Erneuerbare EnergieBürger sollen über Windkraft in Bad Münstereifel abstimmen

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Noethen_Gegenwind_Montage

Sorgen für verhärtete Fronten: Drei 260 Meter große Windräder, die im Nöthener Wald entstehen könnten. Die Montage stammt von den Gegnern des Baus in der Initiative Gegenwind. 

Bad Münstereifel – In Bad Münstereifel gibt es derzeit kein größeres Streitthema als mögliche Windräder im Pfaffenbusch bei Nöthen. Ein Bürgerbegehren gegen die Pläne mit etwa 1800 Unterzeichnern sollte nach dem Willen der Initiatoren der Diskussion ein Ende machen – ohne Erfolg. Knapp drei Stunden diskutierten Bürger und Rat am Mittwochabend in der Heinz-Gerlach-Halle über die Anlagen.

Dabei wurde die Debatte nicht nur sachlich geführt. Redner warnten vor Klimaapokalypse und Massensterben, wenn die Windkraft nicht ausgebaut wird. Andere wiesen auf gesundheitliche Gefahren und Umweltschäden durch die Anlagen hin. Am Ende haben sich 14 Ratsmitglieder für das Bürgerbegehren der Initiative Gegenwind ausgesprochen, 17 dagegen. Damit ist klar: Die Bürger sollen nun in einem Bürgerentscheid über die Windräder abstimmen.

Gleich zu Beginn der Sitzung räumte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian mit einem Missverständnis auf. Es gehe überhaupt nicht darum, ob Windräder gebaut werden, sagte sie: „Es geht darum, ob wir überhaupt Flächen für Windkraft zur Verfügung stellen können.“

Über den Bau entscheidet der Kreis, nicht die Kommune

Über den Bau entscheiden könne die Kommune nämlich nicht selbst: „Denn die endgültige Entscheidung trifft der Kreis. Er führt das Genehmigungsverfahren durch.“

Um über die rechtliche Situation zu informieren, hatte die Verwaltung Anwalt Stephan Helbig vom Anwaltsbüro Lenz und Johlen eingeladen. Weise die Kommune Zonen für Windkraft aus, gehe es hauptsächlich um eine Steuerungsmöglichkeit. „Ohne hat die Kommune keinen Einfluss mehr darauf, wo Windkraftanlagen gebaut werden“, so Helbig.

Der Weg zum Bürgerentscheid

Lehnt der Rat einer Kommune ein Bürgerbegehren ab, muss ein Bürgerentscheid durchgeführt werden. Festgelegt ist das in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Im Gegensatz dazu steht ein Ratsbürgerentscheid. Bei diesem entscheidet eine Ratsmehrheit darüber, ob die Bürger über ein bestimmtes Thema abstimmen sollen. Das Abstimmungsverfahren ist allerdings mit dem eines Bürgerentscheids identisch.

Nur mit Ja oder Nein kann über die bei einem Bürgerentscheid gestellte Frage abgestimmt werden. Erforderlich für eine Entscheidung ist die Mehrheit der gültigen Stimmen. Diese muss  mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten betragen. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet.

Ein Bürgerentscheid wirkt wie ein Beschluss des Rates. Vor Ablauf von zwei Jahren kann er nur durch den Rat geändert werden – und das auch nur, wenn in einem weiteren Bürgerentscheid über die Änderung abgestimmt wird.

In Bad Münstereifel wird über die Frage „Sind Sie dagegen, dass die städtischen Flächen in der Gemarkung Nöthen (Nöthener Wald) für Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt werden?“ abgestimmt. Die Stimme kann sowohl im Rathaus oder auch per Briefwahl abgegeben werden. Wahlberechtigt ist jeder Bürger, der auch bei einer Kommunalwahl wählen darf. (maf)

Das liege dann in der Hand von Privatleuten und Bezirksregierung: „Im schlimmsten Fall gelten dann alle Flächen als Konzentrationsflächen.“ Das ist auch eine Sorge der Windkraft-Befürworter der Initiative Rückenwind. Sollte sich die Stadt nicht aktiv um Standorte bemühen, würden Windräder auf privaten Flächen errichtet.

