Spektakulärer TransportRoggendorfer Fachwerkhaus schwebte davon

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Schwebte hoch über Roggendorf: das Obergeschoss des rund 200 Jahre alten Fachwerks. Es wurde per Tieflader über Nacht ins Freilichtmuseum gebracht.

Schwebte hoch über Roggendorf: das Obergeschoss des rund 200 Jahre alten Fachwerks. Es wurde per Tieflader über Nacht ins Freilichtmuseum gebracht.

Mechernich-Roggendorf – Ein spektakuläres Schauspiel bot sich Schaulustigen am Dienstag in Roggendorf. Dort schwebte am Nachmittag das komplette Obergeschoss eines Fachwerkhauses in der Luft. Das rund 200 Jahre alte Gebäudeteil wurde auf einen Tieflader verladen und in der Nacht zum Freilichtmuseum Kommern transportiert. Dort soll das ganze Gebäude wieder aufgebaut werden.

Monatelange Planungen erreichten damit gegen 16 Uhr, als das Geschoss aus seinen Angeln gehoben wurde, ihren Höhepunkt. Bereits seit einem halben Jahr seien Arbeiter immer wieder an dem Haus gewesen, berichtete Bauhistoriker Carsten Vorwig vom Freilichtmuseum. So hätten beispielsweise das Dach abgedeckt und die Dachbalken entfernt werden müssen. Die ursprüngliche Idee, das Dach am Obergeschoss zu lassen und es als Ganzes zu transportieren, habe man aufgrund einer Brücke auf der Transportstrecke wieder verwerfen müssen.

Balken für Balken

Auch das Untergeschoss lasse man zunächst stehen. Hier sei zu wenig vom originalen Gefach vorhanden und einige Balken müssten so oder so restauriert werden. Deshalb werde man diesen Teil Balken für Balken abtragen, restaurieren und dann wieder aufbauen.

Blieb vorerst stehen: Das Untergeschoss des Fachwerkhauses wird Balken für Balken abgetragen und nach Kommern transportiert.

Blieb vorerst stehen: Das Untergeschoss des Fachwerkhauses wird Balken für Balken abgetragen und nach Kommern transportiert.

Das Obergeschoss habe man vorher vom Untergeschoss gelöst und mit einem Stahlgerüst gestützt, so Vorwig ein paar Stunden vor dem Transport. „Das ist ja das Schöne an diesem Fachwerk, das ist ja eigentlich ein Stecksystem“, erklärte er. Die einzelnen Holzbalken seien ineinander gesteckt und dann mit Holznägeln befestigt. Die Nägel habe man vorab entfernt, so dass man es nun im Prinzip einfach nur heraus ziehen müsse. Das jedenfalls sei das die Theorie, sagte Vorwig.

Ganz so einfach war das Ganze dann in der Praxis nicht. Einige Balken hatten sich ziemlich verkeilt und mussten mit Hammer und Brechstange noch gelockert werden. Zudem saß noch ein Holznagel im Gebälk, den zuvor keiner entdeckt hatte. Der musste erst noch herausgebohrt werden. Gegen Viertel vor vier war es dann aber soweit und das Obergeschoss löste sich knirschend vom Rest des Hauses. „Wir machen das, weil wir möglichst viel Original-Substanz erhalten wollen“, berichtete Vorwig.

34 Tonnen

Das Fachwerkhaus sei das insgesamt fünfte oder sechste Gebäude, das das Freilichtmuseum so zur Ausstellung transportiere. Mit seinen etwa 34 Tonnen sei es aber längst nicht das schwerste, das sie bislang auf diesem Wege nach Kommern gebracht hätten. Allerdings das größte Fachwerkhaus. Im Museum soll es dann seinen Platz auf dem Marktplatz Rheinland finden, in dem die Situation des ländlichen Raumes nach dem Zweiten Weltkrieg aufbereitet werden soll.

Das könne den ein oder anderen wundern, sagte Vorwig. Denn das Fachwerkhaus aus Roggendorf wurde immerhin schon um 1808 erbaut, also lange vor den Weltkriegen. Doch es gehe bei dem Marktplatz nicht nur darum, Gebäude aus der Zeit nach 1945 zu zeigen, sondern auch solche, die den Krieg überdauerten. Immerhin sei das Haus aus Roggendorf auch bis in die 2000er Jahre hinein bewohnt gewesen und habe so den Wandel der Zeit miterlebt. „Die Mischung wollen wir zeigen, das Gewachsene“, sagte Vorwig.

Glücklich über das Angebot

Deshalb hätten sie in der Planung nach genau so einem alten Fachwerkhaus gesucht. Umso glücklicher sei das Museum über das Angebot des Eigentümers. „Das sollte abgerissen werden, und der Eigentümer hat zum Glück vorher angerufen“, berichtet Vorwig.

Im Museum wolle man das Haus später im Stile der 1960er Jahre ausstatten und darin ein Heimatmuseum einrichten. Denn das Museum habe die private Sammlung eines Lokalhistorikers aus dem Schleidener Raum erhalten. Der Mann sei Lehrer gewesen und habe im Prinzip seit den 1940er Jahren alles „aus der guten alten Zeit“ gesammelt. „Der wollte zeit seines Lebens immer ein Heimatmuseum daraus machen, hat es aber nicht geschafft“, so Vorwig. Diesen Wunsch wolle man ihm nun nach seinem Tod im Freilichtmuseum erfüllen.

2022 fertig

Bis es soweit ist, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. Er hoffe, dass das Haus im Jahre 2022 fertig gestellt sei, sagte Vorwig am Dienstag. Vorher hätte andere Gebäude Priorität. Außerdem müsse das ganze Haus ja noch restauriert und wieder zusammengesetzt werden. Transportiert wurde das abmontierte Obergeschoss in der Nacht zum Mittwoch mit Polizeieskorte. Vorab habe man etwas Sorge bezüglich möglichen Schneefalls oder Glatteis auf den Straßen gehabt, so Vorwig. Denn dann komme der Tieflader womöglich nicht den Berg zum Freilichtmuseum hinauf. „Aber es soll ja trocken bleiben“, äußerte sich Vorwig am Dienstagnachmittag optimistisch. Für ihn und viele andere Mitarbeiter sei das Ganze trotz ihrer Erfahrung eine spannende Geschichte.

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Immerhin habe man in vielen Arbeitsgruppen monatelang auf diesen Augenblick hingearbeitet. Das war auch in Roggendorf zu beobachten. Neben den an der Aktion beteiligten Arbeitern und einigen Schaulustigen hatte sich eine große Zahl an Museumsmitarbeitern versammelt, um dem Schauspiel des fliegenden Obergeschosses beizuwohnen.

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