Gedenken an jüdische FamiliePolizisten in Euskirchen treten für Menschenrechte ein

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Polizistinnen und Polizisten sowie Menschen in ziviler Kleidung stehen auf einer Straße und hören Michael Heinen zu.

An dem Termin nahmen auch mehr als 20 Polizeibeamte und die Extremismusbeauftragten Michael Heinen und Tina Kuhle-Gemünd der Kreis-Polizeibehörde Euskirchen teil.

Mit der Stolperstein-Verlegung wurde der jüdischen Familie Schwarz gedacht, der die Flucht aus Nazi-Deutschland gelang.

Nein, das große Polizeiaufgebot bei einer Stolperstein-Verlegung des Künstlers Gunter Demnig war nicht notwendig, um die Veranstaltung vor ungebetenen Gästen zu schützen. Auf Initiative der beiden Extremismusbeauftragten der Euskirchener Kreis-Polizeibehörde, Tina Kuhle-Gemünd und Michael Heinen, waren am Donnerstag mehr als 20 Polizeibedienstete in die Gielsgasse gekommen.

Dort wurden vor dem Haus mit der Nummer 5 sechs neue Stolpersteine für die Mitglieder der jüdischen Familie Schwarz verlegt, der schon vor dem Jahr 1938 die Flucht aus Deutschland gelang (siehe auch „Familie Schwarz“). Für die Ordnungshüter war der Termin eine Fortbildungsveranstaltung in Sachen Extremismus.

Jeder Einzelne ist verantwortlich für das, was in einer Gesellschaft passiert“
Polizeihauptkommissarin Tina Kuhle-Gemünd

„Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie: Auf diese Werte werden alle unsere Polizistinnen und Polizisten eingeschworen“, erläuterte Polizei-Pressesprecher Franz Küpper: „Beschäftigte der Polizei müssen über jeden Verdacht erhaben sein, fremdenfeindliche und/ oder diskriminierende Anschauungen zu vertreten oder auch nur zu dulden.“

Polizeihauptkommissarin Tina Kuhle-Gemünd wagte einen Blick in die deutsche Geschichte und die Zeit des Nationalsozialismus. „Ist so etwas alles nicht mehr möglich?“, fragte sie, um an Ereignisse wie den versuchten Sturm des Reichstagsgebäudes im Anschluss an eine Corona-Demonstration im Sommer 2020 zu erinnern. „Wir alle sind jeden Tag Situationen ausgesetzt, wo wir uns fragen müssen: Wo stehe ich? Jeder Einzelne ist verantwortlich für das, was in einer Gesellschaft passiert“, so die Polizistin.

Polizei NRW positioniert sich klar gegen Extremismus

Mit ihrer Teilnahme an der Gedenkveranstaltung machten die Polizeibediensteten auch deutlich, dass sie hinter einem entsprechenden Erlass des NRW-Innenministeriums aus dem Juni 2020 stehen, in dem die Aufgaben der Extremismusbeauftragten der Polizei beschrieben werden: „Extremismus gleich welcher Form, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sowie Diskriminierungen werden bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen in keiner Weise geduldet.“

Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick nannte die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig „das weltweit größte dezentrale Denkmal“. Die Stolpersteine machten das Schicksal der über sechs Millionen europäischen Juden erlebbar, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Bereits im Jahr 2019 wurde der 75 000. Stolperstein verlegt.

Allein in Kommern sind es mit den sechs neuen Steinen für die Familie Schwarz jetzt 42 Stolpersteine für ehemalige jüdische Einwohner des Ortes, im gesamten Mechernicher Stadtgebiet gibt es 53 Stolpersteine. „Und wir machen weiter mit unserem Engagement“, kündigte Gisela Freier an, die zusammen mit Elke Höver und Rainer Schulz von der Projektgruppe „Forschen, Gedenken, Handeln“ bereits die nächste Gedenkveranstaltung vorbereitet: die erste Verlegung eines Stolpersteins in Hostel. (thw)


Familie Schwarz

Die Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Schwarz in der Gielsgasse 5 in Kommern erinnern an Isidor Schwarz, seine Frau Ida, geborene Levano, und deren vier Kinder Josef, Ernst, Kurt und Greta.

Die Familie ist durch ihre Flucht der Vernichtung in Nazi-Deutschland entkommen – sie überlebten in England und in den USA. „Leider ist der Kontakt der Familie nach Kommern abgerissen, so dass wir über das Leben der Familienmitglieder nicht viel wissen“, sagte Gisela Freier.

Isidor Schwarz, Jahrgang 1870, stammte aus Embken und heiratete 1905 Ida Levano aus Kommern. In der Gielsgasse betrieb Schwarz einen Viehhandel. Nach der Flucht starb er 1940 in England. Der Sohn Kurt Schwarz kehrte nach dem Krieg noch zweimal nach Kommern zurück. 1985 nahm er an der Aufstellung eines Gedenksteins für die jüdischen Familien Kommerns teil.

„Ich werde die schöne Zeit hier nie vergessen, ich kann aber auch nicht vergessen, was damals passierte“, sagte er seinerzeit, wie in einem Zeitungsbericht zu lesen ist. Er starb im Jahr 2006. (thw)