Inkasso und GerichtBlankenheimer Paar sollte Stromrechnungen für abgerissenes Fluthaus zahlen

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Hartwig Kausch und Silvia Kock sitzen an einem Tisch. Vor ihnen liegen Aktenordner und Papierstapel.

Fast zwei Jahre Nervenkrieg haben Hartwig Kausch und Silvia Kock mit ihrem damaligen Stromanbieter in Altenahr hinter sich. Nachdem ihr Haus dort von der Flut zerstört wurde, leben sie nun an der Ahrstraße in Blankenheim.

Zwei Jahre dauerte der Nervenkrieg eines Blankenheimer Ehepaars mit dem Energieversorger Eon, bis dieser einlenkte.

Silvia Kock und Hartwig Kausch haben in der Flut 2021 alles verloren – und kamen dann nach Absurdistan: Ihr Stromanbieter stellte ihnen weiter fast zwei Jahre lang Kosten in Rechnung. Und das, obwohl ihr Haus in Altenahr längst abgerissen ist.

„Das hier ist alles.“ Hartwig Kausch blättert in einem dicken Stapel Briefe auf den Tisch im Wohnhaus an der Ahrstraße in Blankenheim. Es ist ein Stück Vergangenheit, als die beiden noch in Altenahr lebten. Es sind Schreiben des einstigen Stromanbieters Eon an seine Frau Silvia Kock als Rechnungsnehmerin.

Und Schreiben des von Eon beauftragten Netzbetreibers, der Westnetz, zuständig für die Ablesung von Stromzählern im Auftrag der Eon. Dazu der Briefverkehr des von den beiden eingeschalteten Rechtsanwaltes, Post von einem Inkassounternehmen und einem Amtsgericht. „Das hier“, fasst es Silvia Kock zusammen, „das ist ein Alptraum.“

Das Haus in Altenahr musste nach der Flut abgerissen werden

Angefangen hat alles mit der Flut im Juli 2021. Ein halbes Jahr zuvor hatten die beiden in Altenahr die Alte Mühle an der Tunnelstraße gekauft. Raus aus Berlin und aufs Land ins idyllische Ahrtal. 140 Quadratmeter, sechs Zimmer auf drei Etagen. Die beiden hatten sich an die Innensanierung des alten Gebäudes gemacht. Sie kamen gut voran.

Und dann die Flut. „Wir haben uns in der Nacht auf den Berghang hinter dem Haus geflüchtet“, so Hartwig Kausch. Machtlos mussten sie mitansehen, wie ihr Haus überflutet wurde von der Welle, die durch Altenahr tobte. Wochen später war klar: Das Haus ist nicht nur unbewohnbar, sondern auch nicht zu retten. Im Dezember wurde es von einer Fachfirma abgerissen, das Brachland ist eingezäunt. Die Elementarschadenversicherung, die Kausch und Kock hatten, zahlte zwei Drittel der entstandenen Kosten.

Silvia Kock und Hartwig Kausch fangen in Blankenheim neu an

Kausch und Kock, die zu diesem Zeitpunkt zur Miete in Köln wohnten, hatten ihren Traum nicht aufgegeben. In Blankenheim fanden sie ein neues Haus. Hier hat Silvia Kock wieder im Erdgeschoss ihr Kunstatelier, oben drüber wohnen die beiden. Doch Altenahr lässt sie nicht los. Sie denken oft zurück. Und die drei Stromzähler, die dort in den drei Geschossen verbaut waren, liefen weiter. Absurd?

Das Bild zeigt ein eingezäuntes Grundstück, auf dem Gras wächst. Dort hat vorher ein Haus gestanden, das nach der Flutkatastrophe abgerissen werden musste.

Seit Dezember 2021 ist die Alte Mühle in Altenahr abgerissen und die Brache an der Tunnelstraße eingezäunt. Doch Stromrechnungen wurden weiterhin gestellt.

„Bis heute haben wir Rechnungen über die Kosten für die Grundversorgung in Altenahr von Eon bekommen“, so Hartwig Kausch. Er habe sich damals erst noch gewundert. Bis zum Juli 2021 hatten die beiden wie immer die Monatspauschale bezahlt: drei Zähler, 93 Euro pro Monat. Dann kam die erste Mahnung im August, als das Haus schon nicht mehr bewohnt war. Kausch rief das Kundendienst-Callcenter an. Doch die Mahnungen wurden dringlicher. Es folgten weitere Anrufe und Einschreiben. Doch alles blieb umsonst. Das war im November 2021. Keinen Monat später war das Häuschen an der Tunnelstraße abgerissen. Doch die Stromzähler tickten vermeintlich weiter – so sah es zumindest Eon.

