Schönheitschirurg im Interview„Die meisten nehmen Kredite auf, um das zu finanzieren“

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Artur Worseg warnt vor falschen Erwartungen.

Artur Worseg warnt vor falschen Erwartungen.

  • Während bei Frauen die Brustvergrößerung zu den Top fünf gehört, lassen Männer sich eine zu große Brust entfernen und Haare transplantieren.
  • Laut statistischen Angaben nehmen rund 50 Prozent der Patienten einen Kredit auf, um sich „verschönern“ zu lassen.
  • Viele Menschen wollen sich aus den falschen Gründen operieren lassen. „Ich habe den Ruf: Der Worseg operiert nicht alle'“, sagt der Schönheitschirurg in unserem Interview.

Köln – Schönheitsoperationen, Fett absaugen, Falten unterspritzen und mit Botox behandeln stehen hoch im Kurs. Die Zahl der Botox- und Hyaluron-Behandlungen steigt sogar sprunghaft an.

Laut Ärzteblatt gibt die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen mit Sitz in Berlin an, dass die „Top fünf bei Frauen Oberlidstraffung, Fettabsaugung, Brustvergrößerung, Nasenkorrektur und Bauchstraffung“ seien.

Bei den Männern, die „konstant 12,5 Prozent der Patienten ausmachen, rangieren die Entfernung einer vergrößerten Brust, Fettabsaugen, Oberlidstraffen, Haartransplantationen und Nasenkorrektur auf der Beliebtheitsskala ganz oben“.

Nicht vorrangig die Reichen gehören zur Kundschaft, sondern rund 50 Prozent der Patienten, so statistische Angaben, nehmen einen Kredit auf, um sich „verschönern“ zu lassen.

Zur Person Dr. Artur Worseg

Dr. Artur Worseg, Jahrgang 1959, geboren in Kärnten, studierte in Wien und machte seinen Facharzt für Plastische Chirurgie. Seit 2013 leitet er seine eigene Klinik für Schönheitschirurgie. Er blickt auf fast drei Jahrzehnte Erfahrung als Schönheitschirurg zurück.

Herr Dr. Worseg, warum haben Sie das Buch geschrieben „Deine Nase kann nichts dafür“?

Weil ich die Erfahrung mache, dass sich immer mehr Menschen bei Schönheitschirurgen operieren lassen, gut operiert werden und trotzdem mit sich und ihrem Leben unzufrieden sind.

Das hat Ihrer Meinung nach welche Gründe?

Weil sie mit falschen Erwartungen kommen.

Die da wären?

Sie hegen falsche Hoffnungen und denken, wenn sie sich einen schöneren Busen machen lassen, werden sie einen neuen Partner finden. Es ist oft nicht die angebliche körperliche Unzulänglichkeit, sondern es sind psychische Probleme.

Immer häufiger wird in Gesprächen klar, dass es partnerschaftliche, sexuelle Probleme oder auch berufliche Schwierigkeiten sind, die man mit dem Gang zum Schönheitschirurgen beheben oder glätten will.

Nicht geschützte Berufsbezeichnung: Schönheitschirurg

Schönheitschirurg ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Mediziner anderer Fachrichtungen können sich diesen „Titel“ zulegen. Eine in der Regel sechs Jahre dauernde Ausbildung haben lediglich Fachärzte der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie.

Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie rät potenziellen Patienten, darauf zu achten.

Welche beruflichen Probleme denn?

Frauen und Männer möchten schön und jung sein und erscheinen, weil sie sich davon ein erfolgreiches berufliches Leben versprechen.

Kritisieren Sie mit dem Buch auch Ihre eigene Tätigkeit als Schönheitschirurg und die Ihrer Kollegen?

Nein, aber mich stört das kritiklose Akzeptieren der Patientenwünsche. Ich plädiere für einen ehrenhaften Umgang mit Patienten, um zu erkennen, wo die Probleme sind, ob sie eher körperlicher oder psychischer Natur sind.

Wie gehen Sie mit Ihren Patienten um?

Ich habe schon viele weggeschickt. Ich habe den Ruf „der Worseg operiert nicht alle“ in Bezug auf Menschen, deren Probleme psychisch überlagert sind. Bei mir schrillen die Alarmglocken, wenn ich an der Körpersprache erkennen kann, dass es der Patientin nicht gut geht und sie mit dem Wunsch zu mir kommt, dass sie glücklich werden will.

