Die Neuerfindung der Beatles

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Himesh Patel als Jack und Ed Sheeran als er selbst

Himesh Patel als Jack und Ed Sheeran als er selbst

Eigentlich wollte Jack Malik die Gitarre schon an den Nagel hängen. Die notorisch leeren Säle, der dünne Applaus in den Kneipen, wo die Leute einfach weiterreden, wenn er singt, der unermüdliche Zuspruch Ellies, die leider mehr beste Freundin als effektive Managerin ist! Jack hat genug, und dann kommt es auch noch zu einem weltweiten Stromausfall, in dessen Verlauf ihn ein Bus rammt. Danach fehlen ihm nicht nur Selbstbewusstsein und Zuversicht, sondern auch noch zwei Schneidezähne.

Die Helden in Danny Boyles Filmen sind selten Siegertypen, zumindest nicht zum Auftakt. In „Trainspotting“ taucht Ewan McGregor in die dreckigste Toilette Schottlands hinab, um an die dort versteckten Drogen zu gelangen. In „Slumdog Millionaire“, ausgezeichnet mit acht Oscars, kämpft sich Jamal Malik erst einmal durch die Hölle des ärmlichen Mumbai, bevor er das ganz große Los zieht. Jack Malik in „Yesterday“ ist nun nicht nur Jamals Namensvetter, sondern auch ein Verwandter im Geiste – dass sein Darsteller, der noch weitgehend unbekannte Himesh Patel, denselben Nachnamen trägt wie der „Slumdog“ Dev Patel, ist allerdings Zufall. Oder vielleicht doch ein Wink des Schicksals in einem Film, der auf umwerfend komische Weise mit den großen Fragen von Vorherbestimmung und freiem Willen spielt?

Jack jedenfalls bekommt zum Trost für die ausgeschlagenen Zähne von Ellie eine neue Gitarre geschenkt, und auf der will er ein ganz besonderes Lied spielen. Er stimmt „Yesterday“ von den Beatles an. Die Reaktion der Zuhörer ist allerdings mehr als verstörend: Sie scheinen den Song zum ersten Mal in ihrem Leben zu hören. Auch der Name der Band löst bloß Fragezeichen aus: Die Beatles? Wer?

Help!

Der globale Stromfall hatte offenbar weitere Folgen als nur Jacks Kollision mit dem Bus. Niemand – außer dem erfolglosen Sänger und, wie sich später herausstellt, zwei weiteren Zeitgenossen – kann sich mehr an die Fab Four erinnern. Wer die Namen Paul und John googelt, bekommt zwei Päpste zu sehen, beim Eintrag „Beatles“ erscheint ein VW Käfer. Die größte Band der Popgeschichte ist aus dem Gedächtnis der Menschheit gelöscht. Wie übrigens auch Oasis und einige weitere unverzichtbare Bestandteile der westlichen Kultur.

Das ist die wunderbar schräge Prämisse in „Yesterday“, aus der Danny Boyle eine nicht minder magische Geschichte destilliert. Das Drehbuch stammt von Richard Curtis, der so herzerwärmende romantische Komödien wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Notting Hill“ geschrieben hat. Und tatsächlich, auch „Yesterday“ ist eine RomCom, womit Boyle ein eher ungewohntes Feld betritt: Die rasanten Schnitte, die gewagten Perspektiven, die wir aus seinen Filmen kennen, weichen hier einem melodischen Sentiment, in dem die Kompositionen der Beatles mit einer Liebesgeschichte verschmelzen, die einfach nicht an ihr glückliches Ende kommen will.

Wenn es einen Grund gab, der reichlich trübsinnigen Fortsetzung von „Mamma Mia“ etwas abzugewinnen, dann hieß er Lily James. In „Yesterday“ spielt sie die zauberhaft lebenslustige, dabei aber hochsensible Ellie, die Jack noch aus Schulzeiten kennt und die als Managerin nun ausgedient zu haben scheint, als der ewige Loser sein Erfolgsmodell entdeckt: Er gibt die ehrwürdigen Songs der Beatles als seine eigenen aus.

Zunächst ist es nicht einfach, den Bogen von den 60er und frühen 70er Jahren in die Zeiten von YouTube, iTunes, Instagram und Facebook zu schlagen – ja, Boyle inszeniert einen regelrechten Clash der Kulturen, wenn er die Generation 2.0 mit „Let it be“ und „Eleanor Rigby“ konfrontiert.

Aber weil sein Film nicht zuletzt eine Hommage oder noch vielmehr eine glückstrunkene und dabei manchmal auch ergreifend melancholische Liebeserklärung an die Songs von John, Paul, George und Ringo ist, erobern die Beatles die Welt ein zweites Mal – diesmal in Gestalt des tapsigen Jack, der im Laufe des Films immer mehr zum Rockstar heranreift und an der Hand der superzynischen Managerin Debra (Kate McKinnon) durch die Untiefen des zeitgenössischen Musikbusiness gelotst wird. Unerwartete Schützenhilfe erhält er von niemand anderem als Ed Sheeran, der sich in „Yesterday“ selbst spielt. Eines Abends klopft er an die Tür des unscheinbaren Reihenhauses, in dem Jack mit seinen Eltern lebt, und engagiert das überraschende neue Talent fürs Vorprogramm seiner Russland-Tournee. Sheeran spielt in „Yesterday“ eine wahrhaft unerschrockene selbstironische Rolle, denn schon bald muss er erkennen, dass er nur Salieri, Jack aber Mozart ist.

„Yesterday“ ist ein unerhört leichthändiger Film, der seinen Helden am Ende doch vor eine ernste Entscheidung stellt: Folgt er dem Schicksal, dem vermeintlichen, oder hört er auf seine eigene Stimme? Vor allem aber will man die Beatles wieder hören, wenn man ihn gesehen hat. Vom Plattenspieler oder auf iTunes, ganz egal.

DER „KÖLNER STADT-ANZEIGER“ MACHT EIN KINO VOLL

„Yesterday“ von Danny Boyle kommt am 11. Juli regulär ins Kino. Bereits am Dienstag, 9. Juli, findet um 20.30 Uhr eine Preview in Köln statt, im Odeon-Kino in der Severinstraße 81.

Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“ können bei dieser Preview im Odeon dabei sein. Wir verlosen in Zusammenarbeit mit dem Universal-Verleih 111 x 2 Karten für einen kompletten Kino-Saal. Um teilzunehmen, gehen Sie auf den Internet-Link und registrieren sich kostenlos für die Verlosung. Diese ist bis Donnerstag, 4. Juli, 24 Uhr, für Sie freigeschaltet. Die Gewinner werden am Freitag, 5. Juli, per E-Mail informiert. Viel Glück! www.ksta.de/yesterday

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