Grundsteuer-Chaos drohtJede zweite Erklärung in NRW muss überprüft werden

Lesezeit 3 Minuten
Grundsteuer DPA 131022

Die Frist zur Abgabe der Grundsteuer-Erklärung ist am 31. Januar abgelaufen. DPA

Die Frist zur Abgabe der Grundsteuer ist lange abgelaufen – jetzt setzt sich das Chaos in den Finanzämtern fort.

Fast drei Monate nach der Abgabefrist am 31. Januar 2023 fehlen den Finanzämtern in NRW immer noch zahlreiche Grundsteuererklärungen. Das geht aus der Antwort von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Danach lag der Erklärungseingang zum Stichtag 17. April bei 83 Prozent. „Die Überforderung der Steuerpflichtigen ist unverändert immens“, sagte Ralf Witzel, Vize-Fraktionschef der Liberalen, unserer Zeitung.

Bemerkenswert: Nur rund etwa die Hälfte der Erklärungen (53 Prozent) wirkt richtig und vollständig und kann automatisiert verarbeitet werden. Bei der anderen Hälfte gibt es Zweifel an der Korrektheit der Angaben. Hier müssen die Finanzämter aufwendige Recherchen und Nachprüfungen anstellen, weil die Daten „nicht plausibel“ seien, heißt es. „Land und Kommunen müssen Bürger besser unterstützen und behandeln, wenn sie ihnen schon diese völlig unnötige Bürokratie zumuten“, fordert Witzel.

Finanzminister sieht keine Probleme 

Bis Ende Januar sind nach Angaben der Landesregierung bereits mehr als 187.000 Einsprüche bei Finanzämtern in NRW eingegangen. Experten schätzen, dass unterdessen mehrere hunderttausend Steuerpflichtige nach Zugang der Bescheide Rechtsmittel eingelegt haben. Musterverfahren, die alle Beteiligten entlasten würden, hat die Landesregierung bislang nicht erlaubt. NRW-Finanzminister Optendrenk hält die Kritik am Verfahren für überzogen. Im Finanzausschuss erklärte er, er erkenne keine Überforderungen der Bürger: „Es ist nicht die Lebenswirklichkeit in NRW und nicht die Lebenswirklichkeit in Deutschland.“ Die „allermeisten Menschen“ hätten „überhaupt kein Problem“, die Abgabe der Erklärung zu erledigen.

Dass sich viele Steuerzahler massiv überfordert sehen, ist allerdings an der Anzahl der Hilferufe bei der Finanzverwaltung abzulesen. Im ersten Quartal 2023 wurde die Schwelle von drei Millionen Anrufern erreicht. Die Kosten für den Betrieb der Hotlines sind enorm. Bislang sind 2000 Beschäftigte der Finanzverwaltung für Beratung tätig geworden. Insgesamt wurden mehr als 300 Beschäftigte zusätzlich unbefristet eingestellt, 375 Kräfte wurden als Aushilfen befristet beschäftigt.

Die Abgabemoral der Steuerpflichtigen ist in den verschiedenen Regionen von NRW äußerst unterschiedlich ausgeprägt. Den geringsten Rücklauf verzeichnete Ende Februar das Finanzamt Schleiden im Kreis Euskirchen mit 69,2 Prozent. Die höchste Abgabequote verzeichnete die Stadt Neuss mit 82 Prozent. Die Kölner Finanzämter schneiden unterdurchschnittlich ab: In Köln-Porz lag die Quote bei 76,4 Prozent, in Köln-Ost bei 69,9 Prozent. In ganz Nordrhein-Westfalen betrug sie zum Zeitpunkt der vergleichenden Erhebung rund 76 Prozent.

NRW: Kommunen sind auf Grundsteuer angewiesen

Die Einnahmen aus der Grundsteuer sind für die meisten Städte in NRW eine der wichtigsten Geldquellen. Verzögerungen bei der Berechnung können nun zu einer Belastung werden. Der Städte- und Gemeindebund NRW will bereits nicht ausschließen, dass es wegen der hohen Verfahrenskosten bei der Grundsteuer zu Abgabenerhöhungen kommt. „Es wäre schlichtweg unseriös, für 2025 oder darüber hinaus Versprechungen zu machen, man werde keine Steuern erhöhen“, sagte Eckhard Ruthemeyer, Präsident des kommunalen Spitzenverbands.

Die Kämmerer sind gesetzlich dazu verpflichtet, ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Abgabenerhöhungen seien aber „ein gravierender Wortbruch“, kritisierte Witzel. Es sei nicht akzeptabel, „wenn etliche Kommunen im Windschatten des Grundsteuerchaos jetzt auch noch ungeniert die Steuersätze erhöhen“ würden.

Die FDP rät den Steuerpflichtigen, Bescheide sachkundig prüfen zu lassen und im Zweifel mit Einsprüchen oder Klagen dagegen vorzugehen. Die Rechtsmittel müssen allerdings schnellstmöglich erfolgen, weil dafür nur eine vierwöchige Frist eingeräumt wird. Danach werden die Bescheide bestandskräftig. Wichtig zu wissen: Im ersten Einspruch muss noch keine Begründung enthalten sein – Erläuterungen können später nachgereicht werden. Sowohl der Bund der Steuerzahler als auch der Verein „Haus und Grund“ stellen auf ihren Internetseiten Mustereinsprüche zur Verfügung.

KStA abonnieren