Fachkräftemangel im Kreis EuskirchenWeniger Bewegung auf dem Ausbildungsmarkt

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Die Azubis und der Chef: Michael  Fähse (Mitte), Luca Zimmers (r.) und  Dominik Poth.

Die Azubis und der Chef: Michael  Fähse (Mitte), Luca Zimmers (r.) und  Dominik Poth.

Kreis Euskirchen – Michael Fähse scheint die Arbeit Spaß zu machen. Als Auszubildender im Bereich Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik habe er es bei der  Bohnen & Mies GmbH & Co. KG an der Dahlemer Binz gut angetroffen, sagt er.  Klar, im vergangenen Jahr sei viel Unterricht am Berufskolleg ausgefallen, einiges finde aber online statt, sagt er. „Ich habe dann zuhause gelernt“, so der Azubi, „viel mit Mitschülern telefoniert und mich bei Fragen  an den Lehrer gewandt.“ Das habe  ganz gut geklappt, sagt Fähse.

So etwas freut seinen Chef natürlich. Dominik Poth, Geschäftsführer des Dahlemer Unternehmens, spricht vom Wachstum der Firma in den letzten Jahren, von den 36 Beschäftigten und sechs Auszubildenden. Alles gut also? Nicht ganz: Zur Halbzeit der Beratungsphase  fürs  kommende Lehrjahr sucht Poth noch einem Lehrling für den Bereich Anlagetechnik Sanitär und Heizung.  „Das ist in diesem Jahr wirklich schwierig“, stellt er fest. Dass es (nur) an der Pandemie liege, glaube er nicht: „Der Fachkräftemangel hat sich schon in den letzten Jahren gezeigt.“ Zudem konkurrierten kleinere Firmen mit den großen Industrieunternehmen im Kampf um den Nachwuchs.

Es geht noch was

In diesen Berufen gab es im März die meisten offenen Ausbildungsstellen: Kaufmann/-frau im Einzelhandel: 33; Verkäufer/in: 22; Handelsfachwirt/in: 15;   Fachverkäufer/in Bäckerei: 13: Industriekaufmann/-frau:13; Maschinen- und Anlagenführer/in:10; Mechatroniker/in: 9;   Fachlagerist/in:9; Elektroniker/in für Betriebstechnik: 8; Bäcker/in: 8. Berufswünsche der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber:  Kfz-Mechatroniker 26; Verkäufer/in: 25; Kaufmann/-frau im Einzelhandel: 23; Kaufmann/-frau  Büromanagement: 21;   Medizinische/r Fachangestellte/r:16; Verwaltungsfachangestellte/r (Bundesverwaltung): 13 Verwaltungsfachangestellte/r (Kommunalverwaltung): 11; Maschinen- und Anlagenführer: 9; Tiermedizinische/r Fachangestellte/r: 9; Tischler/in: 8. Kontakt zur Arbeitsagentur für  Betriebe und Jugendliche: Tel. 0 22 51/79 79 79;  Bruehl.Zukunftklarmachen@arbeitsagentur.de  und:  www.arbeitsagentur.de/beratungswunsch

Stimmt, da war ja was! Der Fachkräftemangel. Während alle Welt die Auswirkungen der Pandemie  im Auge hat, entwickelt sich dieses Problem nahezu unbemerkt weiter.

Die Agentur für Arbeit

Die Halbzeitbilanz der Agentur für Arbeit  ist da deutlich: 721 gemeldete Bewerber für Berufsausbildungsstellen gibt es im Kreis Euskirchen, das sind 114 (13,7 Prozent) weniger als vor einem Jahr. 541 gemeldete Berufsausbildungsstellen stehen zur Verfügung, gut ein Fünftel weniger als 2020. „Die Zahlen im Frühjahr sind eine erste Momentaufnahme und schwanken bis zum Sommer noch stark“, relativiert Anja Daub,  Geschäftsführerin operativ bei der Agentur für Arbeit Brühl, die für den Kreis Euskirchen zuständig ist.

