Kampfjets zur Verteidigung?Ukraine hofft auf „Leopard der Lüfte“ – Waffenexperten bremsen Hoffnung

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Ein amerikanischer Kampfjet vom Typ F-16 bei einem Routineflug nahe einer US-Militärbasis in Deutschland.

Die amerikanischen F-16-Kampfjets könnten der Ukraine im Kampf gegen das russische Militär entscheidend weiterhelfen. Eine sofortige Hilfe wären sie aber wohl nicht.

Die Ukraine hofft auf die Lieferung von Kampfjets ins Kriegsgebiet. Doch selbst eine schnelle Zusage würde nicht sofort weiterhelfen.

Nachdem die westlichen Verbündeten der Ukraine zur Abwehr des russischen Vernichtungskrieges mehr als 100 Kampfpanzer zugesagt haben, werden die Rufe nach Kampfflugzeugen immer lauter. Die ukrainische Luftwaffe verfügte zu Beginn des Großangriffs am 24. Februar 2022 über rund 125 einsatzbereite Kampfflugzeuge, darunter etwa 50 Jagdflugzeuge vom sowjetischen Typ Mig-29 und 30 vom Typ Suchoi Su-27, berichtet „Forbes“.

Hinzu kommen rund 30 Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-25 und etwa 15 Bomber vom Typ Su-24. Alle Kampfflugzeuge sind demnach sowjetische Modelle und mehr als 30 Jahre alt. Das jüngste Flugzeug (Su-27) stammt aus dem Jahr 1991.

Ukraine-Krieg: Russland bombardiert systematisch Luftwaffenstützpunkte und Flugabwehr

In den ersten Kriegstagen im Februar vergangenen Jahres hatte Russland jedoch systematisch ukrainische Luftwaffenstützpunkte und Flugabwehrstellungen bombardiert. Der ukrainischen Luftwaffe gelang es, viele Flugzeuge zu reparieren und in Sicherheit zu bringen. Mitte April erklärte das US-Verteidigungsministerium, dass die USA die ukrainische Luftwaffe bei der Reparatur von 20 Kampfflugzeugen mit Ersatzteilen unterstützen.

Während des Krieges soll Kiew laut den Waffenanalysten der Investigativgruppe Oryx weitere 18 Suchoi-25 aus verschiedenen Quellen erhalten haben. Außerdem hat die Ukraine offenbar aus dem Westen Kampfflugzeuge des Types MiG-29 in Einzelteilen erhalten und zusammengebaut. „Polen soll angeblich bereits letztes Jahr MiG-29 zerlegt und unter dem Radar in die Ukraine gebracht haben“, sagte der Militärexperte Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr München dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Auch Deutschland hat in der Vergangenheit bereits Ersatzteile für MiG-29 geliefert. Vier Su-25-Kampfflugzeuge hatte Nordmazedonien der Ukraine übergeben, die es während des Konflikts 2001 von Kiew erhalten hatte. Ein Sprecher des russischen Militärs hatte Ende August erklärt, die russische Armee hätte angeblich 278 ukrainische Kampfflugzeuge abgeschossen. Das ist weit mehr, als die Ukraine jemals gehabt hat.

Ukraine-Krieg: Ukrainische Luftwaffe ist Russland zahlenmäßig unterlegen

Derzeit verfügt die Ukraine über elf Brigaden, wie der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Yuriy Ignat, in dieser Woche mitteilte. Eine Brigade zur Ausbildung, drei für Transporte, fünf Jäger sowie eine Angriffs- und eine Bombenbrigade.

Gegen Russlands Luftwaffe, die mehr als 100 moderne Kampfflieger umfasst, ist die Ukraine zahlenmäßig unterlegen. „Die Luftwaffe der Russen konzentriert sich auf vier Dutzend Flugplätze in Russland, Belarus und den besetzten Gebieten und übertrifft die ukrainische Luftwaffe um das Fünf- bis Sechsfache an Kampfflugzeugen“, sagt Ignat. Außerdem seien die ukrainischen Kampfflugzeuge den russischen Fliegern „technologisch unterlegen“.

Nun bittet die Ukraine um Kampfflugzeuge aus dem Westen. „Wir brauchen bis zu fünf Brigaden von Mehrzweckflugzeugen westlichen Typs“, sagte Luftwaffensprecher Ignat. Die Rede ist von bis zu 200 Flugzeugen. Ignat forderte mit Verweis auf Wartung und Ersatzteile, der Westen solle sich auf ein Modell festlegen.

„Wenn die Ukraine Kampfflugzeuge bekäme, wäre das eine neue Dimension westlicher Waffenlieferungen“, sagt Sauer im Gespräch mit dem RND. Er hält die Lieferung von MiG-29-Kampfflugzeugen sowie von F-16 und dem schwedischen Gripen für sinnvoll.

Ukraine: Militär hofft auf F-16-Kampfjets aus den USA

Als aussichtsreichstes Kampfflugzeug für die Ukraine gilt die F-16, ein amerikanisches Kampfflugzeug, von dem die USA Hunderte besitzen. Es ist das am weitesten verbreitete Kampfflugzeug, auch die Türkei, Dänemark und andere Nato-Staaten verfügen über zahlreiche Maschinen.

„Die F-16 ist der Leopard der Lüfte“, sagt Sauer. Viele westliche Armeen haben die F-16 in jüngster Zeit ausgemustert oder sind dabei, ihre Bestände zu reduzieren. Da dürfte es weniger Überwindung kosten, ausgerechnet dieses Kampfflugzeug an die Ukraine abzugeben.

David Ochmanek vom US-Militär-Thinktank RAND sagte auf RND-Nachfrage am Donnerstag: „Schnelle Kampfjets wie die F-16 sind für die Ukrainer zum Abschuss von Drohnen und Marschflugkörpern wichtig, wenn die Russen die ukrainischen Bestände an Boden-Luft-Raketen erschöpfen haben, die derzeit in großer Zahl dafür eingesetzt werden.“ Er und andere Militärexperten betonen aber, dass die Luftunterstützung von Truppen am Boden durch Flugzeuge eine sehr hoch entwickelte Kampfform sei, die die meisten Luftstreitkräfte der Welt nicht beherrschen würden.

F-16-Kampfjets für die Ukraine: Langwieriger Lieferprozess?

Die Entscheidung, der Ukraine F-16 oder ähnliche Flugzeuge zur Verfügung zu stellen, würde laut dem RAND-Experten keine schnelle Ergebnisse bringen. „Es wird Monate dauern, bis die Piloten und das Wartungspersonal den Betrieb dieser Flugzeuge beherrschen.“ Aber der Westen könne die Leistungsfähigkeit der Luftwaffe deutlich verbessern.

Luftwaffensprecher Ignat hatte zuvor bei einem Pressebriefing gesagt, die ukrainischen Kampfpiloten seien in der Lage, die F-16 innerhalb weniger Wochen zu beherrschen. „Aber Fliegen und Landen sind eine Sache, auf diesen Kampfjets zu kämpfen, ist eine andere.“ Der Grundkurs dauert für amerikanische Piloten und Pilotinnen neun Monate.

Für die ukrainischen Piloten könnte der Zeitraum auf drei bis vier Monate reduziert werden, länger dürfte die Ausbildung der Wartungstechnikerinnen und ‑techniker dauern. Es gibt laut Medienberichten bereits eine Liste mit 50 Piloten, die im Fall der Fälle F-16 fliegen sollen. Ignat hält es für möglich, dass die F-16 zum neuen Haupttyp der ukrainischen Kampfflugzeuge werden könnte.

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