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Peinlicher VorfallAufschlussreiches Fundstück nach Trump-Putin-Gipfel aufgetaucht

6 min
US-Präsident Donald Trump (l) und der russische Präsident Wladimir Putin bei dem Treffen am Freitag, 15. August 2025, in Anchorage, Alaska.

US-Präsident Donald Trump (l) und der russische Präsident Wladimir Putin bei dem Treffen am Freitag, 15. August 2025, in Anchorage, Alaska.

So peinlich der Vorfall ist, so aufschlussreich ist im Nachhinein die Lektüre des Funstücks.

Zwanzig Autominuten entfernt wurde gerade Geschichte geschrieben, als am Freitag in einem Hotel in Anchorage brisante Unterlagen auftauchten. Bei den acht Blättern, die im Drucker des Business Centers gefunden wurde, handelte es sich um das interne Programm der US-Regierung für den Ukraine-Gipfel von Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin: Es enthielt neben dem Zeitplan, einer Teilnehmerliste und Aussprachehilfen für den Namen des Gastes ("POO-tihn") auch das Menü für das Lunch „zu Ehren seiner Exzellenz“: Grüner Salat, Filet Mignon nebst Heilbutt und Crème brûlée.

So peinlich der Vorfall für die von dilettantischen Schludrigkeiten verfolgte Trump-Regierung ist, so aufschlussreich ist im Nachhinein die Lektüre des Fundstücks. Fast alles lief anders als geplant: Bei dem als Vier-Augen-Begegnung der beiden Regierungschefs angesetzten Gespräch saßen auch ihre Chef-Berater und Außenminister dabei, die Pressekonferenz begann viel zu früh und dauerte statt der vorgesehenen Stunde gerade mal zwölf Minuten. Das Mittagessen wurde nie serviert.

„Weltgrößter Dealmaker“ Trump macht große Bilder – und viel Durcheinander

So ist das, wenn ein Präsident, der sich für den weltgrößten Dealmaker hält und um jeden Preis als Friedensstifter in die Annalen eingehen möchte, binnen einer Woche in Alaska eine Begegnung mit dem Mann ansetzt, der seit dem Überfall auf die Ukraine vor dreieinhalb Jahren weltweit geächtet war: Dann gibt es große Bilder für das Fernsehpublikum, doch ansonsten geht allerhand durcheinander - auch politisch.

Was genau da am Freitag auf der Militärbasis Elmendorf-Richardson passiert ist, fragen sich Beobachter in Washington und vielen europäischen Hauptstädten über das ganze Wochenende. Klar ist nur, dass Donald Trump mit seiner sprunghaften und transaktionalen Art alle naiven Illusionen über eine verlässliche transatlantische Abstimmung in Sachen Ukraine hat platzen lassen.

Trump hofiert Putin beim Ukraine-Gipfel.

Trump hofiert Putin beim Ukraine-Gipfel.

Erst hofierte er den mit internationalem Haftbefehl belegten Kriegsverbrecher Putin wie einen Staatsgast. Dann verbreitete er bei einer Pressekonferenz vage Andeutungen. Und auf dem Heimflug nach Washington beerdigte er das oberste Ziel des Westens, den russischen Machthaber vor Verhandlungen zu einer Waffenruhe zu zwingen.

Donald Trump: Beobachter rätseln über Zugeständnisse an Putin

Es sei ein „großartiger und erfolgreicher Tag“ gewesen, behauptete der amerikanische Präsident gleichwohl, während die Kommentatoren der liberalen amerikanischen Fernsehstationen ernüchtert von einem „Nothingburger“ sprachen - einem Hamburger ohne Bulette. Im fernen Kiew tröstete sich Oleksandr Merezhko, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des ukrainischen Parlaments, am Abend zunächst damit, dass Tump und Putin immerhin keinen „Deal“ zu Lasten seines Landes geschlossen hätten.

Später in der Nacht, als mehr Details über die Absprachen durchsickern, äußerte er sich im Gespräch mit der „New York Times“ deutlich düsterer: „Putin und Trump beginnen uns faktisch zur Kapitulation zu zwingen.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte von Beginn an eine Einbindung der Ukraine in die Verhandlungen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte von Beginn an eine Einbindung der Ukraine in die Verhandlungen.

Tatsächlich trat Trump in Alaska nicht als Schutzpatron des überfallenen Landes auf, das von Moskau mit Bomben und Drohnen übersät wird. Im Gegenteil: Zur Begrüßung durfte Putin über einen roten Teppich auf dem Rollfeld schreiten, während der US-Präsidenten Beifall klatschte. Das Händeschütteln samt Oberarmklopfer wirkte wie bei der Begegnung zweier alter College-Kumpel. Dann bat der Gastgeber den Besucher in seine Limousine. Ohne Dolmetscher und Zeugen brausten beide mit dem „Biest“ zum zehn Minuten entfernten Tagungsort.

Wurde ein Ukraine-Deal in der Limousine geschlossen?

Trump hat in der Vergangenheit gesagt, die ersten Minuten entschieden über den Verlauf eines Gipfeltreffens. Putin kann sich auf Englisch unterhalten. Möglicherweise wurden auf dieser Fahrt schon vertrauliche Absprachen für einen Ukraine-Deal getroffen. Erfahren wird das die Öffentlichkeit vielleicht nie.

