Russland greift die Ukraine erneut massiv aus der Luft an. Eine Familie stirbt, ein Industriepark brennt – und Polen reagiert sofort.
Tote und ZerstörungRussland bombardiert Ukraine – Polen lässt Kampfjets aufsteigen

Rettungskräfte suchen in den Trümmern eines zerstörten Hauses nach einem russischen Raketeneinschlag am Stadtrand von (Lwiw) Lemberg nach Opfern.
Copyright: Mykola Tys/AP/dpa
Mit einem der massivsten Luftangriffe seit Wochen hat Russland in der Nacht zu Sonntag erneut weite Teile der Ukraine attackiert. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von mehr als 50 Raketen und Marschflugkörpern sowie rund 500 Drohnen, die auf zivile und infrastrukturelle Ziele abgefeuert wurden. Mindestens fünf Menschen kamen ums Leben, zehn weitere wurden verletzt.
Am schwersten traf es die westukrainische Region Lwiw (Lemberg), nahe der polnischen Grenze. Dort starb eine vierköpfige Familie – laut Außenminister Andrij Sybiha auch ein Kind. Er schrieb bei X: „Wer von Russland Energie kauft, finanziert die Verbrechen gegen die Ukraine mit.“
Großbrand und Stromausfälle in Lemberg
Einer der Angriffe traf den Industriepark „Sparrow“ in Lemberg. Bürgermeister Andrij Sadowyj veröffentlichte ein Bild eines brennenden Gebäudes und betonte: „Auf dem Gelände gibt es kein einziges militärisches Ziel.“ Ein weiterer Mensch kam bereits am Samstag bei einem Angriff auf einen Bahnhof in der Region Sumy ums Leben, mindestens 30 weitere wurden verletzt, darunter Passagiere und Bahnpersonal.
Drohnenangriffe verursachten mehrere Explosionen, führten zu Stromausfällen und legten vorübergehend den öffentlichen Nahverkehr lahm. Das Energieministerium meldete größere Schäden an der Stromversorgung – nicht nur in Lemberg, sondern auch in den Regionen Saporischschja, Odessa, Charkiw, Sumy und Cherson.
Bahnchef Oleksandr Pertsowskyj warf Russland vor, gezielt Bahninfrastruktur anzugreifen, um „Frontstädte vor dem Winter zu isolieren“. Selenskyj veröffentlichte ein Video eines brennenden Waggons und sprach von einem „grausamen“ Angriff auf Zivilisten.
Kiew warnt vor „Luftterror“ – und fordert mehr Schutz
Die Angriffe zielten erneut auf die Energieinfrastruktur – ein wiederkehrendes Muster russischer Taktik mit Blick auf die anstehende Heizsaison. Ziel sei es, so der Vorwurf der Ukraine, die Bevölkerung in Kälte und Dunkelheit zu stürzen – ein „Krieg gegen die Lebensgrundlagen“ des Landes. „Wir brauchen mehr Schutz und eine schnellere Umsetzung aller Verteidigungsvereinbarungen, insbesondere im Bereich der Flugabwehr“, forderte Präsident Selenskyj. Nur so lasse sich „diesem Luftterror der Sinn nehmen“.

Anwohnerin Nataliya (72) reinigt ihre Wohnung in einem Wohnhaus, das durch einen russischen Angriff in Saporischschja zerstört wurde.
Copyright: Kateryna Klochko/AP/dpa
Gleichzeitig zeigte sich der ukrainische Präsident offen für neue diplomatische Schritte – unter einer Bedingung: „Ein Waffenstillstand am Himmel ist möglich“, erklärte er kryptisch und deutete damit eine denkbare Grundlage für Gespräche an.
Polen reagiert – aber bleibt ruhig
In Polen sorgten die nächtlichen Explosionen auf ukrainischer Seite für Alarm. Kampfflugzeuge stiegen auf, bodengestützte Luftabwehrsysteme wurden aktiviert. Doch das polnische Militär gab rasch Entwarnung: „Es wurde keine Verletzung des polnischen Luftraums beobachtet.“

Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz via AP zur Verfügung gestellten Foto sind Feuer und Rauch zu sehen, nachdem ein Wohnhaus bei einem russischen Luftangriff beschädigt wurde.
Copyright: Uncredited/Ukrainian Emergency Service/AP/dpa
Auch niederländische F-35-Kampfjets halfen dabei, den polnischen Luftraum zu sichern. Derartige Einsätze sind inzwischen Routine bei Angriffen in der Westukraine, die Sorge um ein Übergreifen des Krieges bleibt.
Moskau rechtfertigt Angriffe – und verweist auf eigene Verluste
Russland bestätigte den großflächigen Angriff. Das Verteidigungsministerium erklärte, die Luftschläge hätten sich gegen militärische Ziele und die Energieinfrastruktur gerichtet, darunter auch ein HIMARS-Raketenwerfersystem in der Region Charkiw. Ob diese Angaben zutreffen, lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Angriffe gelten auch als Reaktion auf ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien. Diese haben zu einem massiven Kraftstoffmangel in Russland geführt. Das Exportverbot für Diesel und Benzin wurde nun bis Jahresende verlängert.
Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit über dreieinhalb Jahren – mit immer neuen Wellen von Zerstörung. Während der Westen Waffen liefert und Sanktionen verhängt, wird der Ruf nach mehr Schutz vor den Luftangriffen lauter. (sbo/dpa/afp)