Die Posse um die Stromrechnungen wird immer absurder

Die Posse nahm Formen an: Weil offenbar die alten Verträge irgendwie nicht mehr stimmten, stellte ihnen der Stromversorger neue mit neuen Vertragsnummern über die bereitgestellte Grundversorgung aus, auf die doch offenbar keine Verbrauchsstände mehr gemeldet wurden.

Noch am 2. Februar dieses Jahres schrieb Eon an die neue Adresse nach Blankenheim: Man habe eine Schlussrechnung erstellt, die sich wie bisher auf die vom Netzdienstleister Westnetz gemeldeten Zählerstände beziehe: „Laut unseren Informationen sind die Zähler weiterhin vorhanden. Eine Verlustmeldung über die Westnetz GmbH ist uns nicht bekannt.“ Man habe aber einen „Mahnstopp hinterlegt“, der auch verlängert werden könne.

Kausch stöhnt auf: „Wie wir mittlerweile wissen, war das Haus nach der Juli-Nacht nicht mehr von der Westnetz betreten worden. Das sei zu gefährlich, weil es einsturzgefährdet sei.“ Doch die Stromzähler, die längst keinen Strom mehr liefern konnten, tickten angeblich weiter.

Bei den Blankenheimern melden sich Inkassofirma und Gericht

Im Januar schalteten die beiden einen Rechtsanwalt ein. Die Dinge schienen eine andere Wendung zu bekommen: Im Mai bestätigte Westnetz, was Kausch und Kock zuvor in zahllosen Telefonaten vergeblich festgestellt hatten. „Der Ausbau der Stromzähler ist systemseitig rückwirkend zum 15.7.2021 erfolgt. Sie sollten demnächst eine Rechnungskorrektur bekommen“, teilt Westnetz mit. Fast eineinhalb Jahre nach der Flut.

Kausch und Kock harrten gespannt der Dinge, die da kommen würden. Sie kamen am 27. Mai in Form eines Schreibens eines Inkassounternehmens. Im Auftrag von Eon teile man mit, dass eine Forderung in Höhe von 485,33 Euro im Raum stehe. Da Kausch und Kock nicht zahlten, folgte am 22. Juli die Aufforderung des Amtsgerichtes Coburg – in der oberfränkischen Stadt hat das Inkassounternehmen seinen Sitz – , sich dort bitte einzufinden. Der Streitwert lag da schon bei 599,24 Euro.

Nach zwei Jahren lenkt Eon ein und bittet um Entschuldigung

In diesem Moment entschlossen sich Kausch und Kock, sich an die Redaktion dieser Zeitung zu wenden. Auf Nachfrage der Redaktion antwortet die Eon-Pressestelle schnell. „Uns ist bewusst, dass die Flutkatastrophe für die Anwohner bis heute eine enorme Belastung darstellt“, heißt es verständnisvoll. Man habe den Fall intern geprüft und bitte die beiden „aufrichtig um Entschuldigung“. Die Prüfung der Zählerstände in Zusammenarbeit mit Westnetz habe „leider mehr Zeit in Anspruch genommen und es kam zu einer Verzögerung“, so ein Eon-Sprecher.

Nun aber sei geklärt, dass die bislang geltend gemachten Forderungen hinfällig seien, ebenso wie alle Mahnkosten. Sie würden „vollumfänglich storniert“. Es werde nun eine Schlussrechnung erstellt und Silvia Kock erhalte für die entstandenen Unannehmlichkeiten eine „kleine Wiedergutmachung“.

Am Tisch an der Ahrstraße in Blankenheim sind Hartwig Kausch und Silvia Kock erleichtert. Hätten sie den Abriss ihres Altenahrer Hauses im Dezember 2021 vielleicht sofort der Eon melden müssen? Hätte das etwas geändert, wenn der für die Ablesung zuständige Mitarbeiter den Verlust des Zählers nicht weitergibt? „Wir hoffen, dass das jetzt auch alles so passiert, wie die Ihnen geschrieben haben“, sagt Hartwig Kausch. Offen bleibt für ihn die Frage der Schlussrechnung – ob die bereits gezahlte Summe für die zweite Juli-Hälfte 2021 erstattet wird.

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