Als Trump und Putin nach knapp dreistündigen Beratungen am frühen Nachmittag vor die Kameras traten, schien es zunächst so, als sei der Gipfel gescheitert. Eine größere Runde, bei der auch über Wirtschaftsfragen geredet werden sollte, war ausgefallen. Das Mittagessen wurde gestrichen. „Pursuing Peace“ (Nach Frieden streben) stand auf der blauen Stellwand hinter dem Rednerpodest. Tatsächlich gestand Trump, man habe keinen „Deal“ erreicht.

Donald Trump wirkte nach Ukraine-Gipfel müde und emotionslos

Doch zunächst ließ er - protokollarisch höchst ungewöhnlich - Putin reden. Der umschmeichelte seinen „lieben Freund“ Donald, sprach viel über die russisch-amerikanische Freundschaft, griff weit in die Geschichte zurück und leitete aus ihr seine verquaste Erklärung der „Situation in der Ukraine“ ab. Nur über Zugeständnisse seines Landes, das den Krieg vor drei Jahren begonnen hat, oder einen möglichen Waffenstillstand verlor er kein Wort.

Dann war Trump an der Reihe, und man fragte sich, ob das wirklich jener Mann ist, der normalerweise die Welt mit seinen von Selbstbewusstsein strotzenden Auftritten und verbalen Endlos-Tiraden in Atem hält. Der Präsident wirkte müde und emotionslos. Keine Superlative, keine historischen Erfolge, kein Friedensnobelpreis. Stattdessen schmallippig: „Wir sind noch nicht ganz am Ziel. Aber wir haben Fortschritte gemacht.“ Gerade drei Minuten dauerte sein Vortrag. Fragen waren nicht erlaubt. Es dürfte der kürzeste Trump-Auftritt der Geschichte gewesen sein.

„Ich will eine Waffenruhe“, hatte der Präsident den mitreisenden Journalisten an Bord der Air Force One auf dem Hinflug noch gesagt und hinzugefügt: „Ich wäre unglücklich, wenn es heute nicht klappt.“ Für diesen Fall hatte er mit „ernsten Sanktionen“ gedroht. Nun war der Fall eingetreten. Doch von Strafen war keine Rede mehr. Putin konnte zufrieden abreisen: Er hatte eine selbstbewusste Rückkehr auf die Weltbühne hingelegt, ohne auch nur einen Millimeter von seiner Position abzuweichen. Das nächste Mal könne man sich doch in Moskau sehen, rief er dem Gastgeber zum Abschied übermütig auf Englisch zu.

Kreml-Boss darf weiter bomben

Der gelernte KGB-Offizier hatte den narzisstischen US-Präsidenten nach allen Regeln der Agentenkunst eingewickelt. Kurz nach dem Gespräch gab Trump dem rechten Fox-News-Propagandisten Sean Hannity ein Interview. Darin brüstete er sich ernsthaft damit, dass Putin seinen faktenwidrig behaupteten Wahlsieg im Jahr 2020 bestätigt habe. Außerdem habe ihm „Wladimir“ versichert, dass er die Ukraine niemals überfallen hätte, wenn Trump im Weißen Haus gesessen hätte.

Auf dem Rückflug nach Washington rief Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und mehrere europäische Regierungschefs an. Am frühen amerikanischen Samstagmorgen dann setzte er überraschend einen Online-Post ab, in dem er deklarierte, es sei besser, statt eines Waffenstillstands gleich in Friedensverhandlungen einzusteigen: „Wenn alles klappt, werden wir ein Treffen mit Präsident Putin vereinbaren“. Bis dahin darf der Kreml-Boss weiter bomben.

Donald Trump übt unterdessen Druck auf Selenskyj aus

Druck übt Trump stattdessen auf dessen Gegenspieler Selenskyj aus, den er am Montag im Weißen Haus empfangen will. „Es liegt nun wirklich an Präsident Selenskyj, die Sache zu Ende zu bringen“, sagte er im Fox-Interview. Am Samstag sickerten Details eines zwischen Trump und Putin besprochenen möglichen „Deals“ durch: Demnach fordert der Kreml-Herrscher als Voraussetzung für einen Friedensschluss, dass die Ukraine die gesamte rohstoffreiche Donbass-Region im Osten des Landes einschließlich der nicht von Russland besetzten Gebiete abtritt. Im Gegenzug würde Putin eine Einstellung der Kampfhandlungen im Rest des Landes versprechen.

Der Vorschlag käme einer Belohnung des Aggressors gleich. Er widerspricht klar der Position Selenskyjs. Doch ist unklar, wieviel Spielraum der ukrainische Präsident noch hat. Bei ihrer ersten denkwürdigen Begegnung im Oval Office im Februar hatte sich Trump über die mangelnde Unterwürfigkeit des Gastes aufgeregt und ihn aus dem Weißen Haus geworfen. Dieses Mal gibt er dem Ukrainer schon vorab einen Rat: „Willige in den Deal ein!“, drängte er Selenskyj bei Fox News: „Russland ist eine sehr starke Macht, und es hat eine gewaltige Kriegsmaschine.“ Das mag stimmen. Doch vor allem hat Donald Trump ein riesengroßes Ego. Und das möchte um jeden Preis den Friedensnobelpreis bekommen.