Küken zuhause ausgebrütetKönnen Eier aus dem Supermarkt befruchtet sein?

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Ob ein Ei befruchtet ist oder nicht, können Verbraucher beim Kauf nicht erkennen.

„Darf ich vorstellen: Am 31.10. um 22:50 schlüpfte das erste Küken aus den Edeka-Eiern“, schreibt Laienschauspielerin Jenefer Riili auf ihrem Instagram-Account. Die letzten Videos ihrer Influencer-Kollegin Denisé Kappès heißen: „Die Geburt: Unser Küken ist da“ und „5 Küken schlüpfen“. In den vergangenen Monaten häufen sich Experimente wie diese in den Sozialen Netzwerken. Mit Kamera, Brutkasten und Taschenlampe ausgestattet wird versucht, aus gewöhnlichen Supermarkt-Eiern flauschigen Nachwuchs schlüpfen zu lassen. Was ist dran an den Bildern? Landen wirklich befruchtete Eier in unseren Supermarkt-Regalen?

Kein Unterschied bei Aussehen und Geschmack

Prof. Dr. Robby Andersson ist an der Hochschule Osnabrück Experte für Tierhaltung und Produkte. Sein besonderer Studienschwerpunkt: Angewandte Geflügelwissenschaften. Dass in den Supermarktregalen zum Teil auch befruchtete Eier landen, ist für ihn keine Neuigkeit. Denn: „Ob ein Ei befruchtet ist oder nicht, heißt erstmal gar nichts. Wenn es bei uns in der Küche liegt, ist das Einzige, was darin passiert, dass vielleicht langsam Wasser verdampft. Lagert es nicht bei einer bestimmten Temperatur, kann bei einem befruchteten Ei erst gar keine Zellteilung stattfinden.“

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Prof. Dr. Robby Andersson

Ob Verbraucher unbefruchtete oder befruchtete Eier essen, könne weder äußerlich noch geschmacklich unterschieden werden – und dementsprechend auch nicht vor dem Kauf im Supermarkt. „Einige denken, ein Zeichen für eine Befruchtung seien diese roten Flecken, die manchmal im Eidotter sind – ein Irrglaube“, sagt Andersson. Das resultiere vielmehr aus artgerechter Haltung. „Wenn sich die Tiere viel bewegen, wird manchmal durch einen Riss im Gefäßsystem etwas Blut abgesondert. Das ist der rote Punkt. Genauso ist es mit der Hagelschnur: Auch die hat nichts mit einer vermeintlichen Befruchtung zu tun, sondern sorgt für die Fixierung des Eidotters in der Mitte des Eis." Besonders sichtbar sei diese bei sehr frischen Eiern.

Verbraucher müssen selbst entscheiden

Aber wie kann es sein, dass mit zum Teil befruchteten Eiern potenzielles Leben im Supermarktregal landet, wie die zahlreichen Videos in Sozialen Netzwerken zeigen? Und ist das den Anbietern klar?

Ei im Ei

In einem Ei befinden sich gewöhnlich das Eigelb und das Eidotter. 

„In allen Hennen-Herden läuft auch immer mal wieder ein Hahn mit. Er überwacht die Umgebung und warnt die Hennen vor nahenden Beutegreifern wie Habichten“, sagt Prof. Andersson. Und so passiere es eben auch, dass manches Ei befruchtet wird. Das mache für das Geschmackserlebnis des Verbrauchers keinen Unterschied. 

Wie ist es aber mit ethischen Bedenken? Das sei nicht so einfach zu beantworten, meint Andersson. „Das ist eine gesellschaftliche Frage. Es ist ein tierisches Lebensmittel und nur, weil ein befruchtetes Ei prinzipiell ein Küken hervorbringen könnte, handelt es sich weder um eine Abtreibung, noch um die Tötung eines Embryos, wenn es im Supermarkt landet.“ Alles weitere müsse jeder Verbraucher für sich entscheiden. Fakt sei: Seitdem Hühnereier konsumiert werden, sind potenziell auch immer befruchtete dabei.

Vorsichtiger hingegen wäre Andersson bei Hobby-Züchtern. Die hätten womöglich keinen genauen Überblick, ob ein Ei erst einen oder bereits mehrere Tage im Nest liegt. „Wenn die einen Hahn haben, der die Eier befruchtet hat und die Henne womöglich zwischendurch mal draufgesessen hat, kann man sich vielleicht nicht mehr ganz so sicher sein, dass im Ei noch nichts passiert ist. Aber da müssen schon viele Zufälle zusammenkommen.“

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Verwerflich, Supermarkt-Eier zuhause auszubrüten

Zufällig geschlüpft sind die Küken aus den Supermarkt-Eiern bei den Influencerinnen dagegen keineswegs. Mit einem Inkubator samt exakt eingestellter Luftfeuchtigkeit und Temperatur haben diese eine Brut-Situation simuliert.

Andersson sieht solche Experimente äußerst kritisch. „Wenn jemand versucht, diese Supermarkt-Eier zuhause auszubrüten und die Küken als Haustiere hält“, sei das für ihn verwerflich, sagt der Experte für Tierhaltung. „Das ist sicher gut gemeint, weil es auch ein emotionales Thema ist – aber aus Sicht der Tiere definitiv nicht zu befürworten.“

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