„Eine große Chance“Mexikanische Pflegerinnen starten in Kölner Krankenhaus

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Aurora Guadalupe Pacheco Rodriguez im Schwesternzimmer.

Köln-Bayenthal – Blutdruck messen, Infusionen anlegen, Blutzuckerwerte prüfen, Patienten waschen, Kranke aufmuntern – all das gehört seit Jahren zu ihrem Arbeitsalltag. Nur, dass die fünf Mexikanerinnen diese Tätigkeiten jetzt nicht mehr in ihrem Heimatland verrichten, sondern im St. Antonius Krankenhaus in Köln. Ende September sind die jungen Frauen – alle zwischen 25 und 30 Jahren – hier angekommen, seit Anfang Oktober sind sie in der Bayenthaler Klinik im Einsatz.

Programm Global Skills Partnership 

Gekommen sind sie im Rahmen des Programms „Global Skills Partnerships“, ein Pilotprojekt im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Deutschen Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa). Ziel: Dem akuten Pflegenotstand in Deutschland entgegenwirken. Ende Oktober des vergangenen Jahres wurden bundesweit Krankenhäuser über das Projekt informiert, diese konnten sich bis Mitte November dafür anmelden. „Das haben wir sofort gemacht, denn auch wir spüren den Mangel an Pflegefachkräften. Ausgeschriebene Stellen bleiben häufig lange Zeit unbesetzt“, berichtet Karl-Dieter Becker, Pflegedirektor im St. Antonius.

Video-Interviews mit neuen Mitarbeitenden

Im Dezember fanden die ersten Video-Interviews mit den neuen Mitarbeitern statt. Die GIZ hatte die mexikanischen Interessenten ausgewählt, bewerben konnten sich nur ausgebildete Kräfte. In den darauffolgenden Monaten unterstützte das Krankenhaus die neuen Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, indem es unter anderem Sprach- und Weiterbildungskurse finanzierte. Eigentlich sollten acht kommen, aber zwei schafften die Deutschprüfung nicht, eine Mexikanerin werde nachkommen, informiert Becker.

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Flor Bustillos dokumentiert die Blutzuckerwerte der Patienten, ihr Kollege David Strasser hat für Fragen ein offenes Ohr.

Die erste Woche in Köln stand für Luz Elva Rivera Castaneda, Flor Stephany Bustillos Pérez, Ana Karen López Saldivar, Cecilia Olivia Hernández Cruz und Aurora Guadalupe Pacheco Rodriguez ganz im Zeichen der Einführung durch Sonja Ante, Beckers Assistentin. Sie erläuterte den jungen Frauen, was in Deutschland in der Ausbildung besonders wichtig ist, die Abläufe im Krankenhaus, begleitete sie bei Behördengängen und Erledigungen wie Anmeldung und Telefonkarten besorgen. „Die fünf sind sehr motiviert und wir sind sehr glücklich, welches Sprachniveau sie schon haben und auch mit dem Niveau ihrer Ausbildung“, erklärten Becker und Ante. I

Krankenhaus mietet Wohnungen

Das Krankenhaus hatte im Vorfeld Appartements und WG-Zimmer für die neuen Mitarbeiterinnen in Godorf besorgt. Den Weg zur Arbeit legen diese mit der Bahn zurück. Die Stammbelegschaft  im St. Antonius freut sich über die Unterstützung, die Resonanz sei sehr positiv, sagt Becker. „Am Anfang ist es natürlich Mehraufwand, die neuen Mitarbeiterinnen einzuweisen, aber dann sind sie eine große Erleichterung für uns“, so Becker.

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Klaus-Dieter Becker und Sonja Ante (3. von links) mit den fünf Mexikanerinnen

Die fünf Frauen haben sich schon ganz gut eingelebt. „Die Kollegen und die Patienten und auch die Nachbarn und sonst Leute, mit denen wir zu haben, sind alle sehr nett und haben Verständnis, wenn wir nicht alles gleich verstehen“, berichten Flor und Ana Karen. „Die Arbeit ist die gleiche wie in Mexiko. Aber hier gibt es mehr Technologie. In der Notfallaufnahme zum Beispiel gibt es viel mehr Geräte, man kann viel mehr für die Patienten tun, das ist toll“, schildert Cecilia. Was noch schwierig sei, sei die Sprache, sagen sie und ihre Kolleginnen. Neben der Arbeit nehmen die fünf neuen Pflegefachkräfte an einem Sprach- und Fachunterrichtskurs teil.

Längere Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung in Mexiko

Luz, Flor, Ana Karen, Cecilia und Aurora sehen in Köln eine Perspektive für sich. „Natürlich ist es traurig, die Familie zu verlassen. Aber für uns ist es eine große Chance. Die Arbeitsbedingungen sind wesentlich besser als in Mexiko. Dort sind die Löhne viel niedriger, die Schichten länger und auf ausreichend Pausen zwischen den Schichten wird nicht geachtet“, erzählt Cecilia, die anderen vier nicken zustimmend. Becker hält Programme wie das Global Skills Partnership für sehr gut und absolut notwendig. „Es braucht aber deutlich mehr und deutliche größere Maßnahmen, um den Mangel in der Pflege aufzufangen. Der ist seit Jahren bekannt, es wurde von der Politik viel zu wenig getan“, erläutert er. Der Pflegenotstand sei längst da, betont er.

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„Wir haben immer mehr ältere Menschen. Gleichzeitig gibt es der Arbeitsmarkt nicht her, genügend Pflegekräfte zu bekommen. Hier muss unbedingt gehandelt und Geld in die Pflege investiert werden, sonst schlittern wir in eine riesige soziale Katastrophe“, warnt er. Im St. Antonius Krankenhaus zum Beispiel sind derzeit fünfzehn Stellen in der Pflege nicht durch reguläres Pflegepersonal besetzt, sondern über Zeitarbeitsfirmen. Das kommt die Einrichtung deutlich teurer zu stehen. Die Klinik hat 220 Betten, insgesamt arbeiten hier 500 Beschäftigte. Auch in den vergangenen Jahren hat das St. Antonius schon auf eigene Faust Pflege-Personal vor allem von den Philippinen ins Haus geholt. Für die Mexikanerinnen gibt es keine Mindestzeit, die sie in Bayenthal bleiben müssen. „Das ist natürlich ein Risiko für uns, aber eine Mindestzeit passt nicht zum fairen Anwerben. Und wir hoffen natürlich, dass unsere neuen Mitarbeiterinnen auf Dauer bleiben“, so Becker.

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