Dann sagen Sie was?

Dass ich sie operieren, aber dass ich sie nicht glücklich machen kann.

Warum sind Sie in die Schönheitschirurgie gegangen?

Ja, ich habe meine akademische Laufbahn gemacht und war erst in einer Praxis mit rekonstruktive Chirurgie. Damit kann man nicht viel Geld verdienen.

Sie haben eine eigene Klinik für Schönheitschirurgie. Die war mal in finanzieller Schieflage.

Ja, aber alles ist bereinigt, es läuft gut.

Sie sprechen in Ihrem Buch vom Chirurgen als Täter.

Ja, denn wenn eine Frau mit aufgespritzten Lippen unmöglich aussieht, dann ist nicht sie die Täterin, sondern man muss fragen, wer das gemacht hat.

Das heißt, der Arzt versteht sein Handwerk nicht?

Doch, aber er erfüllt bedenkenlos die Wünsche der Patientin. Irgendwo hört der Spaß doch auf.

Kann man den Schaden, also die zu dicken Lippen, reparieren?

Das ist sehr schwer. Teilweise waren die Frauen bei mehr als einem Arzt, verschiedene Mittel und Techniken wurden angewandt. Das zu korrigieren ist ziemlich kompliziert.

Was wollen die Patientinnen hauptsächlich korrigieren lassen?

Den Busen vergrößern, Fett absaugen, den Bauch straffen und Botox-Behandlungen.

Kommen immer jüngere Frauen?

Gefühlt ja, vor allen Dingen sind sie immer unkritischer und lassen sich operieren ohne viel zu überlegen.

Was ist der Grund für diesen Trend?

Weil sich die Mädchen und Frauen fast ständig mit anderen vergleichen. Der Blick ist nur noch auf das Äußere reduziert, das Innenleben verkümmert zusehends. Man will cool sein und unbedingt gut aussehen. Gefördert wird das durch die sozialen Medien.

Operierte Schönheit kostet viel Geld. Kommen nur die Reichen?

Die Schönen und Reichen sind eher die Ausnahme. Die meisten nehmen sich mehrere Kredite auf, um das zu finanzieren.

Was kostet der Spaß?

Rund 5000 Euro für zwei neue Brüste oder aber eine Straffung des Bauchs.

Das hält wie lange?

Wenn man den Busen vergrößern lässt, muss man die Implantate alle zehn bis 15 Jahre erneuern, die Lippen spätestens nach zwei Jahren. Nur Bauchstraffung und Brustverkleinerung sind meist dauerhaft.

Haben Sie Ihre Partnerin auch operiert?

Nein, nur ein Mal mit Botox behandelt. Das wollte sie. Aber Gott sei dank nichts anderes.

Haben Sie sich operieren lassen?

Nein, noch nie. Es gab eine Zeit, da hat mich mal das eine oder andere gestört. Das hat sich gelegt. Wenn ich aber Kollegen auf den Kongressen sehe, dann ist es schon erschreckend, was sie haben machen lassen.

Was denn?

Die Lider werden korrigiert, Fett abgesaugt und der Trend geht eindeutig zu Facelift bei Männern, denn der berufliche Druck ist groß. Mit 50 hat man Angst, nicht mehr dazuzugehören, wenn man nicht dynamisch und jung wirkt.

Gefallen Ihnen Frauen, die ihr Aussehen korrigiert haben?

Eher nicht. Ich mag natürliche, selbstbewusste und selbstsichere Menschen, die gepflegt sind. Das hat sicherlich mit meiner humanistischen Bildung zu tun.

Sie sehen Alter und Älterwerden nicht als Schönheitsmakel?

Absolut nicht. Wir machen uns eher lächerlich, wenn wir auf jung machen. Man sollte zu seinem Alter stehen. Das täte uns allen gut, und die jungen Menschen hätten auch mehr Respekt vor uns.

Wird sich der Trend „immer schöner immer jünger“ irgendwann erledigt haben?

Das Pendel wird zurückschlagen, spätestens dann, wenn es wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft. Momentan ist das ein Tanz auf dem Vulkan, denn wir wissen nicht, wie es weiter geht, und da investieren wir lieber in uns.

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