Babys und KleinkinderForscher finden mögliche Ursache für rätselhafte Hepatitis-Fälle

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Schon mehr als 1000 Babys und Kinder sind von mysteriöser Leberentzündung betroffen.

Berlin – Weltweit erkranken vor allem Babys und junge Kinder an einer neuen, schweren Form von Hepatitis. Nun haben Forschende mehr über die Ursache herausgefunden. Die Leberentzündungen könnten laut zwei neuen Studien auf eine gleichzeitige Infektion mit zwei Viren zurückgehen. Auch die Corona-Lockdowns spielen eine Rolle.

Hepatitis bei Kindern: Schon 22 Kinder an neuer Form gestorben

Die Meldungen machen vielen Eltern Angst: Seit dem vergangenen Herbst häufen sich schwere und teilweise tödliche Leberentzündungen (Hepatitis) bei Kindern. Zunächst waren die Erkrankungen in Großbritannien beobachtet worden. Inzwischen wurden laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über 1000 Fälle aus 35 verschiedenen Ländern gemeldet. 22 Kinder sind demnach an der Infektion gestorben und mindestens 46 erkrankten so schwer, dass sie nur durch eine Lebertransplantation gerettet werden konnten. Lange rätselte man über den Auslöser, nun gibt es gute Hinweise.

Weder Corona-Infektion noch Impfung spielen eine Rolle 

Dass die Lebererkrankungen durch das Coronavirus auslöst werden, galt schon früh als unwahrscheinlich. So wurde laut einer Untersuchung der UK Health Security Agency, einer Behörde des britischen Gesundheitsministeriums, nur bei 17 Prozent der in Großbritannien erkrankten Kinder eine Coronavirus-Infektion nachgewiesen, keine Auffälligkeit im Vergleich zu nicht Erkrankten. Auch die Corona-Impfung hatten die britischen Behörden schnell als Ursache ausgeschlossen: Die meisten Kinder waren unter fünf Jahre alt und entsprechend den Empfehlungen in Großbritannien nicht geimpft.

Stattdessen standen Adenoviren bereits im Verdacht, die Leberentzündungen auszulösen. In einer Untersuchung der britischen Behörden war aufgefallen, dass bei 65 Prozent der erkrankten Kinder das Adenovirus Subtyp F41 nachweisbar war. Dieses Virus gilt nicht als klassischer Verursacher von Hepatitis bei Kindern, sondern löst normalerweise eher Atemwegsinfektionen oder Magen-Darm-Beschwerden aus.

Lockdowns schwächen Immunsystem von Babys

Nur bei Kindern mit geschwächtem Immunsystem waren schon in der Vergangenheit meist mild verlaufende Leberentzündungen beobachtet worden. Es galt daher als möglich, dass Kinder nun deshalb schwerer erkranken, weil ihr Immunsystem durch Lockdowns und Maskenpflicht geschwächt wurde. Dies scheint sich nun durch zwei neue Studien zu bestätigen. Dabei haben Forschende aber noch eine weitere Erklärungen für das Auftreten der neuen Erkrankung.

So wurde in einer Studie von Forschenden aus London, die als Preprint vorliegt, bei 16 von 17 untersuchten Kindern das adenoassoziierte Dependoparvovirus 2 (AVV2) nachgewiesen. Bei AVV2 handelt es sich um einen Erreger, der alleine normalerweise nicht krank macht. Er kann sich auch nicht selbstständig vermehren, sondern nur in Zusammenspiel mit anderen Viren – wie etwa dem Adenovirus. Die Kinder waren daher wahrscheinlich sowohl mit AVV2 also auch mit Adenoviren oder Herpesviren infiziert, wie die Forschenden auch aus weiteren Ergebnissen ihrer Studie schlussfolgerten. Eine wichtige Rolle schien dabei das unter Verdacht stehende Adenovirus Subtyp F41 zu spielen.

Mit zwei Adenovirus und AVV2 gleichzeitig infiziert

Die Theorie der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen: Weil Kinder durch die Corona-Maßnahmen voneinander isoliert wurden, habe es weniger der sonst üblichen Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte gegeben. In der nun infizierten Altersgruppe habe die natürlich erworbene Immunität gegen AVV2 und das Adenovirus F41 dadurch stark abgenommen. Nach dem Entfallen der Maßnahmen hätten sich dann viele Kinder mit beiden Virentypen gleichzeitig infiziert und seien dadurch schwer erkrankt. Die Forschenden schreiben, es gebe starke Hinweise darauf, dass diese Theorie stimmt. Abschließend beweisen ließe sich das anhand der vorliegenden Daten aber noch nicht.

Zwei Studien mit gleichem Ergebnis

Allerdings kam eine weitere Studie, die ebenfalls erst als Preprint vorliegt, zu einem fast identischen Ergebnis. In einer Untersuchung schottischer Forschender war das Blut von neun Kindern untersucht worden, die an der neuen Form der Hepatitis erkrankt waren. Bei vier von ihnen wurden Proben aus der Leber untersucht. In allen untersuchten Proben wurde auch hier AVV2 nachgewiesen, in einer Kontrollgruppe mit gesunden Kindern und Kindern mit anderen Formen von Hepatitis war das Virus hingegen nicht nachweisbar.

Auch die Autoren und Autorinnen dieser Studie vermuten, dass die Kinder gleichzeitig mit AVV2 und dem Adenovirus (und in einigen Fällen mit Herpesviren) infiziert waren und dies die Krankheit ausgelöst hatte. Und auch die Forschenden aus Schottland vermuten einen Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen wie Abstandsregeln und Reisebeschränkungen. Durch die Maßnahmen sei die übliche Zirkulation von respiratorischen Viren unterbrochen worden. Dadurch sei eine Gruppe von „immunnaiven“ Kindern entstanden, die empfänglicher für Infektionen wurde, als die Maßnahmen entfielen. Das könne zu deutlich erhöhten Infektionsraten mit Adenoviren und AVV2 geführt haben.

Lockdowns verstärken Schwere von Infektionskrankheiten

Schon bei anderen Infektionskrankheiten hatte sich gezeigt, dass diese nun schwerer ausfallen können, weil das Immunsystem der Kinder durch die Lockdowns geschwächt wurde. Auch andere Erreger wie Noroviren hatten sich nach dem Wegfall der Maßnahmen stärker unter Kindern ausgebreitet, wie die Autoren und Autorinnen der Londoner Studie schreiben. In Deutschland und weiteren Ländern hatten zudem schwer verlaufende Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) deutlich zugenommen. Experten und Expertinnen sahen auch in diesem Fall das geschwächte Abwehrsystem der Kinder als Ursache. (dpa)

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