Folgenschwerer Schlag in Therme EuskirchenBoxer kämpft um einen Freispruch

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Der Boxer war in Euskirchen zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Jetzt wird der Fall am Bonner Landgericht neu verhandelt.

Der Boxer war in Euskirchen zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Jetzt wird der Fall am Bonner Landgericht neu verhandelt.

Bonn/Euskirchen – Am Samstag, 6. August 2019, ging den Besuchern in der Therme Euskirchen ein pöbelnder Saunagast bereits seit Stunden auf die Nerven. Der Mann, ein 36-jähriger Assistenzarzt, hatte an diesem Tag mit Freunden die Geburt seiner Tochter gefeiert und dabei die Wodkaflasche kreisen lassen. Als der Mann sich wiederholt übergeben hatte, forderte ihn die Teamleiterin auf, die Anlage umgehend zu verlassen.

Der Saunagast soll sie aber ausgelacht, mit obszönen Worten beleidigt und mit ihr um die Mittelsäule der Anlage Katz und Maus gespielt haben. Das flegelhafte Verhalten rief einen Profiboxer auf dem Plan, der auf einer Liege ruhte, das Geschehen aber bereits länger beobachtete. Er hatte das Gefühl, dass die Mitarbeiterin mit der Situation überfordert war. Die handfeste Intervention des Boxers, der Frau zu helfen, brachte den Halbschwergewichtler auf die Anklagebank des Amtsgerichts Euskirchen. Das hat den Profisportler im September 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Wie sich aus der Hauptverhandlung ergab, hatte der 34-Jährige den ausfälligen Arzt aufgefordert, er solle sich „endlich verpissen“. Danach kam es zunächst zu einem Wortgefecht, das von Schimpfworten dominiert war. Schließlich soll der Mediziner den Angeklagten aufgefordert haben, mit ihm vor die Tür zu gehen und dort die Sache zu klären – nicht wissend, dass er einen Boxer vor sich hatte. Der Boxer zögerte erst, bewaffnete sich dann mit einem hölzernen Mülleimerdeckel und schlug einmal zu. Der Arzt ging bewusstlos zu Boden. Er erlitt massive Gesichtsverletzungen und ein Schädelhirntrauma. Zwei Monate war er arbeitsunfähig.

Notwehrsituation?

Der Boxer, so der Euskirchener Amtsrichter im Urteil, hätte nicht zuschlagen dürfen. So ein Präventivschlag sei „pure Anarchie“ und das „Recht des Stärkeren“ gewesen. Der Halbschwergewichtler jedoch fühlt sich zu Unrecht verurteilt – und hat Berufung eingelegt. Nun wird der Fall am Bonner Landgericht neu verhandelt.

An dem Euskirchener Urteil sei alles falsch, monieren die Verteidiger des Boxers. Sie sehen gravierende Fehler in der Beweisaufnahme und in der rechtlichen Bewertung des Falls. Das mögliche Vorliegen einer Notwehrsituation sei nicht geprüft worden. Schließlich habe der Arzt die Worte verwendet: „Komm raus, ich steche Dich ab.“ Draußen habe ihr Mandant den Angriff des Mannes mit einem Schlag beenden wollen. In Notwehr, versicherte der Angeklagte. Denn sein Gegenüber habe sich mit erhobener Faust auf ihn zubewegt. „Ich habe gesehen, wie er sein Gesicht deutlich zum Angriff verzogen hat“, so der versierte Kämpfer.

Die Verteidiger fordern für den Profiboxer in der zweiten juristischen Runde einen Freispruch: „Da zeigt mal einer Zivilcourage, was selten geworden ist, und wird als Krimineller verurteilt.“ Für ihren Mandanten sei das Urteil besonders bitter: Denn als Vorbestrafter dürfte er nicht zu internationalen Boxkämpfen reisen. Damit könne er seine Sportlerkarriere vergessen.

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