„Es ist schade“Kölner Schülerin und Schüler über Leben und Lernen mit Corona

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Florian (Name geändert) und Milla

  • Seit Beginn der Pandemie wurde viel über die Schwierigkeiten in der Schule und im Homeoffice berichtet.
  • Expertinnen, Pädagogen und Politikerinnen äußerten sich zu dem Thema.
  • Doch wie erleben Schülerinnen und Schüler eigentlich gerade ihren Alltag und die Einschränkungen? Wir haben zwei Kölner Jugendliche zum ausführlichen (Videokonferenz-)Gespräch gebeten.

Köln – Seit Beginn der Pandemie wurde viel über die Schwierigkeiten in der Schule und im Homeoffice berichtet. Eltern kamen zu Wort, genauso wie Pädagogen und Politikerinnen. Seltener die, die das alles mindestens genauso viel betrifft: Kinder und Jugendliche. Deshalb haben wir Milla, 15, Schülerin auf einer städtischen Gesamtschule in Köln und Florian (Name geändert), 13, und Schüler auf einem katholischen Gymnasium, gefragt, wie sie diese gesellschaftliche Ausnahmesituation wahrnehmen, wie der Distanzunterricht läuft, welche Sorgen sie haben – und was sie an Corona vielleicht auch ein bisschen cool finden.

Ihr hattet bis gerade eben Schule – wie war das?

Milla: Nicht wirklich besonders. Also ich habe mich mittlerweile voll an das Homeschooling und meinen neuen Tagesablauf gewöhnt. Ich habe jeden Tag bis 16 Uhr Unterricht, also „Meetings“, in denen die Lehrer nun eben per Videokonferenz unterrichten. Das klappt echt gut. Unser Stundenplan ist quasi eins zu eins ins Internet übertragen worden, selbst die Pausen sind von den Zeiten genauso wie vorher.

Florian: Cool ist, dass ich jetzt länger schlafen kann. Ich spare jeden Morgen ungefähr 20 Minuten. Dann ziehe ich mich an, frühstücke, fahre den Rechner hoch. Wenn’s knapp wird, kann man die Zähne immer noch in der Pause putzen. Bei uns funktioniert das mit den Videokonferenzen nur noch immer nicht so gut, weil die Plattform, mit der wir arbeiten, manchmal überlastet ist. Heute zum Beispiel: Da sind drei von sechs Stunden deshalb ausgefallen

Milla: Okay, sowas passiert bei uns nicht. Und ich muss auch sagen: Jeden Tag von acht bis 16 Uhr auf den Bildschirm schauen, das finde ich schon anstrengender als noch „vor Corona“. Da gab es auch mal Momente, wo man ein bisschen Entspannung hatte – und sei’s nur beim Tafel abwischen. Von der Freude, nicht mehr in die Schule zu müssen, ist auf jeden Fall nicht mehr so viel übrig.

Die war also zu Anfang da?

Milla: Klar, am Anfang, im vergangenen Jahr, da war ja alles total entspannt. Auch weil es da viele Lehrerinnen und Lehrer noch nicht wirklich hinbekommen haben mit dem Distanzunterricht. Wir haben damals nur Aufgaben geschickt bekommen mit Abgabefristen. Die Arbeitsweise war zwar nicht so meins, aber es war weniger stressig.

Florian: Also ich fand’s natürlich gut, dass auch vor den letzten beiden Lockdowns für uns die Ferien verlängert wurden.

Milla: Wobei man ja auch nicht wirklich was machen konnte, in den Ferien.

Florian: Naja, man hat halt frei.

Milla: Ja, aber was soll man denn mit der vielen Freizeit machen? Ich spiele normalerweise vier Mal die Woche Fußball. Das fehlt mir total.

Florian: Ich spiele auch Fußball im Verein. Und Tischtennis. Das kann ich immer noch machen, bei uns um die Ecke ist ein Park, da gehe ich jetzt viel hin und treffe dort dann meinen besten Freund. Also ich bewege mich schon noch ein bisschen.

Milla: Also ich muss leider sagen: Meine Top-Beschäftigung in der Corona-Zeit ist Serien-Gucken. Das habe ich vielleicht ein bisschen zu viel gemacht in den vergangenen Monaten. Ich bin froh, dass sich seit Kurzem mein Fußballteam immer samstags und sonntags online trifft und wir dann zusammen Übungen machen. Das ist ein bisschen Ausgleich.

