In Sachen LiebeWas kann ich tun, wenn der eigene Sohn den Kontakt abbricht?

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Einsames Paar Getty

Wenn erwachsene Kinder den Kontakt abbrechen, ist das für die Eltern schmerzhaft (Symbolbild).

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
  • Der Sohn, die Tochter bricht den Kontakt zu den eigenen Eltern komplett ab – Elisabeth Raffauf erklärt, wie man mit der Situation umgehen sollte.

Köln – Wir haben zwei erwachsene Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Vor drei Jahren hat es einen heftigen Streit mit unserem Sohn über seine Freundin gegeben. Wir finden, dass sie ihn zu sehr für sich vereinnahmt. Daraufhin hat unser Sohn den Kontakt zu uns abgebrochen. Mails beantwortet er nicht, Briefe kommen zurück. Seine Telefonnummer hat er offenbar gewechselt. Wir sind verzweifelt. Margret, 62

Ihre Verzweiflung kann ich gut verstehen. Wenn Eltern eines ihrer Kinder „verlieren“, ist das furchtbar und die Gedanken daran quälen sie jeden Tag. Sie grübeln darüber, ihre Gedanken kreisen immer wieder um das Kind und um ihre Verletzung. Sie sind traurig und manchmal auch sehr wütend. Soziologen schätzen, dass etwa 100.000 Kinder in Deutschland den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen haben. Wahrscheinlich sind es noch mehr.

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Elisabeth Raffauf ist Psychologin in Köln.

Weil die Situation so schwer aushaltbar ist, suchen Sie vielleicht nach Schuldigen. Ihr Sohn hat Schuld oder seine Partnerin. „Wenn sie nicht wäre, wäre alles gut.“ So denken viele Eltern, auch um sich selbst zu entlasten. Sicher machen Sie sich auch selbst Vorwürfe und überlegen, was Sie falsch gemacht haben könnten. Möglicherweise fällt es Ihnen sehr schwer mit anderen darüber zu reden, weil Sie sich schämen, dafür, dass es ihnen offenbar nicht gelungen ist, eine gute Beziehung zu Ihrem Sohn aufzubauen und zu halten.

Eine Frage, die Sie in dieser Situation sicher nicht loslässt: Was ist passiert?

Sie verstehen den radikalen Bruch nicht. Viele Eltern haben das Gefühl, dass die Kinder „von einem Tag auf den anderen“ den Kontakt abgebrochen haben. Das sieht aus der Sicht der Kinder meist anders aus: In der Regel hat ein solcher Bruch eine Geschichte: Manche Kinder haben sich von ihren Eltern lange Zeit oder schon immer gegängelt gefühlt. Sie haben das Gefühl, dass die Eltern oder ein Elternteil sie in ihrer eigenen Art und mit ihren eigenen Meinungen nicht haben gelten lassen. Dass die Eltern schon immer „gewusst“ haben, was für den Sohn oder die Tochter das Beste ist; dass sie nicht zugelassen haben, dass er sich auf seine eigene Weise entwickelt.

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Das könnte ein Grund sein, dass die Kinder sich so radikal ablösen müssen. Einige Söhne und Töchter beklagen genau das: Dass immer die Wertvorstellungen der Eltern das einzig Wahre waren und dass ihre eigene Meinung bei den Eltern nichts gegolten hat und nicht akzeptiert wurde. Sie haben sich nicht wertgeschätzt und respektiert gefühlt.

Es ist auch nicht so, dass die Partnerin „an allem schuld“ ist. Ihr Sohn hat sich diese Frau ausgesucht – und das müssen Sie als Eltern erstmal so akzeptieren, ob Sie es gut finden oder nicht.

Kurzfristig können Sie die Situation nicht ändern. Aber Sie können die Tür aufhalten und – wenn sich irgendwann doch eine Möglichkeit bieten sollte – signalisieren, dass Sie an einem guten Kontakt interessiert sind.

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Und: Sie können über ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn und die Dinge reflektieren, die Sie vielleicht selbst dazu beigetragen haben, dass es so weit kam. Dabei geht es nicht darum, sich selbst zu kasteien, sondern die eigenen Fehler anzuschauen und sie dann auch dem Sohn oder der Tochter gegenüber zuzugeben und sich zu entschuldigen.

Damit senden Sie das Signal, dass Sie Verantwortung für Ihr Verhalten übernehmen. Das kann eine Brücke sein.

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