Dann profitierten weder Stadt noch Bürger finanziell von der Windkraft. In Bad Münstereifel gibt es ohnehin nur wenige Orte, die sich für erneuerbare Energien eignen. Naturschutzgebiete, Abstände zu Siedlungen und das Radioteleskop Effelsberg etwa erschweren den Bau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

Geht es um die Anlagen im Pfaffenbusch, stehen sich zwei ungewöhnliche Koalitionen gegenüber: auf der einen Seite Verwaltung, CDU, Grüne, Linke und die Bürgerinitiative Rückenwind, auf der anderen Seite SPD, FDP, UWV und die Bürgerinitiative Gegenwind. Deren Sprecher Reinhold Nelles und Martin Solbach sprachen sich in der Ratssitzung gegen die Windräder und für ein generelles Verbot des Baus von Windkraftanlagen in Wäldern aus.

Solbach wies auf gesundheitliche Gefahren von Windrädern hin. Zu bedenken seien etwa die Folgen von Infraschall, Schlagschatten und Mikroplastik in der Luft. Sowohl Solbach als auch Nelles warnten davor, „Projektierern Tür und Tor zu öffnen“. Für Solbach wird mit dem Vorhaben „die Büchse der Pandora geöffnet“. Erlaube man den Bau einer Anlage, würden unzählige mehr entstehen.

Unter den Windkraftgegnern sehr umstritten war ein Vortrag von Lars Schnatbaum-Laumann von der Energieagentur NRW. Schnatbaum-Laumann zeichnete ein apokalyptisches Klimawandel-Szenario und verglich Windkraftbefürworter mit DDR-Bürgerrechtlern. SPD-Fraktionsvorsitzender Karl Michalowski warf ihm „ideologische Bearbeitung“ vor.

Christof Milischewski von der FDP kritisierte, dass Schnatbaum-Laumann für die Grünen im Stadtrat von Erftstadt sitzt. Der indirekte Vorwurf an den Gastredner: Er sei nicht unabhängig.

Verteidigt hingegen wurde er von Grünen-Fraktionsmitglied Peter Schallenberg. Auch er wies auf die Gefahr des Klimawandels hin – und verglich dessen Folgen mit dem Meteoriteneinschlag, der die Dinosaurier auslöschte. Der Klimawandel ist auch Hauptargument der Initiative Rückenwind.

Vertreter der Initiative halten „die kurzfristige Beeinträchtigung von Flora und Fauna im Nöthener Wald“ für verkraftbar. Ein großer Teil der Bäume sei ohnehin bereits durch Borkenkäfer und Trockenheit geschädigt, sagte Rückenwind-Sprecher Norbert Heckelei: „Der Bau von Windrädern – auch im Wald – ist ein sehr wichtiges Element von langfristigem Waldschutz, weil er den Temperaturanstieg begrenzt.“

Gelten lassen wollen die Gegenwind-Bürger die Argumente nicht. Sie sagen, dass auch intakter Laubwald den Anlagen geopfert werden müsse. Außerdem würden Flächen verdichtet und mit Pestiziden behandelt.

Aktuell ist der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Bad Münstereifel deutlich niedriger als im Rest des Kreises. Im Kurort beträgt er 4,5 Prozent. Im Kreis Euskirchen sind es 40,7 Prozent, in Nordrhein-Westfalen 16,2 und bundesweit 46,2 Prozent. Windräder gibt es in der Kommune noch keine.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Mehrens schätzt, dass mit drei Windrädern im Pfaffenbusch bis zu 16.000 Haushalte versorgt werden können. Bad Münstereifel hat derzeit etwa 8500 Haushalte. Außerdem ließen sich so jährlich 30.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen und Einnahmen von 200.000 Euro generieren, erläuterte Mehrens. Und: „Wir müssen auch Verluste aus der Forstwirtschaft kompensieren, die durch Trockenheit und Borkenkäfer entstehen.“

Am 30. Mai dürfen alle Wahlberechtigten Bad Münstereifeler im Bürgerentscheid über das Vorhaben abstimmen. Die Wahlunterlagen sollen am 19. April verschickt werden. Ganz egal, für welche Seite sich die Bürger am Ende entscheiden: Der Bau von Windkraftanlagen in Bad Münstereifel ist nicht vom Tisch. Gegenwind will deshalb auch danach noch gegen Windkraft in Wäldern mobilisieren. Aber auch die Windkraftbefürworter wollen nicht aufgeben.

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