Hat sich denn euer Verhalten verändert durch Corona?

Milla: Ich glaube, ich bin schon ein bisschen zickiger geworden. Ich streite mich öfter mit meiner kleinen Schwester, die ist elf. Florian: Ich bin vor allem müde. Wirklich, nach so einem Online-Schultag bin ich erstmal zwei Stunden lang total platt.

Manche Experten äußerten öffentlich die Sorge, die Coronakrise könnte vor allem euch Jugendliche überfordern.

Milla: Also überfordert fühle ich mich nicht. Es ist einfach anstrengend.

Florian: Man schafft aber alles. Klar ist es blöd, wenn man zum Beispiel bei Schulaufgaben keine direkte Hilfe vom Lehrer bekommen kann, weil der die Nachricht im Chat übersehen hat. Aber dafür schreiben wir ja gerade zum Beispiel auch keine Klassenarbeiten.

Milla: Und es funktioniert ja auch mittlerweile zumindest bei uns wirklich alles, alle Schülerinnen und Schüler haben Laptops, die Videokonferenzen laufen gut. Also ich habe ich eigentlich keine Angst, dass ich mich in der Schule verschlechtere.

Florian: Ich auch nicht. Und wenn ich mal etwas nicht verstehe, Excel zum Beispiel, das brauchen wir für Mathe, dann frage ich meine Mutter. Die erklärt mir das dann.

Milla: Meine Eltern fragen oft, ob sie mir helfen sollen. Aber ich mache eigentlich alles alleine, das funktioniert für mich besser. Ich finde viel belastender an der Situation, dass ich meine Freundinnen und Freunde kaum sehen kann.

Florian: Obwohl man ja auch bei WhatsApp schreiben kann. Das mache ich. Oder telefonieren.

Milla: Eben. Ich finde, wir jungen Menschen tragen eben eine Verantwortung: Dass man sich an die Regeln hält. Aber wenn man im Hinterkopf hat, wofür man das macht, nämlich um ältere Menschen schützen, dann kann ich die Einschränkungen schon verkraften.

Im Sommer waren die Schulen wieder offen. Haben sich da alle an die Regeln gehalten?

Florian: Als da die Maskenpflicht gelockert wurde, galt sie bei uns an der Schule noch weiter. Da haben sich ein paar Leute nicht mehr wirklich dran gehalten haben.

Milla: Also bei uns haben alle ihre Maske getragen. Ich finde ja auch, man hat sich daran total schnell gewöhnt. Ich merke jetzt sogar manchmal, wenn ich Filme schaue, dass ich kurz denke: Hä, warum haben die denn keine Masken auf?

Florian: Man würde sich wahrscheinlich auch daran gewöhnen, wenn plötzlich alle mit Einhorn-Geweihen rumlaufen. Das ist dann halt so.

Wenn ihr entscheiden dürftet: Die Schulen wieder aufmachen, oder noch zulassen?

Florian: Zulassen! Und erst aufmachen, wenn es wieder „richtigen“ Unterricht geben kann.

Milla: Das sehe ich auch so. Lieber jetzt die Kontakte reduzieren, als irgendwas zu riskieren.

Klingt, als würdet ihr euch über die Pandemie informieren.

Florian: Ja, ich lese viel oder sehe es im Fernsehen. Und ich glaube, ich weiß über die Zahlen besser Bescheid als meine Eltern, ich kriege die nämlich immer über meine Nachrichtenapp direkt auf mein Handy.

Milla: Also ich kriege schon auch viel über meine Mutter mit, allerdings bin ich nicht immer so auf dem neusten Stand.

Habt ihr denn Angst, euch mit Corona anzustecken?

Florian: Also weil ich eigentlich niemanden treffe, habe ich auch keine Angst. Obwohl: Die Mutter meines besten Freundes, mit dem ich ja in den Park gehe, also die arbeitet im Krankenhaus und hat täglich Kontakt mit Coronapatienten. Da mache ich mir manchmal Sorgen. Aber es ist ja immer draußen und mit Abstand.

