„Mama, nicht gehen!“Was tun, wenn das Kind beim Abschied weint

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"Geh schon, meine Kleine, Du schaffst das!" Manchmal ist der Abschied in der Kita am Morgen nicht so einfach.

"Geh schon, meine Kleine, Du schaffst das!" Manchmal ist der Abschied in der Kita am Morgen nicht so einfach.

Als Theo* in den Kindergarten kam, gab es beim Abschied immer wieder Tränen. „Bitte geh nicht weg“, schluchzte der Dreijährige und klammerte sich an seine Mutter. Anja Singer* ist Lehrerin und hatte gerade wieder angefangen zu arbeiten. Sie fühlte sich in der Zwickmühle: Wäre es besser, Theo zu Hause zu lassen? Wurde sie ihrem Sohn nicht gerecht?

„Übergänge sind immer etwas, das Kindern mehr oder weniger stark zu schaffen macht“, sagt der Diplom-Psychologe Bodo Reuser. Er leitet die Psychologische Beratungsstelle für Erziehungsfragen der Evangelischen Kirche in Mannheim und kennt Situationen wie die von Theo aus seiner Arbeit. Die Eltern sollten sich Zeit nehmen, ihr Kind in der Kita einzugewöhnen und zu Beginn dort bleiben, empfiehlt Reuser. Das ist auch dann wichtig, wenn das Kind zuvor schon eine Krippe besucht hat. „Diese Phase dauert in der Regel mehrere Tage bis Wochen.“

Eltern sollten signalisieren: Wir schaffen das

Auch für Theo begann die Kindergartenzeit gemeinsam mit seiner Mama. „Solange ich dabei war, ging alles gut“, erinnert sich Anja Singer. Doch als Theo nach zwei Wochen allein in der Gruppe bleiben sollte, fingen die Probleme an. „Mama, ich will da morgen nicht hin“, sagte er schon abends vor dem Schlafen. Morgens im Kindergarten gab es Tränen, Theo wirkte verzweifelt. „Das hat mir schon zu schaffen gemacht“, erzählt die Mutter.

Reuser rät in solchen Situationen erst einmal zu Gelassenheit. Der tränenreiche Abschied sei oft nur eine Momentaufnahme. „Das Kind hat in dem Augenblick vielleicht ein Gefühl von Unsicherheit oder sich auch darin verbissen: „Ich will jetzt nicht hier sein“. Statt das Kind wieder mit nach Hause zu nehmen, sollten die Eltern signalisieren: Wir schaffen das. Gemeinsam mit dem Nachwuchs können sie schauen, was gegen den Kummer hilft. Ein Kuscheltier, das in der ersten Zeit mit in den Kindergarten kommt? Vielleicht gibt es auch eine Erzieherin oder ein anderes Kind, zu dem der Neuling bereits Vertrauen hat? Auch das kann helfen, den Abschiedsschmerz zu überwinden.

Wenn Papa oder Mama morgens „Tschüss“ sagt, sind klare Absprachen wichtig. Eltern sollten sich deutlich verabschieden, statt sich leise davonzustehlen. „Ich kann zum Beispiel noch einmal auf der Uhr zeigen, wann ich wiederkomme“, sagt Reuser. An die angekündigte Zeit sollten Eltern sich unbedingt halten und besser etwas früher als etwas später wieder da sein.

Auch Kinder, die schon länger in die Kita gehen, mögen sich morgens manchmal nicht trennen. Meistens stecken keine gravierenderen Probleme dahinter, meint Reuser. Oft seien das „ganz normale Alltagsgeschichten“, zum Beispiel ein Streit mit den Freunden am Vortag. Dann hilft es, einfühlsam nachzufragen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. „Wenn Kinder merken: Papa und Mama nehmen mich ernst, dann sind sie meistens schnell wieder zu beruhigen.“ Eine hysterische Reaktion der Erwachsenen kann das Problem dagegen noch verstärken.

Warum es so wichtig ist, dass sich Eltern und Erzieher absprechen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Ob sich hinter der morgendlichen Unlust ein größeres Problem verbirgt, merken Eltern oft am Verhalten ihres Kindes. „Die meisten Eltern haben ein sehr gutes Bauchgefühl, ob etwas nicht stimmt oder das Kind schlicht keine Lust hat in den Kindergarten zu gehen“, sagt Sabine Lente von der Fachberatung für evangelische Tageseinrichtungen für Kinder in Bonn. „Fiel der Abschied schwer, sollte das Kind spätestens eine halbe Stunde später wieder getröstet sein.“

Hand in Hand mit den Erziehern

Wirkt das Kind dagegen über längere Zeit bedrückt, zieht sich zurück, ist unbeteiligt oder aggressiv, sollten Eltern und Erzieher aufmerksam sein. Haben die Eltern den Eindruck, dass gravierende Probleme im Kindergarten dahinterstecken, beispielsweise übergriffiges Verhalten von anderen Kindern, dann gilt: unbedingt mit der Erzieherin über die eigenen Befürchtungen sprechen. Gemeinsam könne man dann nach Lösungswegen suchen, sagt Reuser. „Wenn ich im Gespräch das Gefühl habe, dass die Erzieherin die Situation deutlich anders wahrnimmt als ich, gibt es auch die Möglichkeit, in einer Beratungsstelle eine Einschätzung und Lösungsansätze zu erfragen.“

Die Ursachen für das Unwohlsein erkennen

Manchmal sind es auch Veränderungen zu Hause, die das Kind belasten und ihm die Trennung schwer machen. Krach zwischen den Eltern, ein Umzug oder die Geburt eines Geschwisterkindes - all das kann verunsichern. Auch in diesem Fall empfiehlt Reuser: „Die Eltern sollten gemeinsam mit dem Kind überlegen: Was würde dir helfen? Was könnten wir machen?“

Theo und seine Mutter fanden Unterstützung bei der Erzieherin. Morgens nahm sie den Jungen an die Hand und rief später bei der besorgten Mutter an, um Entwarnung zu geben: „Theo spielt ganz zufrieden.“ Inzwischen geht Theo gern in den Kindergarten, und Anja Singer ist froh, durchgehalten zu haben. Die Tränen beim Abschied sind längst Vergangenheit. (dpa)

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