Notdienste in Gefahr?Apotheker im Kreis Euskirchen in Sorge: Was plant Karl Lauterbach?

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Ein Apotheker hält ein Rezept in der Hand, während er eine Medikamentenverpackung aus einer Schublade in einer Apotheke holt.

Das Apotheken-Sterben droht weiterzugehen, befürchten die Apotheker.

Die Apotheker haben zunehmend Schwierigkeiten, Notdienste zu besetzen. Geplante Reformen würden die Lage nicht verbessern, sagen sie – im Gegenteil.  

Die Apotheken im Kreis Euskirchen sehen immer größere Schwierigkeiten, die Notdienste an Wochenenden oder Feiertagen aufrechtzuerhalten. Der Grund: Es gibt immer weniger Apotheken, auf die diese Notdienste verteilt werden können. Habe es vor zehn Jahren noch 46 Apotheken im Kreis gegeben, seien es zurzeit noch 39 – Tendenz eher sinkend, so der Sprecher der Apotheker im Kreis, Dr. Thomas Göbel.

Das wird die Versorgung in Deutschland extrem verschlechtern.
Dr. Thomas Göbel, Sprecher der Apotheker im Kreis Euskirchen

Zwar plane Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun die Zulassung von Apotheken, die ohne einen Apotheker betrieben werden dürfen. Abgesehen vom Qualitätsverlust bei der Versorgung der Bürger und beim Service würde das Vorhaben Lauterbachs nach Ansicht Göbels die Probleme bei der Notdienstversorgung nur noch verschärfen.

„Denn diese Apotheken dürfen keine Notdienste leisten“, so Göbel im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das wird die Versorgung in Deutschland extrem verschlechtern.“ Und es führe zu immer weiteren Wegen im Notdienst und auch tagsüber zu einer schlechteren Versorgung.

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Diesen „Behelfs-Apotheken“, wie Göbel sie nennt, fehle nicht nur ein Apotheker mit akademischer Ausbildung, stattdessen würden sie von Pharmazeutisch-technischen Assistenten geleitet: „Sie haben auch kein Labor mehr, in dem im Notfall Medikamente hergestellt werden, beispielsweise dann, wenn pharmazeutische Hersteller nicht mehr liefern können.“ Das sei zuletzt während der Corona-Pandemie und im letzten Winter bei fehlenden Kindermedikamenten erforderlich gewesen.

Dr. Thomas Göbel steht vor seinem Geschäft in Mechernich.

Dr. Thomas Göbel und seine Kollegen kritisieren die Gesundheitspolitik der Bundesregierung.

Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, dass das Ministerium aktuell Reformen im Apothekenwesen plane. Es befinde sich dazu in Vorbereitung einer Gesetzgebungsinitiative.

„Aktuell werden zu dieser Reform Eckpunkte erarbeitet, die in Kürze vorgelegt werden sollen. Mit der Reform sollen Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor allem in unterversorgten Gebieten geschaffen werden“, hieß es aus dem Ministerium Lauterbachs. Mehr könne er noch nicht sagen, so der Sprecher: „Die Beratungen dauern noch an. Dazu sind wir im intensiven Austausch mit allen Beteiligten.“

Sprecher von Minister Karl Lauterbach bestätigt Reformpläne bei Apotheken

Die Apotheker, auch im Kreis Euskirchen, beklagen seit längerem eine „wirtschaftlich dramatische Lage“ für ihre Berufsgruppe. Seit zehn Jahren seien die gesetzlich festgelegten Honorare für die Apotheken nicht mehr erhöht worden, so Kreis-Apothekensprecher Göbel: „Bei der starken Inflation und sprunghaft steigenden Lohn-, Miet-, Energie- und Zinskosten geht den Apotheken wirtschaftlich die Luft aus.“ Zu diesem Thema äußerte sich der Ministeriumssprecher trotz Anfrage in seiner Antwort nicht.

Jede einzelne Apothekenschließung wirke sich direkt auf die Versorgungsqualität der Patienten aus, so Göbel. Es stelle sich die Frage, wie lange eine für Bürger gut erreichbare, persönliche und hochwertige Versorgung sowie ein Nacht- und Notdienst noch da sein werden.

Mit der geplanten Einführung der „Behelfsapotheken“ (Göbel) würde sich die wirtschaftliche Situation verschärfen, befürchtet Göbel: „Wenn gegenüber einer Apotheke mit dem derzeitigen Standard mit einer Mindestgröße von 110 Quadratmetern beispielsweise eine Apotheke, die kein Labor hat und mit 60 Quadratmetern auskommt, aufmacht, sorgt allein schon die niedrigere Miete für eine krasse Wettbewerbsverzerrung.“ Von den wegfallenden oder geringeren Kosten für Laboreinrichtungen und Personalkosten ganz abgesehen.

Göbel befürchtet „Behelfsapotheken“ in Mechernich und Euskirchen

Somit drohe eine Fortsetzung des Apothekensterbens – zumindest der Apotheken mit dem noch geltenden Standard. Und die Probleme, die Notversorgung aufrechtzuerhalten, nähmen zu. „Im Schnitt hat ein Apotheker zwei Notdienste im Monat“, rechnet Göbel für den Kreis vor. Das heiße, das Geschäft steht den Kunden 24 Stunden am Stück zur Verfügung. „Immer von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr am Folgetag. Am nächsten Tag übernimmt dann eine andere Apotheke die Notdienstbereitschaft“, erläutert Göbel.

Er denke zwar nicht, dass die Apotheken neuen Stils, wenn sie denn zugelassen werden sollten, sich vorrangig im ländlichen Bereich breitmachen werden: „Dafür ist die Kundenfrequenz vielleicht zu gering im Vergleich zu Städten wie Köln oder Bonn.“ Aber dass die eine oder andere Apotheke neuen Stils etwa in Euskirchen oder Mechernich eröffnen könnte, sei auch nicht auszuschließen.

Aktuell müssten sich die Bürgerinnen und Bürger aber keine Sorgen machen. „Wer dringend Arzneimittel benötigt, wird diese in einer diensthabenden Apotheke in der Nähe bekommen“, versichert Thomas Göbel. „Mit dem Nacht- und Notdienst erfüllen die Apotheken ihren im Gesetz festgeschriebenen Auftrag: nämlich die zuverlässige Versorgung mit Medikamenten.“

Notdienste leisteten nur die Apotheken vor Ort, fügt er hinzu. Ausländische Versandapotheken im Übrigen könnten diese wichtige Dienstleistung nicht anbieten.

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