Milla: Ich habe keine Angst um mich, sondern zum Beispiel um meine Großeltern. Deswegen waren wir auch an Weihnachten nicht dort. Eigentlich ist es Tradition, dass die ganze Familie zu meinen Großeltern mütterlicherseits fährt, die wohnen im Taunus. Es hat uns sehr traurig gemacht, dass wir das dieses Jahr nicht machen konnten.

Findet Ihr es schlimm ihr, dass solche Sachen gerade nicht möglich sind?

Florian: Ach, schlimm ist es nicht. Es ist schade. Es ist ein bisschen so: Du hast lauter tolle Brettspiele, aber es gibt niemanden, der mit dir spielt. Neulich hat es ja geschneit. Da wären wir wahrscheinlich zum Rodeln und Skifahren in die Eifel gefahren. Das ging jetzt auch nicht. Und auch zum Schneemann-Bauen konnte man sich nicht treffen.

Immerhin habt ihr Eltern und Geschwister. Milla: Die haben ja aber auch viel zu tun. Also mein Vater arbeitet nicht von zu Hause, sonst sind zwar alle gerade daheim. Aber wir sehen uns trotzdem selten. Eigentlich nur in den Pausen und dann wieder zum Abendessen. Am Wochenende machen wir manchmal einen Ausflug zum Wandern ins Bergische oder so. Aber ich habe eigentlich gar nicht das Gefühl, dass wir so viel mehr Zeit miteinander verbringen würden.

Florian: Dazu kommt: Mein kleiner Bruder hat auch Homeschooling, der kann vieles aber einfach noch nicht alleine. Deswegen hilft meine Mutter ihm etwa bei den Videokonferenzen. Und da denke ich mir manchmal, dass sie vielleicht auch etwas mehr Zeit für sich gerade gebrauchen könnte…

Wie fändet ihr es, wenn eure Eltern auch nach Corona von zu Hause arbeiten würden?

Milla: Wir sind zu fünft in der Familie, es war auch vorher nicht ungewöhnlich, dass irgendwer immer zu Hause ist. Aber ich fänd’s schon gut, wenn meine Eltern auch manchmal nicht da wären…

Florian: Ja, so zwei Stunden nach der Schule Zeit für sich haben, ist auch wichtig, finde ich.

Und ihr? Würdet ihr gern nach der Pandemie weiter zumindest einen Teil des Unterrichts am Laptop machen können?

Florian: Bei uns war es tatsächlich schon vorher so, dass wir einen Teil der Aufgaben per Mail bekommen haben.

Milla: Bei uns nicht. Ich war vorher auch generell nicht so viel am Computer unterwegs und habe mir durch Corona jetzt viel im Umgang mit dem Laptop selbst beibringen können. Ganz viele Basics, die ich vorher nicht wusste. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass die Diskussion sich erübrigt. Wenn man wieder in die Schule darf, werden wir auch alle wieder in die Schule gehen, es wird genauso laufen wie vorher. Dann muss ich morgens wieder früher aufstehen.

Florian: Aber dafür sieht man dann seine Freunde wieder.

Milla: Ja, das ist auch echt, was ich am meisten an Corona hasse. Oder nein, hassen, ist das falsche Wort. Es nervt einfach, wir wollen alle, dass es vorbei geht. Aber es bringt jetzt auch nichts, zu jammern.

Habt ihr euch schon überlegt, was ihr als erstes machen wollt, wenn die Pandemie vorbei ist?

Milla: Ich freue mich wirklich vor allem darauf, Freunde und Großeltern wiederzusehen, Fußballspielen zu gehen, meinen Klavierunterricht wieder in Echt und nicht online zu haben. Vielleicht auch mal wieder shoppen zu gehen, aber das ist eigentlich nicht so wichtig.

Florian: Ich habe mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht, weil ich mir wegen der ganzen Mutationen, die es jetzt so gibt, kaum vorstellen kann, dass wir so schnell nichts mehr mit dem Virus zu tun haben.

Milla: Stimmt. Ich habe aber auch neulich darüber nachgedacht, dass das alles in ein paar Jahren ein großes Thema aus der Vergangenheit sein wird. Und ich glaube, genauso wie es am Anfang komisch war, Masken zu tragen, wird man sich auch wieder an die „Normalität“ gewöhnen müssen.

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