15. „Bergdoktor“-StaffelWie das Hineinschlüpfen in bequeme Latschen

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Hans Sigl als Bergdoktor mit Monika Baumgartner, Ronja Forcher und Heiko Ruprecht (v.l.)

Köln – Es wird derzeit viel über die Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Eine wirkliche Spaltung gibt es ganz offensichtlich beim Konsum von Serien. „Der Bergdoktor“ läuft seit 2008, die 15. Staffel steht an, der Zuschaueranteil liegt bei bis zu 22 Prozent. Ein absoluter Quotenrenner. Klatschspalten sind derzeit wieder voll mit angeblichen Neuigkeiten über Hauptdarsteller Hans Sigl (52).

Doch es gibt auch viele Menschen, die diese Serie noch nie gesehen haben. Das ZDF ist eben nicht Netflix und die Geschichten um einen Arzt, sein Liebesleben und seine Familie sind kein schicker Inhalt. Aber dann gibt es da doch die immer noch wachsende Fangemeinde, die das donnerstägliche Ritual vor der Kulisse des Wilden Kaisers liebt, seien die Geschichten auch noch so hanebüchen. So viele Zuschauer wie bei der letzten Staffel hatte der „Bergdoktor“ noch nie.

Gegenentwurf zum „Tatort“

Als eine Gegenentwurf zum „Tatort“ wurde der „Bergdoktor“ einmal bezeichnet: keine Experimente, keine schaurigen Mordfälle, keine Zumutungen, keine Randgruppen. Dafür schöne Landschaft und gepflegte Menschen. Und Gewohntes wie etwa die Frühstücksrunde auf der Terrasse mit weitem Talblick. „Bergdoktor“ zu schauen ist wie das Hineinschlüpfen in bequeme Latschen.

Hans Sigl beschreibt es im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ so: „Das Publikum freut sich, wenn etwas sehr regelmäßig wiederkommt. Bei uns begleitet man die Figuren durchs Leben.“ Für alle, die noch nie hingeschaut haben, hier die Grundkonstellation: Auf dem Gruberhof im idyllischen österreischen Ellmau leben „Bergdoktor“ Martin Gruber, sein Bruder Hans (Heiko Ruprecht) und Tochter Lilli (Ronja Forcher). Sie ist quasi Tochter von beiden Brüdern: Nach dem Tod von Lillis Mutter stellte sich heraus, dass nicht Hans, sondern Martin ihr leiblicher Vater ist.

Rumpf-Familie in der Idylle

Vierte im Bunde ist Oma Lisbeth (Monika Baumgartner), ihr Mann ist vor langer Zeit „im Berg geblieben“. Dazu kommt noch Susanne (Natalie O’Hara), die Wirtin im Gasthaus „Wilder Kaiser“, die ein Kind mit Hans hat (diesmal aber wirklich). Eine Rumpf-Familie also, die man in allerlei neue Konstellationen bringen kann.

Allerdings müssen die Drehbuchautoren nach all den Jahren doch immer tiefer in die Trickkiste greifen, um neue Wendungen herbeizuschreiben. Vor allem: Der „Bergdoktor“ muss sich aus Spannungsgründen immer wieder verlieben, darf aber nicht heiraten. Sonst wäre die Luft irgendwie raus. Als Cliffhanger steht der Arzt zur Zeit zwischen Anne, die er fast schon geheiratet hätte, und Franziska, die ein Kind von ihm erwartet.

Bergdoktor-Terrasse

Spannungsort Terrasse: Die Familie und Anne (Ines Lutz, r.)

Eine ebenso große Rolle wie die Liebeswirrungen spielt allerdings die idyllische Landschaft am Wilden Kaiser, besonders das beschauliche – und sichtlich wohlhabende – Ellmau, das sich offiziell „Bergdoktor“-Dorf nennt. Die ganze Region profitiert von der Serie. Bei einer Befragung des örtlichen Touristenbüros gaben 70 Prozent der Besucher an, dass sie auch oder wegen der Serie kommen. Die Schauplätze kann man besichtigen, es gibt Traktorfahrten zum Gruberhof, Besichtigungen der Praxis, „Bergdoktor“-Wanderungen und Fahrradtouren.

Fantreffen in Ellmau

Jedes Jahr finden große Fantreffen mit den Stars statt. „Wir sind wirklich stolz, dass wir mit unserem Fernsehformat Leute mobilisieren. Die nehmen richtig was auf sich, Fans kommen aus Holland, Dänemark, sogar Amerika. Diese Jahr haben wir drei große Events hier mit Musik und Bergdoktor-Shows. Das wird immer größer“, sagt Sigl.

Bergdoktor Dorf

Franziska (Simone Hanselmann) bekommt ein Kind vom Bergdoktor. 

Dass in der winzigen Praxis die seltensten Krankheiten der Welt auftauchen und erkannt werden (weil Dr. Gruber durch seine Zeit in New York ein Super-Spezialist ist), ist zwar eher bizarr. Aber: Das Publikum verzeiht’s. Manche Zuschauer, so wird kolportiert, hätten sogar dank Dr. Gruber ihre eigenen Symptome endlich einordnen können.

Ein „Bergdoktor“-Serienteil dauert 90 Minuten und es gibt immer nur eine Staffel pro Jahr. Mehr sei nicht drin, sagt Sigl. „Wir sind jetzt mit sieben Folgen von Juli bis Dezember beschäftigt. Das alles braucht Vorbereitung und um in unserer Qualität zu arbeiten, brauchen wir dafür 120 Drehtage, was ohnehin sportlich ist.“

Hans Sigl plädiert fürs Impfen

Der Rest des Jahres wird mit Wiederholungen gefüllt, die ebenfalls sehr gute Einschaltquoten haben. Auch in der Mediathek wird der Bergdoktor stark abgerufen. Vielleicht, wenn auf den anderen Sendern wieder etwas Anstrengendes zu sehen ist.

Sigl beteuert, dass ihn die Langzeitrolle in seinem Schauspielerberuf nicht einenge. „Andererseits ist es derzeit natürlich absurd, mich groß in einer anderen Rolle als dem Bergdoktor zu präsentieren, weil mich die Zuschauer so im Moment wahrnehmen.“ Über welches Kompliment er sich am meisten freue? „Wenn die Leute sagen, sie vergessen, dass wir spielen.“

Aus der Rolle fällt er ausnahmsweise, seit er auf seinem Facebook- und Instagram-Account für das Impfen stark macht. Impfgegner empörten sich darauf hin, dass er als „Bergdoktor“ doch so nett  sei – und jetzt mit so etwas komme. Es habe durchaus Drohungen gegeben. „Es macht mir ein bisschen Angst und besorgt mich, zu sehen, was da in unserer Gesellschaft entsteht“, so Sigl. Und er stellt klar: „Der Bergdoktor würde rund um die Uhr impfen.“ 

Die 15. Staffel des ZDF-Quotenhits „Der Bergdoktor“ startet am 20. Januar. Bereits am 13. Januar läuft das traditionelle „Winter Special“. Beginn ist jeweils um 20.15 Uhr.

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