Netzagentur sorgt für Krisenfall vorWie NRW sich für den Winter rüstet

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Hohenzollernbrücke Rhein Kölner Dom verschneites Köln Wintereinbruch Schnee 31.01.2019 Foto: Uwe Weiser Köln von oben Stadtpanorama

Der vergangene Winter war mild, 2019 lag Köln unter einer dichten Schneedecke.

Für die Kommunen haben sich die Sparmaßnahmen im vergangenen Winter finanziell gelohnt.

Im vergangenen Herbst waren die Sorgen groß: Würden die Gasvorräte bis zum Frühjahr 2023 reichen oder Deutschland in eine Energiekatastrophe schlittern? Zum großen Frieren kam es schließlich nicht, von einer Katastrophe kann keine Rede sein. Großen Anteil daran hatte der äußerst milde Winter – es musste schlichtweg deutlich weniger geheizt werden.

Gleichsam wurden Energiespar-Kampagnen gestartet, Privathaushalte aufgerufen, nur gerade so viel zu heizen, dass es in der Wohnung nicht schimmelt, die Kommunen drehten die Thermostate runter, in den Schwimmbädern wurde das Wasser kälter, manche Turnhalle stellte das Warmwasser ab, und in den Düsseldorfer Landtagsbüros wurden die Durchlauferhitzer abmontiert.

Die Kreisverwaltung im Rhein-Erft-Kreis sparte 52.000 Euro

Die Sparmaßnahmen lohnten sich – auch finanziell, wie das Beispiel der Verwaltung des Rhein-Erft-Kreises zeigt. Sie sparte einem Sprecher zufolge 300.000 Kilowattstunden (kWh) an Fernwärme ein – so wurden 22 Prozent weniger als im Vorjahr verbraucht: „Dies führte zu Einsparungen von mehr als 52.000 Euro.“ Die Konsequenz: „Daher beabsichtigen wir, die Raumtemperatur im Kreishaus auch in diesem Winter bei 19 Grad Celsius zu halten.“ 

Doch nicht allerorts ist die Entschlossenheit bereits jetzt so groß. Wie Ute Gerhards, die Leiterin des Bürgermeisterbüros in Leichlingen im Rheinisch-Bergischen Kreis, mitteilt, seien vorerst keine Maßnahmen geplant. Auch in Leverkusen sieht es derzeit nicht danach aus, dass in öffentlichen Gebäuden die Raumtemperatur heruntergeregelt wird, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Und ob es möglicherweise noch zum Abschalten des warmen Wassers in Sportstätten und Bädern oder anderen Maßnahmen kommt, habe die Verwaltungsspitze noch nicht entschieden. „Zu der Thematik werden wir uns an Vorgaben des Bundes oder des Landes orientieren“, sagt derweil ein Sprecher der Stadt Elsdorf im Rhein-Erft-Kreis.

Bei sitzenden Tätigkeiten waren 19 Grad erlaubt, im Stehen und Gehen 18 Grad

Vorgaben des Bundes gibt es aktuell nicht. Die Verordnung des Bundes, die seit 1. September 2022 kurzfristige Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung regelte, ist im April ausgelaufen. Aus der Verordnung stammen auch die viel zitierten 19 Grad Celsius. So warm – oder kalt – durften Arbeitsräume in öffentlichen Gebäuden bei körperlich leichten und überwiegend sitzenden Tätigkeiten aufgeheizt werden. Im Stehen und Gehen waren maximal 18, bei körperlich schweren Tätigkeiten nur zwölf Grad erlaubt. Aus der strengen Verordnung lassen sich die großen Sorgen im Frühherbst 2022 herauslesen. Im Frühherbst 2023 ist ein erneutes Inkrafttreten derzeit nicht geplant.

Die Landesregierung will vor dem Winter dennoch keine Entwarnung geben. „Dank klugem und besonnenem Handeln ist die Energiekrise in Nordrhein-Westfalen nicht zu einer Versorgungskrise geworden. Vorbei ist sie aber noch nicht“, sagte Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) auf Anfrage. Der kommende Winter bleibe für Deutschland und insbesondere das energieintensive NRW herausfordernd. Man gehe aber „gut vorbereitet in den Winter und die anstehende Heizperiode. Unsere Gasspeicher sind gut gefüllt und unsere Unternehmen besser vorbereitet“, sagte Neubaur.

