„Durch die Menschen wird Köln schön“Interview mit Loft-Chef Urs Benedikt Müller

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Urs Benedikt Müller, Leiter des Loft. 

  • Urs Benedkt Müller ist Leiter und Geschäftsführer des Loft, eines Jazz-Clubs in Köln Ehrenfeld.
  • Neben persönlichen Eindrücken der Entwicklung in Köln erzählt er vom Loft, der Umstellung während der Pandemie und gibt seinen Jazz-Geheimtipp für Mitte August.

Köln – Herr Müller, wie lange hatte das Loft in diesem Sommer geschlossen?

Urs Benedikt Müller: Tatsächlich hatten wir coronaunabhängig, orientiert an den Schulferien, sechs Wochen geschlossen – mit drei Sonder-Konzert-Unterbrechungen.

Und was haben Sie ohne den Club in dieser Zeit gemacht? Ich war mit meiner Partnerin und unseren Kindern die ersten drei Wochen verreist. In der zweiten Hälfte verbringen wir jetzt noch Zeit mit den Kindern, denn die Offene Ganztagsschule ist noch geschlossen, und ich bereite vor allem das Programm bis zum Jahresende ohne Zeitdruck vor.

Alles zum Thema Musik

Vermissen Sie etwas, wenn Sie nicht in Köln sind und arbeiten? Nein. Wenn die Spielzeit endet, freue ich mich auf den Urlaub und bin dann auch gern mal weg. Zudem waren gerade die letzten elf Monate sehr intensiv im Loft.

Eindrücke eines Kölner Urgesteins

Sie kennen Köln, besonders die linke Seite gut. Ja, ja (zögerlich). Ich bin im Agnesviertel aufgewachsen, wohne aber seit langem in der Südstadt und kenne natürlich auch Ehrenfeld, seit mein Vater dort in einer ehemaligen Seifen- und Parfümfabrik das Loft installierte. Da war ich acht Jahre alt. Der Stadtteil war ein eher dunkles Pflaster, ganz anders als das Agnesviertel, welches mir damals wie ein kleines idyllisches Dorf in der Stadt vorkam. Auch die Südstadt war in den 80ern, 90ern anders. Alle drei Stadtteile sind jetzt Paradebeispiele für Gentrifizierung.

Zur Person

Dr. Urs Benedikt Müller, 40, in Köln geboren und aufgewachsen. Leiter und Geschäftsführer des Loft in der Wißmannstraße in Ehrenfeld, das er von seinem Vater, Hans Martin Müller, übernah., Studium der Biologie in Köln und Neuseeland, Promotion in Immunologie.

Was hat sich denn geändert? Vieles sieht freundlicher, schöner aus, und die meisten Leute sind gut gelaunt. Wenn Menschen soziale Kontakte haben, geht es ihnen direkt besser. Nur selten wurden früher Tische und Stühle vor eine Kneipe oder ein Café gerückt.

Heute findet viel mehr Leben auf der Straße statt. Und die Pandemie hat diese Entwicklung nochmal unglaublich befeuert. Ich kann von meiner Wohnung aus nicht zum Bäcker gehen, ohne unterwegs mit fünf Leuten zu quatschen, die vor ihren Häusern stehen. Aber die soziale Zusammensetzung in den Vierteln ist natürlich eine andere als vor 40 Jahren, durch Luxussanierungen sind die Mieten zum Teil unglaublich hoch.

Persönliche Empfehlungen

Haben Sie Lieblingsorte in Ihrer Heimatstadt? Ich mag die Merowingerstraße unglaublich gern, das ist meine Einkaufsstraße. Und ich liebe den Volksgarten, auch wenn der Kahnweiher langsam sehr schlecht riecht.

Wohin gehen Sie mit Ihrem Besuch? Ich durchlaufe mit ihm die Nord-Süd-Achse. Ich fange im Agnesviertel an, gehe den Eigelstein entlang, komme natürlich am Dom vorbei, und dann überlege ich, gehen wir rechts runter Richtung Neumarkt und zu den Ringen oder weiter Richtung Alter Markt. Auf jeden Fall aber landen wir irgendwann im Vringsviertel und enden idealerweise im Volksgarten.

Ins Loft kommen sehr viele Gäste – was empfehlen Sie ihnen in der Stadt? Wenn sie von Berlin Kreuzberg erzählen, sage ich, Ehrenfeld ist das kleine Kreuzberg. In den kleinen Straßen rund um die Venloerstraße kann man schon viel erleben. Ich schicke sie auch zum Edelweißpiraten-Denkmal an der Bartholomäus-Schink-Straße. Und der Dom ist eine imposante Kirche, die muss man einmal besucht haben, und dann rate ich auch zum Besuch der romanischen Kirchen. Das Gute an der Großstadt Köln ist, alles ist fußläufig erreichbar.

