Im „Matchboxtheater“ spielt die Gruppe „Die Laiens“ Tracy Letts Stück „Eine Familie“.
MatchboxtheaterWas in einer Familie alles schiefgehen kann

Bilder einer familie: Das Matchboxtheater bringt Tracy Letts’ „Eine Familie“ als dichte, eindringliche Produktion auf die Bühne.
Copyright: Timon Brombach
Die Bühne ist ein Wohnzimmer, kein Bühnenbild, sondern ein gelebter Raum. Regisseurin Monika Noltensmeier lässt die Figuren nah aneinander stehen. Der Abend beginnt mit Beverly, der an seinem Whisky nippt und mit abgeklärter Bitterkeit zitiert: „Das Leben ist sehr lang“ — ein Satz, der den Ton angibt für das, was folgt. Diese Nähe macht die Inszenierung spannend. Wenn Beverly sagt „Meine Frau nimmt Tabletten und ich trinke“, wirkt das wie die Überschrift einer ganzen Ehegeschichte, die sich sofort in den Raum legt und alle Figuren in Bewegung setzt. Schauspielerinnen und Schauspieler nutzen die beengte Szenerie, um Nuancen zu zeichnen: ein Blick, ein Griff, eine Atempause — und das Publikum registriert, wie die Familiengeschichte Schicht um Schicht freigelegt wird.
Komik als Skalpell im Hitdorfer „Matchboxtheater“
Letts, der Autor des Stücks, schreibt in Sätzen, die einschneiden. Seine Komik besitzt eine scharfe Kante: Sie lacht und trifft gleichzeitig. Wenn Barbara mit expliziter Härte sagt: „Das sind alles Symptome deiner männlichen Menopause“, wird Humor zum Mittel, mit dem alte Wunden wieder aufgerissen werden. Zwischen bissiger Ironie und roher Verletzung bewegt sich das Stück beständig. Die Tablettenliste, die Beverly in einem Moment vorträgt, klingt wie ein Inventar, mit dem Selbstzerstörung möglich ist. Letts zeichnet alles mit kühler Genauigkeit. An manchen Stellen schlägt die Sprache in eine gallige Poesie um: Wenn Violet „gequirlte Scheiße“ chantet, also wie eine Buddhistin wiederholt, ist das ein Ausbruch der Verzweiflung, der zugleich absurd komisch wirkt und das Publikum innerlich erzittern lässt.
Leverkusener Ensemble zeigt Höhepunkte, Brüche und ein zartes Ende
Die Dramaturgie baut auf Kontrasten. Die familiären Explosionen kulminieren in Szenen körperlicher Aufladung — eine Tablettenrazzia etwa entlädt sich in einem chaotischen Kampf der Generationen, der die Szene in einen Sturm verwandelt.

Die Theatergruppe „Die Laiens“ bringen Tracy Letts’ „Eine Familie“ als dichte, eindringliche Produktion auf die Matchboxtheater-Bühne in Hitdorf.
Copyright: Timon Brombach
Die Choreografie des Schreiens, Schubsens und der Kampf um Fläschchen, ist wie ein Lehrstück über eskalierende Nähe. Kontraste erzeugen aber auch Mitgefühl. Die Ankunft eines Sheriffs bringt eine nüchterne, fast dokumentarische Wucht: Ein Familienmitglied ist ertrunken. Die Szene, in der der Sheriff die Todesnachricht überbringt, wirkt triumphierend furchteinflößend, weil sie die Dramaturgie des Hauses von Pointe zu Pointe zwingt. Und dann, ganz anders, die leisen Stellen: Gegen Ende ergibt sich ein stiller, fast intim versöhnlicher Moment, als Johnna Violet wiegt und ihr leise etwas vorsingt. Diese Geste, schlicht und menschlich, öffnet das Stück noch ein letztes Mal — sie bringt Ruhe in eine Welt, die lange nur Verletzung kennt. Das ist kein pathetischer Schluss, sondern eine kleine menschliche Wendung, die im Gedächtnis bleibt.
