„Blue Horizon“Schwere Vorwürfe gegen Schiffsbesatzung nach Tod von autistischem Mann

Lesezeit 3 Minuten
Gegen Mitarbeiter auf der Fähre „Blue Horizon“ (Archivbild) laufen nach dem Tod eines Mannes Ermittlungen.

Gegen Mitarbeiter auf der Fähre „Blue Horizon“ (Archivbild) laufen nach dem Tod eines Mannes Ermittlungen.

Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie Mitglieder der Schiffsbesatzung den Mann ins Wasser schubsen. Die Fähre fährt anschließend einfach weiter.

Der Tod eines 36 Mannes in Piräus beschäftigt die Polizei in Griechenland und erregt nationales Aufsehen. Dabei geht um einen Vorfall, der sich im Hafen von Piräus abgespielt hat und bei dem der 36-jährige Antonis Karyotis gestorben ist.

Der Vorwurf, den Videoaufnahmen, die auch in den sozialen Netzwerken geteilt wurden, nahelegen: Zwei Fährenmitarbeiter sollen am 5. September den Medienberichten zufolge autistischen Mann, der im letzten Moment noch versucht haben soll, auf das Schiff „Blue Horizon“ zu gelangen, von der Rampe des ablegenden Schiffs gestoßen – und damit sein Todesurteil besiegelt haben.

„Blue Horizon“: Tod Antonis Karyotis löst in Griechenland Empörung aus

Antonis Karyotis stürzte ins Wasser, wo er im Strudel der Schiffsrotoren vergeblich versuchte, an Land zu kommen. Der 36-Jährige konnte laut Angaben seiner Familie nicht schwimmen, er ertrank im Hafenbecken.

Miltiadis Varvitsiotis, der Minister für maritime Angelegenheiten in Griechenland, hat eigenen Angaben zufolge bereits erste Schritte angeordnet. Er habe nach Kenntnis der ersten Untersuchungsergebnisse „die sofortige disziplinarische Kontrolle von vier Beamten der zentralen Hafenbehörde von Piräus angeordnet“, schreibt er auf X, ehemals Twitter.

Ermittlungen zu Fehlverhalten von Schiffsbesatzung der „Blue Horizon“ in Griechenland

Laut einem Statement seines Ministeriums habe er zudem den Chef der Zentralen Hafenbehörde von Piräus aufgefordert, die Männer zu entlassen. 

Medienberichten zufolge befinden sich der Kapitän der „Blue Horizon“, sein Erster Offizier, ein Bootsmann und der Deckoffizier in Untersuchungshaft. Dem ersten Offizier werden vorsätzlicher Mord, Bootsmann und Deckoffizier Beihilfe vorgeworfen. Der Kapitän soll trotz Kenntnis des Unglücks keinerlei Maßnahmen ergriffen haben, umzukehren und Karyotis Hilfe zu leisten. Die Crew hatte ungeachtet des Vorfalls ihre Reise nach Kreta fortgesetzt – und war erst später auf Anordnung der Staatsanwaltschaft umgekehrt. 

Vorfall bei Ablegen der Fähre: Karyotis soll gültiges Ticket bessesen haben

Fast unglaublich ist zudem die Tatsache, dass Karyotis im Besitz eines gültigen Tickets gewesen sein soll. Er soll sogar laut Aussagen von Augenzeugen bereits vorher an Bord gewesen sein, die Fähre dann kurzzeitig verlassen haben. Laut „Focus“ wurde diese Version von den Schiffseignern, der Attika Group, in einer Pressemeldung bestätigt.

Einen Tag nach dem Tod von Kargiotis, der griechischen Medienberichten zufolge öfter mit der Fähre gefahren sein soll, versammelten sich Menschen in Piräus zu einer Protestkundgebung vor der im Hafen liegenden „Blue Horizon“. Sie forderten Aufklärung.

Psychiater des Opfers erhebt schwere Vorwürfe gegen Hafenpersonal

Aussagen des behandelnden Psychiaters von Antonis Kargiotis verleihen dem Fall eine zusätzliche Brisanz. Demnach wären die Hafenmitarbeiter in Bezug auf den Gesundheitszustand des regelmäßigen Fahrgastes sogar gebrieft gewesen. „Wir hatten die Hafenbehörden informiert, dass sie Antonis im Auge behalten sollten, damit ihm nichts passiert“, behauptet der Psychiater Manolis Kanavakis im Gespräch mit dem Radiosender „98.4“. Kargiotis‘ Vorliebe, mit der Fähre zu reisen, sei demnach bekannt gewesen.

Die Besatzungen der Fähren, mit denen er reiste, seien angewiesen worden „über ihn zu wachen, um einen Unfall zu vermeiden“, wie die griechische Tageszeitung Ta Nea schreibt, er sollte demnach behandelt werden „wie eine Person mit Behinderungen“.

Unabhängig überprüfen lassen sich die Aussagen des Psychiaters nicht, der Druck auf die Behörden, den Fall aufzuklären, ist durch die öffentlich geführte Debatte um die Schuld am Tod des 36-Jährigen allerdings nicht kleiner geworden.

Bei der Beerdigung von Antonis Kargiotis forderten Freunde des gestorbenen 36-Jährigen mit Botschaften auf Transparenten Gerechtigkeit. Die Verantwortlichen sollten „im Gefängnis verrotten“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall. (pst)

KStA abonnieren