Köln und die Welt

Was erzählen denn die Musiker über Köln? Das ist selten ein Thema. Allerdings kommt die Verkehrsanbindung nach Ehrenfeld besonders gut an. Von hier aus ist man schnell am Hauptbahnhof und am Flughafen. Für internationale Künstler*innen ist das wichtig. Nicht so gut sind allerdings die Unterkunftsmöglichkeiten in Ehrenfeld.

Sie sind aus Köln nicht weggegangen. Warum? So richtig schön ist die Stadt ja wirklich nicht, aber durch die Menschen wird sie das. Im Studium dachte ich, zumindest einmal musst du weit weggehen, und war ein halbes Jahr in Neuseeland. Da merkte ich, draußen in der Welt ist es auch schön und es gibt viele interessante Menschen, aber eigentlich brauche ich das nicht, ich bin ja hier in Köln zu 100% sozialisiert.

Hörten Sie die Musik, die Ihr Vater im Loft vorstellte, als Jugendlicher gern?

Ja, und es war von Anfang an mit dem Live-Erlebnis verbunden. Bis heute höre ich die Musik, die hier gespielt wird, extrem selten auf Tonträgern. Bei uns finden eben Konzerte in einer sehr intimen Atmosphäre live statt.

Loft und die Pandemie

Ab wann war das Loft wegen der Pandemie geschlossen? Am Sonntag 14. März 2020 kam die Meldung: „Ab morgen ist alles zu“. Die ersten Stunden verbrachte ich damit, Konzerte abzusagen. Am 19. März war ein Live-Recording geplant, und der Bandleader fragte mich: „Können wir das nicht einfach livestreamen?“. Zufällig hatte ich ein halbes Jahr zuvor eine ziemlich gute Kamera angeschafft. Wir mussten also nur noch Bild und Ton zusammen rausschicken. Schon am Montag 16. März vormittags haben mein Vater und ich die noch fehlende Technik bestellt. Eine Woche später war alles ausverkauft. Weltweit. Das ist der Vorteil der kurzen Entscheidungswege bei uns.

Sie hatten für die Zukunft geplant. Mit meinem bisschen biologischen Vorwissen, dachte ich, dass uns die Pandemie mindestens die nächsten zwei, drei Jahre immer mal wieder beschäftigen wird.

Wie haben Sie den Beginn des Lockdowns erlebt? Wir hatten im Jahr vor der Pandemie 230 Konzerte. Das war schon sehr anstrengend. Und nun musste ich mich auf einmal mit den Livestreams beschäftigen, und das war dann mehr Arbeit denn je. Inzwischen machen wir Multikamera-Livestreams auf sehr hohem Niveau, und seit kurzem werden sie über ein neues Paywallmodell gesendet. Die Einnahmen gehen zu 100% an die auftretenden Musiker*innen.

Das Publikum

Woher kommt das Publikum? Vor allem aus Köln. Ein über viele Jahre herangezogenes, treues Stammpublikum. Man kennt sich mittlerweile schon mit Vornamen. Ein bisschen aus dem Düsseldorfer und nördlichem Ruhrgebietsraum, tatsächlich aber auch aus Belgien und den Niederlanden.

Kommen eher Männer ins Loft? Bei der frei-improvisierten Musik gibt es einen massiven Männerüberschuss. Das ist nicht negativ konnotiert, es sind eben die alten weißen Männer der Free-Jazz Generation der 60er und 70er. Wir haben an der Hochschule aber zum Beispiel mit Anette von Eichel eine wunderbare Sängerin und Professorin für Jazzgesang und Ensemble, die mit dem Nachwuchs für eine hohe Dichte hervorragender junger Sängerinnen in der Stadt sorgt. Das macht sich manchmal auch im Publikum bemerkbar. Außerdem haben wir das „jungeloft“ - Musiker*innen, die uns bei der Durchführung der Konzerte helfen und damit auch jüngeres Publikum enger an das Loft binden. Janning Trumann zum Beispiel, der jetzt die Cologne Jazzweek verantwortet, war einige Jahre ein „ jungloftler“.

Haben Sie einen Jazz-Geheimtipp für die nächste Zeit? Am 13. August startet die zweite Cologne Jazzweek, da wird in der ganzen Stadt viel Kölner Szene präsentiert, aber es treten auch nationale und internationale Stars auf. Am letzten Tag, am 20. August finden auf dem Ebertplatz ab 14 Uhr kostenlose Oper Air Konzerte statt. Hier können alle Neugierigen, auch die, die mit Jazz nicht so viel anfangen können, gerne vorbeischauen.

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