Interview mit Kölner ArztDauernd müde im Winter – macht Vitamin D mich wieder fitter?

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Ein Mann sitzt in einem dunklen Büro am Computer und hält sich die Hände vors Gesicht.

Antriebslos, schlapp und müde: Im Winter haben viele Menschen mit großer Müdigkeit zu kämpfen.

Der Kölner Arzt Dr. Johannes Nolte erklärt, was der Vitamin-D-Haushalt mit Müdigkeit zu tun hat und warum etwas mehr Gemütlichkeit im Winter nicht schadet.

Herr Dr. Nolte, seitdem es so schnell dunkel wird, tun sich viele Menschen schwer damit, aus dem Bett zu kommen. Als Grund für die grassierende Müdigkeit wird oft Vitamin-D-Mangel genannt. Stimmen Sie dem zu?

Dr. Nolte: Ich glaube, dass Vitamin D relativ unschuldig ist in Sachen Müdigkeit. In meinen acht Jahren als Hausarzt habe ich die Blutwerte vieler Patienten bestimmt, auch von solchen, die nicht wegen Müdigkeit bei mir waren. Bei schätzungsweise 90 Prozent der Untersuchungen, bei denen auch der Vitamin-D-Gehalt getestet wurde, konnte ein Vitamin-D-Mangel diagnostiziert werden – egal zu welcher Jahreszeit. Darunter waren auch Patienten, die im Grunde kein Vitamin D mehr im Blut hatten, denen es aber gut ging. Der Vitamin-D-Mangel war also ein reiner Zufallsfund.

Warum ist Vitamin-D-Mangel so weit verbreitet?

Das liegt an unserer Lebensweise. Vitamin D wird durch Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet, es kann nur in geringem Umfang durch die Nahrung, etwa durch Fisch, aufgenommen werden. Heutzutage verbringen wir die meiste Zeit in geschlossenen Räumen, erst recht im Winter. Und deswegen können wir nicht genug Vitamin D aufnehmen – außer vielleicht, Sie arbeiten als Straßenarbeiter oder Fischer.

Welche anderen Gründe könnten für die Winter-Müdigkeit verantwortlich sein?

Für Müdigkeit kann es viele Ursachen geben. Und tatsächlich kommen gerade in den Übergangsmonaten, also im Frühjahr und im Herbst, vor allem jüngere Menschen vermehrt in meine Praxis, die unter starker Müdigkeit leiden. Dafür kann zum Beispiel auch Eisenmangel, Blutarmut oder eine Schilddrüsenunterfunktion verantwortlich sein. Natürlich können aber auch psychische Faktoren dazu beitragen, dass ich mich müde und antriebslos fühle.

Doch wenn ich die vergangenen acht Jahre Revue passieren lasse, muss ich sagen: In den meisten Fällen gibt es nicht die eine Ursache oder den einen Hebel, mit dem sich Müdigkeit bekämpfen lässt. Es scheint ein weit verbreitetes Phänomen zu sein, das sich schwer greifen lässt.

Porträtfoto des Kölner Hausarztes Dr. Johannes Nolte.

Dr. Johannes Nolte ist Facharzt für Innere Medizin. Seit 2014 arbeitet er als Hausarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Köln-Porz.

Auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Tiktok bewerben Influencer Vitamin-D-Präparate gegen Müdigkeit. Bringen solche Nahrungsergänzungsmittel denn überhaupt etwas, wenn die Müdigkeit oft gar nicht mit dem Vitamin-D-Haushalt zusammenhängt?

Weil wir uns ja fast darauf verlassen können, dass wir einen Vitamin-D-Mangel haben, halte ich es für unbedenklich, eine geringe Menge Vitamin D über Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen. Also 1000 bis 2000 Einheiten (IE) pro Tag. Zumal Kassenpatienten die Bestimmung des Vitamin-D-Gehalts in der Regel selbst zahlen müssen. Wenn man nicht übertreibt, kann das zumindest nicht schaden. Ob das wirklich viel bringt, ist allerdings fraglich.

Kann denn zu viel Vitamin D auch schaden?

Allerdings. Man sollte Vitamin D keinesfalls überdosieren, das kann sehr gefährlich werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vitaminen ist Vitamin D nicht wasserlöslich, sondern fettlöslich. Das heißt: Das Vitamin D, dass Sie zu sich nehmen, bleibt erstmal im Körper und kann nicht einfach über den Urin wieder ausgeschieden werden. Neben Übelkeit, Kopfschmerzen und Nierensteinen kann eine Überdosierung im schlimmsten Fall lebensbedrohliche Folgen haben. Deswegen sollten Sie niemals ohne ärztliche Begleitung mehr als 2000 IE am Tag einnehmen.

Es gibt aber auch Menschen, bei denen ein dauerhafter Vitamin-D-Mangel zu ernsthaften Erkrankungen führen kann und die sich deswegen besonders um ihren Vitamin-D-Haushalt kümmern sollten.

Wer ist besonders gefährdet?

Vor allem Frauen nach den Wechseljahren profitieren von einem ausgeglichenen Vitamin-D-Spiegel, da bei ihnen häufig Osteoporose vorkommt. Volle Vitamin-D-Speicher können dagegen vorbeugen. Meiner Erfahrung nach gilt das besonders für Frauen mit dunkler Hautfarbe, da hier ein Vitamin-D-Mangel besonders oft vorkommt.

Was raten Sie Menschen abseits von Vitamin D, wenn Sie sich im Winter schlapp und müde fühlen?

Eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, die viel Obst und Gemüse enthält, ist immer zu empfehlen. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, dass es überhaupt nichts Ungewöhnliches ist, sich im Winter für eine gewisse Zeit müde und schlapp zu fühlen. Es ist nicht schlimm, es sich für ein paar Wochen gemütlicher zu machen und ein bisschen mehr Zeit auf dem Sofa zu verbringen. Gerade die Wintermonate können dazu dienen, ein bisschen Ruhe und Kraft zu tanken. Dagegen ist medizinisch erstmal nichts einzuwenden. Zumindest so lange Sie nicht darunter leiden, oder die Phase der verstärkten Müdigkeit länger als vier bis sechs Wochen anhält. Dann sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen.

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