Lesen, tauschen, stöbernKennen Sie den alten Bücherwagen in Zollstock schon?

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Ein Bauwagen steht unter einem Baum.

In der Indianersiedlung am Kalscheurer Weg kann man es sich in einem alten Bauwagen zum Lesen gemütlich machen.

Es gibt ihn schon seit zehn Jahren, aber kaum einer kennt ihn: den Bücherwagen in der Indianersiedlung.

Regale voller Bücher, ein Korbsessel, ein kleines Fenster mit Blick ins Grüne, Teppich auf dem Boden, Stoffdeko an der Wand – der Bauwagen neben der Pferdekoppel in der Siedlergenossenschaft am Kalscheurer Weg lädt ein zum Büchertauschen und lesen in heimeliger Atmosphäre. Die Idee dazu hatte Sonja Franke, Bewohnerin der sogenannten Indianersiedlung neben dem Südfriedhof in Zollstock. „Ich bin große Bücherliebhaberin und lese schon immer total gerne. Daher bekomme ich auch oft Bücher geschenkt und irgendwann hatte ich keinen Platz mehr. Ich wollte die Bücher aber nicht wegwerfen. So kam es zur Idee, einen Bücherschrank in der Siedlung aufzustellen“, erzählt die 36-Jährige. Es wurde dann kein Bücherschrank, sondern ein Bauwagen. Den hat Frankes Vater besorgt.

Eine Frau sortiert die Bücher im Bauwagen.

Regelmäßig werden die Bücher im Bauwagen aussortiert.

„Nach und nach habe ich den Wagen mit Büchern bestückt“, berichtet die junge Frau. Sie ist in der Siedlung aufgewachsen und wohnt seit dreizehn Jahren wieder hier. Die Bücher sind teils nach Rubriken geordnet, teils alphabetisch nach Autoren. Viele Jahre kümmerte sich Franke allein um den Bücherwagen, aber seit geraumer Zeit hat sie rund fünf Mitstreiterinnen, die „Bücherfreundinnen“. Einmal in der Woche räumt eine von ihnen im Lese-Wagen auf. „Wir sortieren Bücher aus, die keiner lesen will, wie alte Schulbücher, veraltete Reiseführer und Kochbücher. Auch achten wir darauf, dass manche Inhalte wie populistische oder arg esoterische Bücher hier nicht stehen“, sagt Franke.

Alle können den Bücherwagen in Zollstock nutzen

Der Bücherwagen ist nicht nur für die Bewohner der Siedlung, sondern steht allen zur Verfügung. „Es kommen vorwiegend Siedler, weil es nicht so bekannt ist, dass wir hier den Bücherwagen haben. Aber es kommen schon auch Leute von woanders“, so Franke. Das Feedback sei immer sehr positiv. „Die Leute freuen sich über die Auswahl und sagen oft, dass der Wagen eine große Bereicherung ist“, erzählt sie. Ein Paketbote habe hier auch eine Zeit lang gerne seine Pause verbracht, berichtet sie.

„Die größte Herausforderung ist eigentlich, dass immer viel mehr Bücher gebracht als entnommen werden“, sagt die Bücherliebhaberin. Auch ein paar Spiele gibt es im Bauwagen und eine kleine Leselampe. Für die Kinder der Siedlung sei der Wagen ohnehin stets ein Anziehungspunkt. Wer will, kann sich auch auf Bänken aus Europaletten gleich neben dem Wagen niederlassen und schmökern. Demnächst wollen die Bücherfreundinnen den Wagen mal neu streichen, innen aufhübschen und auch ein Schild anbringen, damit er als Lesewagen besser zu erkennen ist. Die Tür ist, auch wenn sie zu ist, immer unverschlossen.

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