Trotz VorbehaltenGrüne stimmen Scholz nach Atomentscheidung zu – Union übt Kritik

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Haßelmann

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann 

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am Montagabend für eine Laufzeit, der noch verbliebenen drei Atomkraftwerke in Deutschland über den 31.12.2022 hinaus ausgesprochen. „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zum 15.04.2023 zu ermöglichen“, heißt es in einem Schreiben. Eine Entscheidung, die in der Politik nicht nur auf Zuspruch trifft.

Grüne beugen sich dem Machtwort von Olaf Scholz

Trotz großer inhaltlicher Vorbehalte will sich die Spitze der Grünen-Bundestagsfraktion dem Machtwort des Bundeskanzlers beugen. „Wir werden in der Fraktion dafür werben, dem Vorschlag zu folgen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag vor einer Sitzung ihrer Fraktion. Die Grünen-Abgeordneten sollten „diesem Vorschlag des Bundeskanzlers folgen, auch wenn wir wissen, dass in der Sache das Akw Emsland fachlich nicht notwendig ist“.

In ihrer Fraktion werde es „kritische Stimmen“ zu dieser Haltung geben, sagte Haßelmann voraus. Sie betonte zugleich, mit der Entscheidung des Bundeskanzlers sei „jetzt sichergestellt, dass der Atomausstieg längstens bis zum 15.4. komplett zu Ende ist“. Der Atomausstieg sei „unumkehrbar“. Die Entscheidung des Kanzlers bedeute: „Es werden keine neuen Brennelemente angeschafft.“

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Haßelmann sagte, es habe vor der Entscheidung des Kanzlers „keine Verhandlungen“ mit den Grünen gegeben. „Olaf Scholz hat als Bundeskanzler im Rahmen der Richtlinienkompetenz diese Entscheidung getroffen“, sagte sie. Zum Rückgriff des Kanzlers auf diese Kompetenz sagte sie: „Davon macht man sicherlich nicht oft Gebrauch.“

Nach Haßelmanns Worten muss die Entscheidung des Kanzlers nicht unbedingt bedeuten, dass alle drei Akw bis zum 15. April laufen werden. Nach ihren Erkenntnissen reichen die Brennstäbe im Akw Emsland wohl noch etwa bis Februar, sagte die Fraktionschefin. Sie gehe aber davon aus, dass mit der Entscheidung von Scholz kein Betrieb über den 15. April hinaus möglich sei und keine neuen Brennstäbe beschafft würden. 

Friedrich Merz bezeichnet Entscheidung als „unzureichend“

CDU-Chef Friedrich Merz hatte die Entscheidung bereits am Montag als unzureichend kritisiert. Es greife zu kurz, dass die Atomkraftwerke bis maximal Mitte April 2023 weiterlaufen können, sagte Merz der „Welt“. „Die deutschen Atomkraftwerke müssen - wie es die FDP gefordert hat - bis 2024 mit neuen Brennstäben weiterlaufen.“

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Markus Söder (CSU, r), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, reicht Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, beim Bundesparteitag der CDU die Hand.

In einer Pressemitteilung der CSU sagt Fraktionschef Thomas Kreuzer: „Das war nur ein Machtwörtchen statt wirklichem Machtwort von Bundeskanzler Scholz. Seine Entscheidung kommt viel zu spät und ist nicht weitgehend genug. Der Betrieb der drei noch laufenden Atomkraftwerke müsste mindestens so lange fortgesetzt werden - notfalls auch mit neuen Brennstäben - bis die Atomkraftwerke nicht mehr zur Stromerzeugung gebraucht werden.“

Markus Söder kritisiert Kanzler Scholz nach Atomentscheidung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisierte die Entscheidung von Scholz ebenfalls als unzureichend und enttäuschend. „Ist das alles? Was für eine Enttäuschung“, schrieb Söder am Montagabend auf Twitter. Das Problem sei nur vertagt. „Das ist zwar eine Lösung im Ampelstreit, aber nicht für das Stromproblem in Deutschland“, argumentierte Söder und warnte: „Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibt bestehen.“

Dabei übte Söder erneut Fundamentalkritik an der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP: „Die Ampel nimmt weiter steigende Strompreise billigend in Kauf. Diese Koalition ist ein Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Grünen haben ihre Ideologie durchgesetzt und die FDP hat wieder einmal zu viel versprochen.“

FDP-Chef Christian Lindner begrüßt Entscheidung des Kanzlers

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte die Entscheidung dagegen. „Es ist im vitalen Interesse unseres Landes und seiner Wirtschaft, dass wir in diesem Winter alle Kapazitäten der Energieerzeugung erhalten. Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen“, teilte Lindner am Montag in Berlin mit.

Die weitere Nutzung des Kernkraftwerks Emsland sei dabei „ein wichtiger Beitrag für Netzstabilität, Stromkosten und Klimaschutz“. Lindner: „Der Vorschlag findet daher die volle Unterstützung der Freien Demokraten. Die gesetzlichen Grundlagen können wir sofort gemeinsam schaffen. Auch für den Winter 2023/2024 werden wir gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeiten. Darauf können sich die Menschen nach der heutigen Entscheidung verlassen.“ (red mit dpa, afp)

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