Dass noch Bewegung möglich ist, zeigen dann auch die weiteren Daten der Agentur:   401 Bewerber stehen dem Ausbildungsmarkt im Kreis noch zur Verfügung. „Die schulische Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber kann sich sehen lassen“, sagt Daub.  328 Ausbildungsstellen sind noch unbesetzt, sie böten Alternativen in unterschiedlichen Bereichen. Für die, die nicht so genau wissen, wie es nach der Schule weitergehen soll, sei die Pandemie natürlich nicht hilfreich, stellt  Daub fest: Berufspraktika, mit denen  Betriebe  Jugendliche  begeistern könnten, oder Beratungen im Schulunterricht fallen  derzeit den Kontaktbeschränkungen und dem Unterrichtsausfall weitestgehend zum Opfer.    Die Agentur habe daher einiges  getan, um die jungen Menschen digital – etwa mit dem Tool „Check U“ – zu erreichen und zu beraten. 

Anja Daub hofft auch auf die Betriebe –  und das   in deren eigenem Interesse:  „Nach der Pandemie wird die Suche nach Fachkräften wieder Fahrt aufnehmen. Sorgen Sie daher lieber jetzt für Ihren eigenen Fachkräftenachwuchs. Der demografische Wandel und der damit verbundene Fachkräftemangel könnte sonst zur Krise nach der Krise werden.“

Die IHK

Im Kammerbezirk Aachen waren Ende März 940 Ausbildungsverträge eingetragen, so Waltraud Gräfen, Referatsleiterin Berufsstart bei der Industrie- und Handelskammer Aachen.  Das seien fünf Prozent weniger als zum gleichen  Zeitpunkt im Vorjahr. 146  davon fielen auf den Kreis Euskirchen. „Ganz bittere Rückgänge haben wir natürlich in der Veranstaltungs- und Tourismusbranche.“ Hier gebe es gar keine neuen Ausbildungsverhältnisse. „Es sind aber noch sehr viele Ausbildungen zu vergeben“, so Gräfen, was Unternehmer Poth bestätigt: Weniger die Pandemie sei die Bremse, sondern eher der Fachkräftemangel.     „Er kommt immer stärker zum Ausdruck“, stellt Gräfen fest.  Allein im Kreis Euskirchen seien 150 Plätze in der IHK-Lehrstellenbörse gemeldet. Ihre Botschaft: „Meldet euch. Es gibt noch sehr viele gute Ausbildungsplätze in allen Breichen.“

Das Handwerk

Am Ende des Monats schaue er immer „mit ängstlichen  Augen“ auf die Statistiken zu den  neuen Ausbildungsverträgen,  sagt Georg Stoffels, Geschäftsführer der  Handwerkskammer Aachen. Die Einbrüche waren zwar nicht so eklatant wie befürchtet, aber 2020 gab es gut 8 Prozent weniger Verträge als im Jahr zuvor. Im Kreis Euskirchen, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Uwe Günther, war der Einbruch mit 12 Prozent  noch größer.  Die körpernahen Dienstleistungen – wen wundert’s? - hat  es im Kammerbezirk  besonders erwischt, etwa mit einem Minus von 27 Prozent bei den Lehrverträgen  im Friseurbereich. Während dort die Lockdowns ausschlaggebend waren, liegt das Minus bei den Fachverkäuferinnen und Fachverkäufern im Trend der vergangenen Jahre, so Stoffels.

Auch das Kfz-Handwerk tritt bei den Lehrverträgen auf der Stelle – wohl wegen der Unsicherheit in der Branche: gestörte Lieferketten,  unklare Trends bei der Elektromobilität. Positive Entwicklungen verzeichnet Stoffels hingegen im Baubereich  mit 12 Prozent mehr Verträgen als 2019. „Das Bauhandwerk war von der Pandemie gar nicht betroffen“, teilt Stoffels mit. Wenn die Menschen mehr zuhause seien, entdeckten sie wohl auch eher den Sanierungsbedarf. 

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Derzeit biete die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer 650 offene Stellen. Stoffels und Günther, Daub und Gräfen  setzen darauf, dass sich in der zweiten Halbzeit des  Berufsberatungsjahres 2020/21 noch einiges tut – und Dominik Poth noch einen Azubi findet.

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