Pilz greift Brut anIn den Wäldern in NRW wächst die Hoffnung auf das Ende der Borkenkäfer-Plage

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In ganz Deutschland haben Borkenkäfer Fichten befallen und ein massenhaftes Baumsterben ausgelöst. Ein Pilz bedroht nun die Insekten.

In ganz Deutschland haben Borkenkäfer Fichten befallen und ein massenhaftes Baumsterben ausgelöst. Ein Pilz bedroht nun die Insekten.

Der Borkenkäfer hat weite Teile des Fichtenwaldes in NRW zerstört. Jetzt setzen Forstleute auf die Niederschläge. Ein Pilz spielt eine große Rolle.

Der Aufenthalt im Freien ist im rheinischen Herbst und Winter 2023 nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Seit Monaten regnet es gefühlt jeden Tag, und das in großen Mengen. Für wetterfühlige Rheinländer keine schöne Phase. Für den Wald ist es eine gute Nachricht.

In der Tat sind die Regenmengen nicht nur gefühlt gigantisch. Laut Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) hat es allein im November 140 Millimeter Niederschlag gegeben. Das ist doppelt so viel wie im Vorjahresmonat. Insgesamt hat es in den zurückliegenden zwölf Monaten ein Drittel mehr geregnet als zuvor.

Was daran gut sein soll? Dem deutschen Wald, insbesondere dem verbreiteten Fichtenwald, hat in den vergangenen fünf Jahren der Borkenkäfer derart zugesetzt, wie es selbst die ärgsten Pessimisten nicht erwartet hätten. Leider hat der Borkenkäfer nicht so viele natürliche Feinde, dass sein massenhaftes Ausbreiten in den vergangenen Jahren hätte eingedämmt werden können.

Pilz könnte Borkenkäfer im milden nassen Winter töten

Doch nun gibt es Hoffnung. Denn ein noch viel winzigeres Wesen als der Borkenkäfer selbst scheint einem Teil der Milliarden von Borkenkäfern den Garaus machen zu können. Und das ganz ohne Chemie. „Beauveria bassiana ist ein winziger Pilz“, erklärt Norbert Geisthoff, Waldschutzbeauftragter bei der Landesbehörde Wald & Holz.

Dieser Pilz tritt als Parasit des Borkenkäfers auf. „Er ist in der Lage, alle Stadien des Borkenkäfers zu verpilzen“, sagt Geisthoff. Konkret bohrt sich der Pilz in die schädlichen Insekten und bringt sie um. Der Pilz ist in der Lage, in der für Borkenkäfer empfindlichen kalten Jahreszeit 40 bis 70 Prozent der Brut zu vernichten. 

Neu ist dieser Pilz freilich nicht. Doch bislang waren die vergangenen Sommer so trocken, dass die Borkenkäfer sich viel stärker vermehrten, als Pilze wachsen können. Auch kalte Winter sind dem Borkenkäfer wegen eines natürlichen, eingebauten Frostschutzmittels egal.

Hoffnung auf Rettung der restlichen Wälder

Doch intensive Feuchtigkeit, gepaart mit eher milden Temperaturen, ist ideal für den Pilz, und damit der Feind des Borkenkäfers. Und genau diese Wetterlage haben wir seit Wochen, vielleicht Monaten in NRW.

Jetzt hoffen die nordrhein-westfälischen Forstleute, dass der von Wasser und mildem Winter beförderte Pilz möglichst viel der Brut des Borkenkäfers vernichtet. Selbst wenn „Beauveria bassiana“ nur die Hälfte des Käferbestandes befällt, wäre ein exponentielles Wachstum des Schädlings im wärmeren Sommer extrem gebremst.

„Besonderes den Käfern und ihren Larven im Waldboden setzt  ,Beauveria bassiana' so extrem zu“, sagt Fachmann Geisthoff. Stiegen die Temperaturen trotz Winter sogar über zehn Grad Celsius – wie in den vergangenen Tagen – beschleunige sich dieser Prozess.

