Richtig lüften an WeihnachtenWie schützen wir uns vor Corona in geschlossenen Räumen?

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Symbolbild Aerosole Corona

Aerosole bieten Coronaviren einen guten Übertragungsweg.

Köln – Der neue harte Lockdown stellt die Pläne für die Feiertage mancher Familien noch einmal auf den Prüfstand. Auf das 'Können wir uns treffen?' folgt jetzt ein: 'Sollen wir das auch wirklich machen?'. Wer am Verwandtenbesuch zu Weihnachten festhält, muss sich aber zumindest fragen: 'Wie sollen wir uns sehen?' Denn in geschlossenen Räumen sind wir einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt: SARS-CoV-2 wird auch über Aerosole übertragen, also nicht nur über Tröpfchen, sondern auch über kleinste Partikel, die von der Luft getragen und verteilt werden. Draußen werden diese Teilchen etwa durch den Wind schnell verdünnt, die Ansteckungsgefahr schwindet enorm – sofern zusätzlich der Sicherheitsabstand eingehalten wird. Drinnen sieht es anders aus: In Laborbedingungen wurde festgestellt, dass die Viren bis zu drei Stunden in der Luft nachweisbar sind. Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr ist daher eine der wirksamsten Methoden, potenziell virushaltige Aerosole aus Innenräumen zu entfernen, empfiehlt das Umweltbundesamt. Heißt schlicht, wir sollten lüften. Je mehr, desto besser.

Wie verteilen sich Aerosole im Raum?

Prof Martin Kriegel

Professor Martin Kriegel

Jeder Mensch produziert permanent Aerosole. „Beim ruhigen Atmen weniger, beim Sprechen mehr“, sagt Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin. Er forscht unter anderem an der Ausbreitung von Aerosolen und weiß, dass diese in wenigen Minuten einen ganzen Raum füllen. „Wir Menschen geben Wärme ab, sodass Luft nach oben strömt und es dauert nur wenige Sekunden, bis die ausgeatmeten Teilchen an der Decke sind.“ Danach verteilen sie sich nach allen Seiten im Raum und sinken an anderer Stelle wieder zu Boden.

Wie lange überleben Viren auf Aerosolen?

Auf manchen Aerosolen befinden sich Viren. Corona-Viren, davon geht man aktuell aus, sind nach drei Stunden so inaktiv, dass sie nicht mehr anstecken. „Aber eine infizierte Person, die im Raum verbleibt, produziert permanent neue Aerosole“, sagt Martin Kriegel. Ob man sich tatsächlich ansteckt, hängt unter anderem von der Vitalität der Viren und ihrer Menge ab und davon, wie lange man sich ihnen aussetzt. „Die Lage ist nicht so, dass wir uns gar nicht mehr in einen geschlossenen Raum trauen sollten“, relativiert der Fachmann. „Wir können das Risiko minimieren, indem wir uns nicht zu lange drinnen aufhalten und für eine ausreichende Frischluftzufuhr sorgen.“

Was ist gute Luftqualität?

Gute Luftqualität bemisst sich an verschiedenen Größen. Das Mobiliar und die Wände dünsten ständig Schadstoffe aus. Menschen geben Feuchtigkeit ab und atmen CO2 aus. „Wir produzieren außerdem 10.000 Mal mehr Partikel über die Haut und die Kleidung als über Nase und Mund“, sagt Martin Kriegel. Das alles atmen wir ständig ein. Werden die Grenzwerte pro Schadstoff eingehalten, sei das auch nicht weiter problematisch. Ein wesentlicher Richtwert ist der CO2-Gehalt: Der liegt draußen in Deutschland bei 400 ppm (parts per million). Solange etwa die CO2-Konzentration unter 1000 ppm liegt, spricht man von guter Luftqualität. Die erreicht man in Innenräumen, wenn man rechtzeitig und ausreichend lüftet.

Wie kann ich die Luftqualität bestimmen?

Die Luftqualität ohne Messgerät einzuschätzen, ist schwierig. Man kann sie nicht schmecken, fühlen oder riechen. Die Verschlechterung fällt einem erst auf, wenn die Grenzwerte schon weit überschritten sind. Wir werden müde, können uns nicht konzentrieren und nicht mehr so viel leisten. In Zeiten von Corona wird dem CO2-Gehalt eine besondere Bedeutung beigemessen, weil er zumindest ein realistisches Bild darüber abgibt, wie gut ein Raum belüftet ist. Deshalb raten bereits viele Experten dazu, CO2-Sensoren zu nutzen. Sie erinnern rechtzeitig und zuverlässig daran, die Fenster zu öffnen.

