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Flauschiger BürgermeisterWie ein Pony ein englisches Dorf regiert

Lesezeit 4 Minuten
Das Shetland-Pony Patrick, inoffizieller Bürgermeister des englischen Dorfes Cockington, steht mit seinem Dorf-Orden um den Hals auf dem Dorfplatz. Dreht der Bürgermeister von Cockington seine Runde, hört man sein Hufklappern schon von weitem - denn an der Spitze des englischen Dorfs Cockington steht ein Shetland-Pony. Doch das gefällt nicht allen

Das Shetland-Pony Patrick, inoffizieller Bürgermeister des englischen Dorfes Cockington

Der inoffizielle Bürgermeister des englischen Dorfs Cockington ist ein Shetland-Pony namens Patrick. Doch das passt nicht allen Einwohnern.

Dreht der Bürgermeister seine Runde, hört man sein Hufeklappern schon von Weitem - denn an der Spitze des englischen Dorfs Cockington steht ein Shetland-Pony. Doch das gefällt nicht allen.

In roter Robe, eine goldene Kette samt Dorf-Orden um den Hals und in blitzenden Stiefelchen trottet Patrick im englischen Cockington durch den Park. Ein Spaziergänger zieht im Vorbeilaufen den Hut und grüßt. „Wie geht es dem Bürgermeister heute? Lang möge er leben!“ Dieser scheint unbeeindruckt und sagt kein Wort. Was nicht ungewöhnlich ist - denn Patrick ist ein Pferd. Seit rund einem halben Jahr darf sich das Shetland-Pony Bürgermeister des Dorfes Cockington in der englischen Grafschaft Devon nennen.

Schon im Dorf-Pub war Pony Patrick eine Berühmtheit

„Irgendjemand hat gesagt, Patrick sollte Bürgermeister sein“, erinnern sich Kirk und Hannah Petrakis, die lange im Ort einen Pferde- und Kutschenbetrieb hatten und bei denen das Pony zu Hause ist. Im Dorf-Pub „The Drum Inn“ war Pony Patrick - benannt nach seinem Geburtstag am St. Patrick's Day - damals schon eine Berühmtheit. In einem kleinen Gehege im Garten empfing er Kinder, Menschen mit Behinderungen und alle, die sich nach Gesellschaft sehnten.

Bei einer Spendenaktion wurde die Idee für sein Amt geboren. 220 Unterstützer unterschrieben eine Petition, es folgte eine feierliche Zeremonie samt Segnung, bei der sich sogar der örtliche Abgeordnete blicken ließ. Der frühere Bürgermeister von Cockington war einige Jahre zuvor gestorben, seitdem war der eher repräsentative Posten unbesetzt.

Für das Ehepaar Petrakis hat sich das Leben seitdem ziemlich verändert. „Haben wir mit all der Aufmerksamkeit gerechnet? Dass Patrick in der „Washington Post“ landet? Nein, definitiv nicht.“ Patrick kann kaum ein paar Meter laufen, ohne dass Menschen stehen bleiben und das Pony mit seiner wuscheligen Mähne bestaunen.

Tierischer Bürgermeister als Touristenattraktion

Wer in Cockington und Umgebung heimisch ist, weiß, wen er vor sich hat. „Wir arbeiten gerade an einem Projekt, an einer virtuellen Stadtführung, in der Patrick vorkommt“, sagt Nicola Shinner, die Patrick mit zwei Freundinnen auf dem Dorfplatz über den Weg läuft. Die drei belegen am South Devon College einen Tourismus-Kurs. „Aber wir wussten nicht, dass er heute hier ist.“

Auch Hannah Petrakis ist stetig dabei, ihr Pony in Szene zu setzen. Mehr als 22 000 Follower verfolgen seine politische Karriere auf Facebook, gut 800 auf Instagram. Viele Touristen, sogar aus Amerika und Australien, würden nach Patrick fragen, wenn sie bei ihm zu Scones und Tee zu Gast seien, erzählt Gordon, der im Herzen von Cockington das „Weavers Cottage“ betreibt.

„Wer würde nicht gern ein Shetland-Pony als Bürgermeister haben?“

Doch wie wohl alle Vertreter auf der politischen Bühne hat auch Patrick nicht nur Fans. Nur wenige Wochen nach Amtsantritt musste er seinen Amtssitz im „Drum Inn“ räumen. Sein Gehege hatte nicht die notwendige bauliche Genehmigung, und jemand reichte eine offizielle Beschwerde ein.

„Überall hat man engstirnige Menschen, die einfach nicht aus ihrer Haut können“, meint Kirk Petrakis. 99 Prozent der Dorfbewohner würden Patrick lieben, aber einige störten sich daran, dass er Bürgermeister sei. „Was verrückt ist, denn wer würde nicht gern ein Shetland-Pony als Bürgermeister haben? Patrick taucht bei Eröffnungen auf und beißt Bänder durch. Es ist ja nicht so, dass er im Rathaus sitzt und Entscheidungen trifft.“ Dafür ist der örtliche Stadtrat zuständig.

Ponymähne streicheln gegen Depressionen und Ängste

Auch ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt ist der Pub für Patrick noch Sperrgebiet. Die Betreiber wollen sich auf Anfrage nicht zu dem Pony äußern und verweisen auf die Entscheidung des Bezirks. Hannah Petrakis wittert hinter dem Gegenwind andere Motive. Ein Mann, der gar nicht in Cockington lebe, habe selbst Ambitionen auf Patricks Amt, vermutet die Britin.

Nach seiner Verbannung aus dem Pub ist Patrick neben regelmäßigen Besuchen in Cockington auch viel in der Umgebung unterwegs. Im wenige Kilometer entfernten Rowcroft-Hospiz können unheilbar Kranke seine Wuschelmähne streicheln und sich aufmuntern lassen. „Man sieht, wie sie sich entspannen“, erzählt Kirk Petrakis. Die „Pony-Therapie“ solle sogar gegen hohen Blutdruck, Ängste und Depressionen helfen.

Ponys in der Politik als Wundermittel für den Weltfrieden 

Während der ein oder andere Dorfbewohner über Patricks Amt eher schmunzelt oder ihn als willkommenen Touristenmagnet begrüßt, sind Kirk und Hannah Petrakis fest überzeugt, dass er auch inhaltlich wie für das Amt gemacht ist. „Die Menschen haben genug von Politik. Ein Abgeordneter kommt nur kurz vorbei, lässt sich fotografieren und zieht dann weiter. Wenn Patrick kommt, ist überall Freude. Keine politischen Spielchen.“

Politische Ambitionen soll Patrick trotzdem besitzen: „Weltfrieden“, meint Kirk Petrakis. „Wir stecken dich in einen Raum mit Putin und all den anderen Mächtigen, und du regelst das“, sagt er zu seinem tierischen Volksvertreter gewandt. Cottage-Betreiber Gordon hofft gar auf einen „Geniestreich“ des Ponys, mit dem es den Brexit rückgängig macht.

Patrick selbst bringen diese Erwartungen nicht aus der Ruhe. An seiner mobilen, hellblauen „Patrick's Bar“ mampft er nach seinem Dorfspaziergang eine Karotte und nimmt einen tiefen Schluck Guinness - in Maßen sei das gesund für Ponys, sind seine Besitzer überzeugt. (dpa)

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