Tina Turner wird 80„Meine Mähne war immer eine Perücke“

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Tina Turner mit  Löwenmähne, die neben ihrer gewaltigen Stimme zu ihrem Markenzeichen wurde.

Zürich/Halle (Saale) – Mit der Bühne hat sie abgeschlossen, damals vor zehn Jahren, als ihr 70. Geburtstag langsam naher rückte. Tina Turner, eine menschgewordene Urgewalt in Stöckelschuhen und knappem Kleidchen, sagte nach sieben Tourmonaten mit 89 Shows in 46 Städten und einer Million Konzertbesuchern bei einem Auftritt in der Arena im englischen Sheffield Lebewohl.

Ein letztes Mal zeigte das Mädchen aus Nutbush im US-Bundesstaat Tennessee seine große Show, viel Haut und ihr Talent, sich selbst Lieder anderer Künstler wie John Fogertys „Proud Mary“ zu eigen zu machen.

Tina Turner: Karrierebeginn ab der Seite von Ike Turner

Turners letzter Ton war ein Triumph, gerade weil die Tochter eines Fabrikarbeiters keine Karriere hinter sich hatte, die am Reißbrett geplant worden war. Anna Mae Bullock, wie Tina Turner wirklich heißt, bewarb sich als 16-Jährige um einen Job als Background-Sängerin beim acht Jahre älteren Bandleiter Ike Turner, der das kleine Mädchen anfangs für ungeeignet hielt, seine bunte Truppe aus Soul-, Rock’n’Roll- und Rhythm-&-Blues-Musikern zu verstärken.

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Ike und Tina Turner

Anna Mae musste zwei Jahre im Halbdunkel der Hinterbühne warten, ehe sie ihre Chance bekam: Eine andere Sängerin fiel aus, Ike Turner ließ sie das Lied „A fool in love“ im Studio einsingen und der bluesgetränkte Soul-Song schaffte es tatsächlich in die Hitparade. Ike Turner zog die Konsequenzen. Er trennte sich von seiner Frau und der Mutter seiner beiden Söhne, benannte Anna Mae in „Tina“ um, heiratete die inzwischen 23-Jährige und gab seiner Band den Namen „Ike and Tina Turner Revue“.

Tina Turner: Welthits und brutale Unterdrückung

Es folgen Jahre im glitzernden Scheinwerferlicht, die für Tina Turner zugleich Jahre voller Drogen, Gewalt und brutaler Unterdrückung waren. Gemeinsam mit ihrem Mann schuf Tina Turner Welthits wie „River Deep, Mountain High“ oder „Nutbush City Limits“, indem sie die Stadt ihrer Kindheit beschreibt. „25 Tempolimit, Motorräder nicht erlaubt, du gehst einkaufen am Freitag und am Sonntag in die Kirche.“

Ein Leben eigentlich, das dem an der Seite von Ike ähnelt, mit dem Tina Turner elf von zwölf Monaten im Jahr auf Tournee sein muss. Vorn strahlende und starke Frontfrau, wird sie hinten im Hotel regelmäßig verprügelt. Der jähzornige, drogensüchtige und gegen jede Art von Widerspruch allergische Bandleader Turner macht seine Frau zum Sklaven seines Unternehmens.

Sie sieht ihre beiden Adoptivsöhne Ike Jr. und Michael - beide Ikes Kinder aus einer früheren Ehe - und die eigenen Söhne Ronnie und Craig kaum, dafür aber Bühnen, Hotels, Varietés und noch mehr Bühnen. 1976 hat Tina Turner genug. Sie trennt sich von ihrem Mann und musikalischen Mentor, versteckt sich monatelang vor seinem Zorn und überlässt ihm im Scheidungsprozess schließlich alle Rechte an den gemeinsamen Songs.

Tina Turner: Neuanfang aus dem Nichts

Ein Neuanfang mit fast nichts, außer der großartigen Stimme, der tausendfach gestählten Bühnenpräsenz und dem eisenharten Willen, es noch einmal bis ganz nach oben zu schaffen. Tina Turner braucht fünf Jahre, bis ihr der alte R&B-Kracher „What’s love got to do with it“ die erste Top-Ten-Platzierung beschert.

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Mit Ehemann Erwin Bach 2008

Danach geht es Schlag auf Schlag: Mit dem Album „Private Dancer“ verwandelt sich die 44-Jährige in eine Sexbombe in knallengem Rock und mit wild auftoupierter Mähne, die für das beginnende Zeitalter der großen Musiksender gerade recht kommt. Der Titelsong, den ihr Dire-Straits-Chef Mark Knopfler geschrieben hat, bringt Tina Turner die MTV Video Music Awards, die American Music Awards und vier Grammys.

Es folgen Hits wie „We don’t need another hero“, das mit Bryan Adams gesungene „It’s only love“ und schließlich „The best“, mit dem sie sich endgültig in „Simply the best“ verwandelt, wie sie später ein Album nennen wird.

Tina Turner entwickelt sich zur Pop-Ikone

Turner definiert ihren eigenen Stil aus Pop und Soul, so dass auch die US-Showmasterin Oprah Winfrey sie überschwänglich lobt: „Tina Turner hat nicht überlebt, sie hat triumphiert“.

An diesem Dienstag wird sie 80 Jahre alt. Tina Turner, die mit ihrem deutschen Mann seit Jahren in der Schweiz lebt, ist eine Popikone wie Michael Jackson, Madonna oder Cher, dem Alltag enthoben und vom Nimbus einer unsterblichen Legende umgeben. Selbst auf der Bühne ist sie immer noch zu erleben, wenn auch nicht mehr selbst: Unter dem Namen „Tina“ läuft in Hamburg und am New Yorker Broadway derzeit ein Tina-Turner-Musical, das die große alte Dame des Soul-Pop und Mutter aller Rockgöttinnen selbst autorisiert hat.

Turner zeigt sich manchmal noch, zum Beispiel in diesem Jahr bei der Premiere des Musicals über ihr Leben. Und die Löwenmähne? Alles fake, wie sie freimütig einräumt. „Ich trage Perücke, und zwar immer“, sagte sie der „Zeit“. „Ich ziehe Perücken an wie andere Menschen ihre Kleider.“ (mz)

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