Was nutzen CO2-Ampeln?

„Viele Menschen glauben, dass die Luft gut ist, wenn sie kalt ist“, sagt Martin Kriegel. Die Güte habe aber mit der Temperatur nichts zu tun. Ampeln helfen bei der Orientierung: Bei grün ist die Zufuhr von Frischluft ausreichend, bei orange ist es Zeit zu lüften, bei rot ist die Lage als hygienisch bedenklich zu betrachten. Gerade für Schulen würde sich die Investition lohnen: „Studien zeigen, dass in den meisten Schulen der oberste Grenzwert schon in der zweiten Stunde deutlich überschritten ist“, erzählt der Forscher und fügt hinzu, dass sich Kinder und Lehrer unter lufthygienischen Aspekten grundsätzlich nicht länger als eine halbe Stunde in den Klassen aufhalten sollten. Schulen, die bereits Sensoren nutzen, berichten von neuen und effektiven Lüftungsgewohnheiten, die schnell in den Alltag integriert worden seien. „Die Schulen haben neben dem Tafeldienst auch einen Lüftungsdienst eingeteilt.“ Prinzipiell ließen sich CO2-Ampeln sogar selbst bauen.

Wie oft sollte ich lüften?

Je mehr Menschen im Raum sind und je länger sie sich dort aufhalten, desto häufiger. Einheitliche Regeln gibt es nicht. Martin Kriegel empfiehlt zum Beispiel in Klassenräumen alle 20 Minuten für einige Minuten die Fenster weit zu öffnen. In Übergangszeiten könnten die Fenster neben dem Stoßlüften dauerhaft gekippt und im Sommer permanent geöffnet bleiben. „Im Winter geht die Luft schneller durchs Fenster, weil der Temperaturunterschied größer ist, was zu einer höheren Luftbewegung führt.“ Präzise sind Angaben sind schwierig: „Man weiß nie genau, wie viel Luft durchs Fenster strömt. Das hängt unter anderem von der Windgeschwindigkeit und Temperatur ab und das rechnet ja keiner aus.“

Lüften nach jedem Niesen

Das Umweltbundesamt rät den Schulen zumindest in jeder Unterrichtspause nach 45 Minuten bei weit geöffneten Fenstern zu lüften. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Verbreitung potenziell infektiöser Aerosole in andere Räume kommt. Ist zum Beispiel wegen nicht vorhandener Fenster im Flur keine Querlüftung möglich, soll die Tür zum Flur geschlossen bleiben. Muss jemand während des Unterrichts bei geschlossenen Fenstern wiederholt Niesen oder Husten, sollte unmittelbar gelüftet werden. Das gelte im Übrigen auch zu Hause oder im Büro.

Wie sollte ich lüften?

Es gibt verschiedene Techniken, die in Lüftungsanlagen angewandt werden. Die effektivste Art, um Schadstoffe abzuführen, ist die so genannte Quell-Lüftung. Dabei wird die Luft von unten eingebracht, steigt an den Wärmequellen – den Menschen – nach oben und wird an der Decke abgesaugt. Mit der Fensterlüftung kann laut Martin Kriegel ein gleicher Effekt erreicht werden. Die frische Winterluft strömt erst am Boden entlang – macht leider manchmal kalte Füße - und verlässt oben am Fenster den Raum wieder. Beim so genannten Querlüften wird auch auf der anderen Seite ein Fenster geöffnet. Dank des kräftigen Durchzugs geht der komplette Luftaustausch schneller vonstatten und die Fenster müssen nicht so lange geöffnet bleiben.

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Wie wirksam sind Filter?

Hochwertige Filter, wie die so genannten Hepa-Filter, werden schon lange im Gesundheitswesen eingesetzt. Sie entfernen in der Tat 99,99 Prozent der Aerosole, so dass die Raumluft praktisch als partikelfrei gilt – wie auch die Luft draußen. Das trifft nach Angaben von Martin Kriegel aber nicht auf die kleinen Filter zu, die jetzt massenhaft an den Normalverbraucher verkauft werden. Auch diese Filter könnten zwar fast 100 Prozent der Partikel filtern, aber auch nur aus der Luftmenge, die durch das Gerät strömt. „Die ist in der Regel so klein, dass es keinen Effekt auf die Infektionswahrscheinlichkeit hat.“ Wirklich große Maschinen indes könnten zwar eine nennenswerte Wirkung erzielen, aber die sei genauso per Fensterlüftung zu erreichen. In beiden Fällen - bei der Lüftung oder der Filterung – verbleiben stets potentiell virenbleadene Aerosole, aber eben weniger. Die Konzentration wird lediglich verdünnt.

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