Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ukraine-PolitikVom roten Teppich zur roten Karte

4 min
Das Bild zeigt US-Präsident Donald Trump während der UNO-Vollversammlung in New York City am 23. September 2025. Foto: Brendan Smialowski.

US-Präsident Donald Trump hat am Rande der UNO-Vollversammlung in New York die Ukraine ermutigt, ihre an Russland verlorenen Gebiete zurückzugewinnen.

Fünf Wochen nach dem Alaska-Gipfel mit Wladimir Putin ermuntert Donald Trump plötzlich die Ukraine zur Rückeroberung der russisch besetzten Gebiete. 

Donald Trump war spürbar in Eile, als er am Dienstagnachmittag über die Gänge im UN-Sicherheitsratsgebäude zu einem Treffen mit arabischen Staats- und Regierungschefs eilte. Nur kurz lächelte er in die Kameras der wartenden Journalisten, die viele drängenden Fragen hatten. „Herr Präsident, warum haben Sie ihre Meinung zur Ukraine geändert?“, rief ihm ein Reporter zu. Der mächtigste Mann der Welt gab keine Antwort.

So herrscht unter Beobachtern und Diplomaten bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstweilen Rätselraten über die Motive und die Belastbarkeit der jüngsten 180-Grad-Wende von Trump zum Ukraine-Krieg. Noch im Februar hatte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus geworfen, dann vor fünf Wochen dem russischen Machthaber Wladimir Putin in Alaska den roten Teppich ausgerollt. Und nun, plötzlich ein Online-Post, in dem er Russland als „Papiertiger“ bezeichnet, den Kampfgeist der Ukrainer lobt und erklärt, sie könnten ihr Land „in der ursprünglichen Form und, wer weiß, vielleicht sogar mehr“ zurückgewinnen.

Selenskyi: „Besseres Verhältnis als zuvor“

„Das waren sehr deutliche Aussagen, die wir in dieser Form bisher noch nicht gehört haben“, reagierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sichtlich überrascht. Selbst Selenskyj gestand abends beim rechten TV-Sender Fox News, dass er eine solche Erklärung nicht erwartet habe. Trump und er hätten jedenfalls „ein besseres Verhältnis als zuvor“.

Für die Öffentlichkeit vollzog sich Trumps Kurswechsel innerhalb weniger Stunden. Noch am Dienstagvormittag in seiner fast einstündigen Rede vor der UN-Vollversammlung hatte der Präsident den Ukraine-Krieg eher nebenbei behandelt und nur erklärt, die Dauer des Konfliktes lasse Russland „nicht gut aussehen“. Kurz nach ein Uhr mittags hatte er dann ein einstündiges Gespräch mit Selenskyj. Zu dessen Beginn wurde er gefragt, ob er den Abschuss von russischen Flugzeugen gutheiße, wenn diese in den Luftraum von Nato-Staaten eindringen. „Ja, das tue ich“, antwortete er.

Das ließ angesichts der bislang Putin-freundlichen Haltung von Trump aufhorchen, auch wenn er ausweichend auf die zentrale Frage antwortete, ob die USA bei einer Eskalation den Nato-Partnern zuhilfe kommen würden: „Das hängt von den Umständen ab.“  Eine halbe Stunde nach dem Ende der Selenskyj-Begegnung dann setzte der Präsident den langen Post ab, in dem er Russland zum wirtschaftlichen und militärischen „Papiertiger“ erklärte und die Ukraine zum Handeln aufforderte: „Mit Zeit, Geduld und der finanziellen Unterstützung von Europa sowie, besonders, der Nato, ist die Rückkehr zu den ursprünglichen Grenzen vor Beginn des Krieges eine echte Option.“

„Lass sie ihr Land zurückbekommen“

Das kontrastiert scharf mit Trumps Aussagen nach dem Treffen mit Putin, als er Kiew zum Gebietsverzicht aufforderte. „Ich empfinde wirklich so. Lass sie (die Ukrainer, d. Red.) ihr Land zurückbekommen“, sagte er nun vor einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Dienstagnachmittag.

Trump hat nach Begegnungen mit ausländischen Regierungschefs öfter – zumindest vorübergehend – Positionen verändert. Es spricht daher einiges für die Erklärung von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, der nach ritualer Entrüstung („Papiertiger gibt es nicht. Russland ist ein echter Bär.“) erklärte, der US-Präsident habe „Selenskyjs Version“ gehört, die „augenscheinlich Grundlage seiner Äußerungen“ sei.

Doch das allein erklärt den neuen Ton nicht. Unverkennbar ist Trump frustriert darüber, dass Putin trotz aller Lippenbekenntnisse seine Angriffe auf die Ukraine und Provokationen der Nachbarländer immer weiter verstärkt. Vor dem Treffen mit Macron sagte Trump, er habe den Ukraine-Konflikt wegen seiner guten Beziehung zu Putin für leicht lösbar gehalten: „Aber unglücklicherweise hat diese Beziehung keine Bedeutung.“

Hauptmotiv Trumps dürfte die Bloßstellung durch Putin sein

Die fortgesetzte Aggression Moskaus lässt umgekehrt Trump zunehmend schwach aussehen: Das von ihm angekündigte Treffen von Putin und Selenskyj hat es nicht gegeben, die Friedensappelle verhallen ungehört. Der Ukraine-Experte Alexander Vindman, der eine zentrale Rolle im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump spielte, ist überzeugt: „Das Hauptmotiv für Trumps Erklärung ist, dass Putin ihn bloßgestellt hat.“ Tatsächlich fällt auf, dass Trump plötzlich Russland als taumelndes Land mit „großen Schwierigkeiten“ beschreibt.

Keine Rede von neuen Militärhilfen oder Sanktionen

Für die Frage der Belastbarkeit des neuen Ukraine-Kurses des Präsidenten ist der letzte Absatz seines Posts erhellend. Darin wünscht Trump beiden Kriegsparteien „alles Gute“. Das klingt so, als wolle er das undankbare Ukraine-Thema von sich schieben und möglichst wenig damit zu tun haben soll. Wie die Ukraine jenes Fünftel ihres Landes, das sie trotz militärischer Unterstützung der USA verloren hat, ohne diese zurückgewinnen soll, lässt Trump völlig offen. Von neuen Militärhilfen für Kiew spricht er ebensowenig wie von Sanktionen. Er betont ausdrücklich, Washington werde Waffen an die Nato liefern, „die damit machen kann, was sie will. Dann endet seine Erklärung mit dem merkwürdigen Abschiedsgruß: Viel Glück für alle!“