110.000 Hektar Wald in NRW vernichtet
Norbert Geisthoff, Wald & Forst

Das wäre extrem hilfreich, denn bei milden Frühjahren und Sommern gelingt es dem Borkenkäfer, wie in den vergangenen Jahren, zwei oder drei Bruten pro Jahr durchzubringen, mit katastrophalen Folgen für den Wald. So geschehen mindestens in den vergangenen drei Sommern.

Rückblick: Trockenheit lässt nicht nur den Borkenkäfer gedeihen, die Pilze niederhalten. Er führt auch dazu, dass aus Wassermangel die betroffenen Bäume sich nicht mit Harz gegen Borkenkäfer wehren können. Entsprechend hat NRW ein Baumsterben ohne Beispiel in den vergangenen Sommern erlebt. „Vor knapp zehn Jahren gab es in NRW noch 250.000 Hektar Fichtenwald. Jetzt sind es noch 140.000 Hektar“, sagt Förster Geisthoff. Eine Vernichtung von Wald in der Fläche von  110.000 Hektar also – umgerechnet ziemlich genauso groß wie das Gebiet der Millionenmetropole Hongkong.

Hoffnung auf das Ende des Dürre-Waldsterbens

Über die Sache mit dem Pilz hinaus gibt das Wetter des Jahres 2023 Hoffnung, dass das Dürre-Waldsterben und die Käfer-Plage der vergangenen Jahre in NRW bald ein Ende haben. „15,5 Millionen Festmeter Schadholz durch Borkenkäfer mussten wir allein 2019 verbuchen“, sagt Experte Geisthoff. Die folgenden Jahre waren ähnlich verheerend. Im laufenden Jahr sei die Zahl auf zwei Millionen Festmeter gesunken.

Ein Borkenkäfer läuft auf einer befallenen Fichte.

Ein Borkenkäfer läuft auf einer befallenen Fichte auf einer Schadfläche.

Das sei durchaus mit durchschnittlichen Jahren vor 2019 vergleichbar, meint Geisthoff. Der Förster ist zuversichtlich, dass die verbliebenen Fichtenbestände in NRW so gerettet werden können. „Wenn wir nicht einen wieder extrem trockenen Frühling und Sommer bekommen, oder Windwurf durch Stürme, wird die restliche Fichte in NRW stehen bleiben“, ist Geisthoff optimistisch.

Gleichzeitig müsse der Waldumbau, ohne Kahlschläge in gesunden Fichtenwäldern, vorangetrieben werden. „Wir müssen die überlebenden Fichten stehen lassen, auslichten, und Buchen und Eichen unterpflanzen im Schutz des bestehenden Waldes, für eine neue Waldgeneration“, sagt der Experte. Im Schutz der noch stehenden Fichten können so etwa Buchen zu einem neuen, klimaresilienten Wald heranwachsen.

Nur so komme man mittelfristig zu einem klima-stabilen Wald für die Region. Die ist übrigens regional ganz unterschiedlich vom Waldsterben – Förster nennen das Kalamität – der vergangenen fünf Dürrejahre betroffen. 

Viele gesunde Fichtenwälder in der Eifel

In der Eifel gebe es trotz Dürre und Borkenkäfer in mittleren und hohen Lagen noch viele gesunde Fichtenwälder. Im Sauerland ab Höhen von 400 bis 600 Metern auch. Verlierer ist bislang das Rheinland. In den prinzipiell wärmeren, trockeneren Lagen hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel.

Wer von Köln auf der Autobahn A4 gen Olpe fährt, sieht rechts und links der Straße die Kahlschläge oder toten Waldflächen. Dennoch hätten im Rheinland 30 bis 40 Prozent der Fichtenwälder überlebt. Im Oberbergischen je nach Lage sogar mehr. 

Auch wenn das Regenwetter nervt: NRW-Förster hoffen auf einen weiterhin feuchten Wetterverlauf. Das könnte das Ende der „Kalamität“ im Wald bedeuten, verbunden mit dem deutlich feuchteren Verlauf des vergangenen Sommers, hofft Geisthoff.

Eine Doppelsorge bleibt: Wird der Sommer 2023 – oder die Sommer in den kommenden Jahren – ähnlich trocken wie in den Jahren 2020 oder 2021, dann kann das Spiel von vorne losgehen. Ein Grund mehr, den Regen des Dezember 2023 gelassen zu sehen.

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