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Julia Riedler und Bruno CathomasUnverblümte Beziehung im Kölner Schauspiel

Lesezeit 5 Minuten

Bruno Cathomas und Julia Riedler in einer Probenpause

Köln – „Wir sind keine Zufallsbesetzung“, untertreibt Bruno Cathomas. Wenn Stefan Bachmanns am kommenden Freitag am Schauspiel Köln seine Inszenierung von Kleists „Das Käthchen von Heilbronn“ zeigt, spielt Cathomas den Graf Wetter von Strahl und Julia Riedler folgt ihm als von der Liebe entflammtes Käthchen bedingungslos.

Äußerlich wirken der 49-jährige Schweizer und die 24-jährige Österreicherin kaum wie das Bühnen-Traumpaar, als das sie sich selbst bezeichnen. Und doch: in Köln haben sie schon einmal, in „Der nackte Wahnsinn“, Liebhaber und Geliebte und auch – im „Kaufmann von Venedig“ – Vater und Tochter gespielt. Jetzt also wieder ein Liebespaar. Als nächstes, in „Hiob“, werden es wieder Vater und Tochter sein.

Julia Riedler, 1990 in Salzburg geboren, spielte noch während ihres Studiums am Maxim Gorki Theater, am Thalia und am Deutschen Schauspielhaus, gewann dort den Boy-Gobert-Nachwuchspreis.

Bruno Cathomas, 1965 in Laax, Graubünden geboren, spielte an der Volksbühne, am Deutschen Theater, an der Schaubühne, in Basel und am Thalia. War für seine Rolle in „Viehjud Levi“ für den Deutschen Filmpreis nominiert.

„Das Käthchen von Heilbronn“ feiert am 17. Oktober im Depot 1 Premiere. Termine: 22., 25., 26. 10.; 4., 6., 13., 15., 16., 26.11.

Dementsprechend wagen sie auch auf das Kleist’sche Drama, in dem die 15-jährige Tochter des Schmieds dem viel älteren Ritter nachläuft, einen ödipalen Blick. „Käthchen sieht ihren Vater als Idealfigur des Mannes“, erläutert Cathomas, „und der gleich alte Graf Wetter von Strahl dient ihr als Projektionsfigur. Gleichzeitig lebe der Graf in Bachmanns Inszenierung noch bei seiner Mutter, und brauche Käthchen, um sich von dieser zu befreien.

Eigentlich ist das also eine unmögliche Beziehung zwischen dem Graf und Käthchen. Allerdings eine, die Julia Riedler nachvollziehen kann: „Ich stehe auch nicht auf schöne Jünglinge, sondern interessiere mich viel mehr für Männer, die nicht in ihrer postpubertären Entwicklung stehen geblieben sind.“

Sie und Cathomas können halt miteinander, auf der Bühne und auch privat, haben eine gemeinsame Geschichte. Die begann vor rund zwei Jahren. Riedler besuchte noch in Hamburg die Schauspielschule, im letzten Studienjahr.

Cathomas kam als externer Professor an die Schule, Riedler war einem anderen Schauspieler zugeteilt. „Dabei habe ich mir jahrelang am Thalia Theater jedes Stück von Bruno gesehen. Da habe ich alles dran gesetzt, um mit ihm arbeiten zu dürfen.“ Cathomas freilich kannte die Schauspielschülerin noch nicht, die sich so leidenschaftlich um ihn bemüht hatte. Als er sie bat, einen Vorschlag für einen Text zu machen, den sie gemeinsam einstudieren könnten, hatte Riedler längst eine Strichfassung von Schnitzlers „Fräulein Else“ vorbereitet. „In unserer ersten gemeinsamen Stunde spielte sie die Szene vor und es war so perfekt! Ich stand unten als Lehrer und dachte mir nur, wie schaffe ich es jetzt in 16 Stunden Unterricht nicht das zu zerstören, was ich gerade gesehen habe?“

Riedler dagegen war alles anderes als zufrieden mit sich: „Ich bin nach der Probe noch zum Schanzenflohmarkt gerannt, habe dort ein Kostüm gekauft, weil ich mir dachte, mein Gott, so kann ich mich nicht noch mal blicken lassen.“ Und dann, erzählt Cathomas, „sind wir doch durch die Hölle gegangen. Wir haben entdeckt, dass diese Frische, diese Unbedarftheit, die sie in ihrer Szene hatte, ihr so noch nicht bewusst war. Und dieses Bewusstmachen, das war ein sehr schmerzhafter Prozess.“

Doch ein lohnenswerter. Als Stefan Bachmann sein Kölner Ensemble zusammenstellte, empfahl ihm Cathomas seine Schülerin als „riesiges Talent, das so anders denkt und probt und formuliert, das gibt es nur alle zehn Jahre“.

„Dann“, spinnt Riedler den Faden weiter, „hatte ich mein Vorsprechen in Köln. Mit dem Monolog, den wir geprobt hatten. Und hatte im allerersten Satz schon einen Hänger.“ Sie stürmte von der Bühne in die Garderobe, wo ihr Text im Rucksack lag, las nach, rannte zurück auf die Bühne und machte weiter, als sei nichts geschehen, „Und die dachten, ach, der verrückte Bruno – sie wussten ja, dass er den Monolog inszeniert hat – was hat der denn da wieder eingebaut? Und dann wurde ich engagiert!“

Kurze Zeit verpflichtet sich Cathomas ebenfalls ans Kölner Ensemble. Dass er und Riedler sich auch als Kollegen noch so gut verstehen, mag auch daran liegen, dass beide auf Bauernhöfen in den Alpen aufgewachsen sind. Das merke man, schätzt Cathomas, vor allem an ihrer rustikalen Art. „Wir werden so grundsätzlich emotional. Und wir haben die gleiche Behinderung, dass wir, wenn uns etwas nahe geht, nicht wirklich eine gute Sprache dafür finden. Da werden wir immer sehr kryptisch.“ „Und die anderen denken sich: Warum sind die gerade so rot im Gesicht und stottern rum?“, sagt Riedler, dann heiße es bei den Kollegen: „Bruno spuckt und Julia heult: Es muss um etwas gehen.“

Für die Bühne sei diese Direktheit ein großer Vorteil, aber „man macht sich viel angreifbarer und muss viel mehr auf sich aufpassen“. Er habe lange gebraucht, sagt Cathomas, um zu merken, dass das Direktere, das Unverblümte viel schöner sei, als das Versteckte. Nun habe er auch im Privatleben nur Leute um sich herum, die sich nicht verstecken können oder wollen. „Wenn man es schafft, auf der Bühne nicht mehr spielen zu müssen, dann muss man es im Leben erst recht nie mehr machen!“

Nun hätten sie beide einen beinahe kindlichen Zugang zum Spielen. Kinder, sagt Riedler, spielten ja auch mit einer großen Unverblümtheit. „Die fahren mit heiligem Ernst Bagger. Die gehen nicht erst auf die Baustelle und recherchieren, wie es dem Baggerfahrer so geht. Die schöpfen das aus sich selbst.“ Wie sich ihre Freundschaft durch das Kleist’sche Liebespiel verändern wird, das könne man frühestens ein paar Monate nach der Premiere sagen, meint Cathomas. „Zum Glück haben wir uns noch nicht verkracht.“

Stattdessen habe er von Julia gelernt, dass man unglaublich viel miteinander sprechen kann und nichts verstehen muss. „Aber es ist trotzdem schön.“ „Wie in der Liebe“, wirft Riedler ein und Cathomas ergänzt: „Oder in der Kunst.“