Theater am DomHöflich spricht auch, wer unhöflich denkt

Lesezeit 2 Minuten
„Die Kehrseite der Medaille“ im Kölner Theater am Dom

„Die Kehrseite der Medaille“ im Kölner Theater am Dom

Die Situation ist delikat, da sagen die Figuren im Kölner „Theater am Dom“ das eine und denken das andere. Das Publikum hört beides.

Jan Ulrich holte in Magenta seine größten Siege. Dann kam die Wahrheit ans Licht, und dieses Licht war ebenfalls: Magenta. So auch im Theater am Dom: Monika Maria Cleres, Fachkraft für Kulisse und Kostüm, hat sich ein Magenta ausgedacht, in dessen Licht die Menschen auf der Bühne sagen, was sie denken, und denken, was sie sagen. Bei normalem Licht reden sie bloß.

Eigentlich also alles wie immer. Im Publikum und auch zu Hause. Nur die Lightshow sagt uns: Das ist Kunst. Bühnenkunst, Spektakel, intellektuelles, der vergnüglichsten Art, denn erstens reicht die Klarheit des Gefärbten bis dahin, wo es wehtut, und zweitens drückt sich das Gemüt so sehr im Körperlichen aus, dass auf dem Höhepunkt des Ganzen zwei veritable Affenmännchen auf den Sesseln toben.

Die Figuren in „Die Kehrseite der Medaille“ stoßen sich an einem Neuzugang auf der Bühne

Der Plot ist schnell erzählt, eigentlich das ganze Stück von Erfolgsautor Florian Zeller: Patrick, 55, hat eine Neue, und Daniel und Isabelle, das Freundespaar, schwanken bis zum Schlussbild zwischen der verlassenen Laurence und Patricks Traumfrau Emma, dass sich die Balken biegen. Besonders Daniel, der wunderbare Timothy Peach, verweist hier immer wieder auf den Punkt, an dem es ihn getroffen hat. Sie ist nur „Frischfleisch“, sagt er sich, dabei aber sooo frisch, dass es die Schleusen sprengt. Der Titel des Stücks, „Die Kehrseite der Medaille“, auch „Hinter der Fassade“, wird als Erfahrung Mal um Mal bestätigt.

Als Regisseur reißt Pascal Breuer mutig alle Genre-Grenzen ein und wagt von Zeit zu Zeit ein schrilles Tänzchen seiner Leute als Interpunktion der Ereignisse mitten im Satz: Mozart -Tango in der Disco, Etüden über Morgentau im Abendrot und „Wille und Vorstellung“ nebst der Farbenlehre Goethes, angewandt auf Schamhaar von venezianischem Blond!

Stück im Kölner „Theater am Dom“ zeigt viel Humor

Die beiden Grazien in der Versuchsanordnung, die statuarisch schöne Alexandra Kamp, die nur drei Tage für die Proben hatte, und Mia Geese als junge, doch Casting-erfahrene Emma und Leinwand aller Projektionen, meistern mit den beiden Silberrücken drollig und standesgemäß jede Biegung, dass man das Fazit gerne glaubt: Man darf sein Leben nicht gegen sich leben.

Das freilich ist kein Präjudiz für Emma! Martin Armknecht (Patrick: „Sehe ich gut aus?“) wechselt vom Erhabenen blitzschnell hinüber, wo es zum Brüllen komisch wird. Die Leistung, nämlich ausgelassen vorzuspielen, dass man den Ausgelassenen nur spielt, ist die Ensemble-Leistung aller. Selten so gelacht!

KStA abonnieren