Tipps für Unternehmen vom Land NRW

Dennoch müsse mit den Ressourcen schon aus Klimaschutzgründen weiterhin sparsam umgegangen werden. Das Wirtschaftsministerium hat im Internet und dem Schlagwort „Da geht noch was – NRW spart Energie“ Tipps für Unternehmen bereitgestellt. Zusätzlich richtet sich die Kampagne „mission E“ an Mitarbeitende verschiedener Behörden und Unternehmen, in ihrem Arbeitsalltag durch ein klimagerechtes Verhalten ebenfalls Energie einzusparen.

Der Düsseldorfer Landtag hat inzwischen beschlossen, auch in diesem Herbst und Winter die Raumtemperatur bei höchstens 19 Grad zu deckeln. „Auf Vorschlag des Präsidenten des Landtags werden die wesentlichen Energieeinsparmaßnahmen aus dem letzten Jahr grundsätzlich beibehalten“, sagte ein Landtagssprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Im Krisenfall verteilt die Bundesnetzagentur knappe Gasmengen

Die Bundesnetzagentur bereitet sich wie im Vorjahr auf den Fall vor, dass sich die Versorgungslage bei Gas verschlechtert. Sie übernimmt bundesweit im Krisenfall die Verteilung der knappen Gasmengen. Grundlage dafür ist der Notfallplan Gas, der aus drei Warnstufen besteht.

In der Frühwarnstufe tritt ein Krisenteam im Bundeswirtschaftsministerium zusammen, das aus Behörden und den Energieversorgern besteht. Gasversorger und Betreiber von Gasleitungen werden verpflichtet, die Lage für die Bundesregierung regelmäßig einzuschätzen. In der Alarmstufe müssen die Akteure am Markt sich bemühen, in eigener Verantwortung für eine Entspannung der Lage zu sorgen. Dazu kann auch der Rückgriff auf Gasspeicher gehören.

Bei einer dauerhaften Verschlechterung der Versorgungslage kann die Bundesregierung per Verordnung die Notfallstufe ausrufen und auf der Basis der Energiesicherungsgesetzes in den Markt eingreifen, indem sie Verordnungen zum Einsatz, zur Verteilung, zum Transport und zur Einsparung von Energie erlässt. Sollten die Gasmärkte nicht mehr funktionieren, kann die Bundesnetzagentur zum „Bundeslastverteiler“ eingesetzt werden und die Verantwortung für die Gasverteilung übernehmen.

Bestimmte Verbrauchergruppen sind dabei gesetzlich besonders geschützt. Dazu gehören Haushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Gaskraftwerke, wenn sie zugleich der Wärmeversorgung von Haushalten dienen.

Die Stimmung ist besser, die Sorgen kleiner

Und so ist die Notwendigkeit weitergehender Energiesparmaßnahmen zwar nicht ausgeschlossen, aber derzeit unwahrscheinlich. Die Stimmung scheint besser, die Sorgen kleiner zu sein als vor einem Jahr. Niedriger ist womöglich auch die Toleranz der Bevölkerung, Einschnitte erneut hinzunehmen: „Die Wassertemperaturen in den Becken des Familienbades werden nicht weiter abgesenkt, da dies von den Kunden und Nutzern, vor allem auch im Hinblick auf die durchzuführenden Schwimmkurse, nicht akzeptiert werden würde“, schreibt eine Sprecherin der Stadt Hürth. Dass das Duschwasser in den Turnhallen in der vergangenen Heizperiode kalt geblieben sei, sagt Georg Ludwig, Bürgermeister der oberbergischen Gemeinde Lindlar, sei schon damals „auf wenig Begeisterung bei den Nutzerinnen und Nutzern“ gestoßen.

Einen Aufruf zum Energiesparen an die Bevölkerung hat derweil keine der angefragten Kommunen bislang geplant. Der erste Beigeordnete der Stadt Gummersbach Jürgen Hefner ist in dieser Frage pragmatisch: „Energiesparen sollte jeder kapiert haben. Das ist nicht nur im Winter wichtig.“

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