachsene auch das Abitur in Schleiden nachholen. Inzwischen ist die Nachfrage nach solchen Angeboten jedoch deutlich rückläufig, seit nahezu jeder die Schule mit einem Abschluss verlässt.

Zum echten Knüller gerieten die von Victor ebenfalls stark beförderten Studienfahrten und Exkursionen. Er plante und organisierte weit über hundert solcher Fahrten, in der Regel begleitete er solche Bildungstouren auch selbst. So kennt er sich in allen Kontinenten aus und dürfte einer der wenigen Kreisbürger sein, die sich rühmen können, in praktisch jedem der mit Gruppen bereisbaren Länder der Erde gewesen zu sein. Noch heute hört er von ehemaligen Mitreisenden häufig die Frage: „Weißt Du noch, damals, in...?“ Bei den Kreis-Politikern wurden solche Bildungsreisen allerdings nicht immer gerne gesehen. Victor: „Einmal musste ich mir im Kreistag den Vorwurf anhören, dass ich mit reichen Witwen nach Kalifornien reisen würde.“ Der Zahn konnte dem Politiker leicht gezogen werden: „Da die Reise bereits stattgefunden hatte, konnte ich die Berufe genau aufzählen.“

Keine Scheu vor Kooperationen

Inzwischen bietet die Kreis-VHS ein wahrlich allumfassendes Angebotsspektrum. Neben den Themen Gesundheit, Sprachen und Natur kamen Bereiche wie Politik und Gesellschaft, Umwelt sowie Lebens- und Arbeitswelt ebenso ins Programm wie die Vertiefung beruflicher Fertigkeiten. Bei Bedarf scheut die VHS auch keine Kooperation, wie etwa mit dem Naturzentrum Eifel oder der Eifelhöhenklinik in Marmagen.

Für Victor ist die Zeit der VHS noch lange nicht vorbei. Gerade das Zeitalter digitaler Wissensvermittlung wird seiner Ansicht nach ein bedeutender Bildungsfaktor für den Kreis Euskirchen werden. Dabei werde die VHS nicht nur bewährtes fortsetzen können, sondern auch neue und spannende Themen anpacken müssen. Er selbst wird die VHS noch ein Jahr begleiten: Der 30. Juni 2015 wird sein letzter Arbeitstag sein. Vorher soll Ende Mai 2015 noch das 60-jährige Bestehen der VHS Landkreis Schleiden gefeiert werden.