In Israel wächst der Protest gegen die Berichterstattung zum Gaza-Krieg. Medienwissenschaftlerin Ayala Panievsky warnt vor Druck auf Journalisten.
„Zeigt uns, was in Gaza passiert“Israelis kritisieren Einseitigkeit ihrer Medien

Auf Protesten gegen die israelische Regierung halten Demonstranten Bilder von hungernden Kindern in Gaza hoch. Laut Medienwissenschaftlerin Ayala Panievsky bildet die israelische Berichterstattung die Kriegs-Realität nicht ab. (Archivbild)
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In Israel nimmt die Kritik an der Berichterstattung über den Gaza-Krieg weiter zu. Mittlerweile gebe es zahlreiche Proteste gegen die einseitige Darstellung vieler Sender, sagte die aus Israel stammende Medienwissenschaftlerin Ayala Panievsky im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Menschen protestieren gegen die Angriffe auf Journalisten in Gaza vor dem Press House in Tel Aviv. (Archivbild)
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„Ich habe noch nie erlebt, dass Menschen vor Fernsehstudios demonstrieren und fordern: Zeigt uns, was in Gaza passiert“, so Paniesvsky, die an den Universitäten Cambridge und London lehrt: „Israelis halten Plakate hoch mit Bildern palästinensischer Kinder, die getötet wurden; sie verlangen, dass endlich die Realität gezeigt wird.“ Wie ihre Forschungen zeigten, gebe es eine „noch nie dagewesene Diskrepanz zwischen dem, was israelische Zuschauer im Fernsehen sehen - und dem, was der Rest der Welt wahrnimmt“. Dieser Unterschied sei auch in früheren Kriegen nicht so groß gewesen, sagte Panievsky.
Negativ-Entwicklung hat schon vor Hamas-Angriff begonnen
Die Medienfreiheit habe unter der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aber schon vor dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 immer weiter abgenommen, so die Forscherin. Wie in Ungarn seien kritische Journalisten von der Regierung diskreditiert und zu „Feinden des Volkes“ abgestempelt worden.
„Überall sieht man Angriffe auf kritische Berichterstattung: juristische Verfahren, wirtschaftlicher Druck, öffentliche Hetzkampagnen - das alles begann lange vor dem Krieg in Gaza“, so Panievsky. Die Medien seien daher „bereits geschwächt, eingeschüchtert und delegitimiert in diesen Krieg gegangen“. Netanjahu habe zudem seit Jahren kaum einem israelischen Medium ein Interview gegeben.
Späte Kritik auch von internationalen Medien
Es sei positiv, dass die generell massiven Einschränkungen der Arbeitsmöglichkeiten in Israel jetzt auch stärker in der Berichterstattung thematisiert würden. Die internationalen Medien hätten nach Panievskys Meinung nach aber schon früher und lauter kritisieren müssen, dass keine internationalen Journalisten nach Gaza dürfen. „Und sie sollten nicht warten, bis einheimische Journalisten in Gaza verhungern, bevor sie eingreifen“, kritisierte die Forscherin.
Panievsky ist als Enkelin von Holocaust-Überlebenden in Israel aufgewachsen und lehrt und forscht heute in Cambridge und London. Sie beschäftigt sich seit langem mit Populismus und der Erosion demokratischer Systeme. Ihr jüngstes Buch „The New Censorship“ erscheint im September. (kna)