„Die 100 erleben“ heißt die Tour der Balkan-Band um Musiker Goran Bregović. Jetzt spielten sie vor ausverkauftem Haus in Düsseldorf
Balkan-KonzertJugoslawien lebt, wo Bijelo dugme spielt

Der Kopf der Band Bijelo dugme, Goran Bregovic
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Jugoslawien ist untergegangen. Offiziell erlosch es am 4. Februar 2003. De facto war das Land bereits zehn Jahren zuvor zerfallen – in blutigen Kriegen mit Hunderttausenden Toten. Vielen Menschen sind die grausamen Bilder der Kriege in Slowenien, Kroatien und dem Kosovo noch sehr präsent. Vor allem die nationalistischen Wortführer schafften und schaffen es in die Medien. Die Ereignisse der Kriegsjahre lassen die Zeit davor wie hinter einer dunklen Wolke verschwinden.
Aber für viele Menschen vom Balkan ist Jugoslawien mehr als die Summe kleiner, rivalisierender Kleinstaaten. Es ist die Erinnerung an ein Land, dass mit der Blockfreiheit den beliebtesten Reisepass der Welt besaß. Den Ostdeutschen stand maximal der Balaton offen, den Westdeutschen immerhin der Westen. Die blockfreien Jugos durften überall hin. Die Jugoslawen bauten mit VW Caddys gute Autos für den Westen, waren ein beliebtes weil sonniges und preiswertes Urlaubsziel. Es gibt flammende Nationalisten vom Balkan. Aber es gibt ebenso jene, die ihrer Jugend im großen und einigen Jugoslawien nachtrauern.
Populärste Band Jugoslawiens
Die Melodie dieser Trauer symbolisiert niemand besser als Bijelo dugme – auf deutsch Weißer Knopf. Am Samstag kam die legendäre Kult-Band in die Düsseldorfer Mitsubishi-Electric-Halle – und versetzte 4000 größtenteils balkanstämmige Fans in eine Mischung aus Heimweh, Gute-Alte-Zeit-Stimmung und die Erinnerung an die erste Liebe unter der Sonne Jugoslawiens.
Über 50 Jahre alt ist die Band heute. Vor den Balkankriegen löste sie sich auf. Bijelo dugme wurde 1974 offiziell gegründet, obwohl die Mitglieder der Standard-Besetzung, Gitarrist Goran Bregović, Sänger Željko Bebek, Schlagzeuger Ipe Ivandić, Keyboarder Vlado Pravdić und Bassgitarrist Zoran Redžić bereits unter anderem Namen aktiv waren.
Bregović, der Kopf der Gruppe, verkörpert wie kein anderer das geeinte Jugoslawien. Er hat einen kroatischen Vater, eine serbische Mutter, seine Frau ist Bosniakin – er selbst bezeichnet sich bis zum heutigen Tag als Jugoslawe. Bijelo dugme füllte als populärste Band des sozialistischen Staates in den 70er und 80er Jahren füllten sie Stadien. „Dugmemania“ nannten das die Medien. Bregović – damals wie heute mit lockiger Wuschelmähne, war der Star.
Wiedervereinigungskonzerte in drei Ländern
Doch als seine Ahnen – Serben, Kroaten und Bosnier – allesamt aufeinander schossen, lebte der Star im sicheren Paris. Das nahmen ihm die Bürger seiner eingekesselten Heimatstadt Sarajevo sehr übel. Wäre es wirklich sinnvoller gewesen, täglich in der Wasserschlange zu stehen und frierend dem Bombenhagel ausgesetzt zu sein, statt zu versuchen, seine Gefühle in der Musik auszudrücken? Er sei Musiker, sagte er in einem Interview.
Nach den Kriegen vereinte sich die Band zu Jubiläumskonzerten, die kritisch gesehen wurden. „Bregović ist ein Hurensohn“, titelte die Wochenzeitung Slobodna Bosna, „aber er ist unser Hurensohn.“ Das ist ein Balkan-Kompliment. 65.000 Fans kamen zum Wiedervereinigungskonzert 2005 nach Sarajevo (Bosnien), 70.000 nach Zagreb (Kroatien). Das Abschlusskonzert im Belgrader „Hipodrom“ (Serbien) sahen 250.000 Menschen.
Bjelo dugmes Sound ist laut, melancholisch und ein wenig schnulzig geblieben. Befragt man die allesamt textsicher mitsingenden Zuschauer zum Inhalt einzelner Songs, erhält man Antworten wie „ein Lied über Liebeskummer“, „verlassener Mann betrauert seine Liebste“, Eifersucht („Hajdemo u planine“) oder „ein Lied über eine unerfüllte Liebe“.
Den 4000 Menschen in der Oberbilker Halle geht es vor allem um die Liebe zu ihrer Heimat. Nicht zu Kroatien, Bosnien, Serbien. „Wir sind heute Abend wieder Jugoslawen“, sagt der Konzertbesucher Edin Karović, sichtlich gerührt von der Tirade an Liebekummer-Hymnen. Jugoslawien lebt! Überall da, wo Bijelo dugme Säle füllt.

