Wirtschaftsexperte ordnet Entwicklung ein„Auch das Ruhrgebiet läuft Köln den Rang ab“

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Der Sonnenuntergang über der Skyline von Köln

Die Stadt Köln schöpft ihr wirtschaftliches Potenzial nicht aus.

Hanno Kempermann ist Geschäftsführer der „IW Consult“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft und Experte für gesamtwirtschaftliche Entwicklungen. Er erklärt im Interview, warum die Stadt Köln wirtschaftlich stagniert.

Herr Kempermann, wo steht Kölns Wirtschaft?

Hanno Kempermann In unserem jährlichen Städteranking steht Köln aktuell leider nur im Mittelfeld auf Platz 30 der 71 größten deutschen Städte. Das kann einer attraktiven Millionenmetropole wie Köln nicht genügen. Wir schauen uns vor allem die Bereiche Lebensqualität, Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstruktur an. Bei der Wirtschaftsstruktur steht Köln immerhin auf Rang 16. Wir berechnen auch einen Nachhaltigkeitsindex für die 71 Großstädte. Hier sind die Indikatoren Ökonomie, Ökologie und Soziales. Da ist Köln noch schlechter und steht auf dem 49. Platz, im Bereich Ökologie sogar auf dem letzten. In Köln gibt es zum Beispiel viel zu wenig Solaranlagen auf Dächern, es entsteht sehr viel Abfall, bei E-Tankstellen ist Köln auf Platz 54.

Schöpft Köln also sein Potenzial nicht aus?

Das kann man daraus genauso ableiten. Kölns Bruttoinlandsprodukt liegt im Mittelfeld, viele Unternehmen in Köln sind nicht überdurchschnittlich produktiv, der Gewerbesaldo ist auch nicht sonderlich hoch. Patentanmeldungen, Forschungsinstitute, Ingenieursdichte, die Absolventenzahlen bei Naturwissenschaften, Informatik, Technik und Mathematik, das ist in Köln alles Durchschnitt. Was gut ist, sind die Gründungen. Die Gründerinitiative und der Digital Hub, der mittelständische Unternehmen bei Digitalisierung und Innovation unterstützt, trägt Früchte. Denn es sind vor allem digitale Gründungen. Die digitale Infrastruktur, also ein leistungsfähiges Internet, ist in Köln vorhanden. Das pusht die Start-ups, die das für ihre Geschäftsmodelle zwingend benötigen. Insgesamt kann man also sagen: Gründungen sind das Licht, bei der restlichen Wirtschaft ist durchaus Schatten.

Was ist mit Kölns klassischen Wirtschaftssektoren wie Versicherungen, Automobilbau oder Medien?

Bei den Medien steht Köln ordentlich da, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Die Menschen verbinden Köln mit Medien, das ist gut. Bei den klassischen Industriebranchen ist Ford ein Leuchtturm, ansonsten ist es aber alles relativ durchschnittlich. Die Standorte großer Unternehmen oder von US-amerikanischen Tech-Konzernen findet man in Köln nicht häufig. Hier laufen München oder Berlin Köln den Rang ab. Und auch das Ruhrgebiet, wenn wir an die Konzernzentralen von Energie- und Stahlunternehmen denken.

Was machen die anderen Städte besser?

Vor allem könnte die Kölner Stadtverwaltung, die teilweise dysfunktional arbeitet, besser sein. Wir sehen einen weit überdurchschnittlichen Krankenstand, viele Projekte werden verzögert oder verschlafen, Baugenehmigungen dauern zu lange. Auf Ansiedlungsanfragen von Unternehmen gab es teilweise keine Antworten, der Internetauftritt der Stabsstelle Digitalisierung ist dürftig. Die ganze Verwaltung müsste aus unserer Sicht anreizkompatibler geführt werden, um Dynamik in die Stadt zu bringen, damit die Möglichkeiten, die Köln auf jeden Fall hat, zur Entfaltung kommen.

Hanno Kempermann schaut in die Kamera

Hanno Kempermann vom Institut der Deutschen Wirtschaft

Die Verwaltung strahlt in sehr viele Bereiche aus. In Köln wirken zum Beispiel die Maßnahmen, um für Industrie oder Start-ups neue Flächen zu schaffen, uninspiriert. Der Gewerbesteuerhebesatz ist in Köln vergleichsweise hoch, den könnte man senken. Auch im öffentlichen Nahverkehr passiert viel zu wenig. Gerade in Start-ups arbeiten junge Menschen, die oft gar nicht mit dem Auto fahren wollen. Das alles sind Standardanforderungen und Themen, die eine Stadtverwaltung, aber auch die Kommunalpolitik antreiben kann. Man kann der Wirtschaft den roten Teppich ausrollen, oder es lassen. Städte wie München schaffen das mit dem Ausrollen herausragend, Köln leider nicht.

Ist die Situation denn völlig hoffnungslos oder kann es noch etwas werden mit Köln?

Es kann auf jeden Fall etwas werden. Köln ist eine super Stadt, ist eine der vier deutschen Millionenstädte, hat eine fantastische Lage in Europa, hat mit der Rheinachse Köln-Bonn-Düsseldorf ein wirtschaftlich starkes Umfeld. Kölns Rahmenbedingungen sind so gut, dass es irgendwie immer etwas weiter geht, selbst wenn Etliches an Potenzial nicht gehoben wird. Aber wenn Köln es besser machen würde, könnte die Stadt dauerhaft unter die Top Ten der deutschen Städte kommen. Und das muss absolut der Anspruch sein.

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