Historische Berichte über PandemieSo wütete die Spanische Grippe an Rhein und Wupper

Lesezeit 3 Minuten
dpa Spanische Grippe

Patienten, die an der Spanischen Grippe erkrankt sind, liegen in Betten eines Notfallkrankenhauses im Camp Funston der Militärbasis Fort Riley in Kansas (USA) (Aufnahme von 1918). Es gibt kaum Fotos aus dieser Zeit aus Leverkusen und Umgebung.

  • Ein Aufsatz befasst sich mit den Auswirkungen der Spanischen Grippe an Rhein und Wupper.
  • Wie haben damals die Medien aus Opladen, Solingen, Köln und dem Bergischen Land über die Seuche berichtet?
  • Unser Autor Jan Sting hatte sich im vergangenen Jahr mit dem Aufsatz befasst. Lesen Sie hier seinen Bericht aus dem Archiv.

Rhein-Berg – Die Geschichten waren abenteuerlich. Der Umgang mit alten Büchern, unsaubere Pyjamas, zu leichte Kleidung oder geschlossene Fenster wurden als Ursache der Spanischen Grippe genannt, die gegen Ende des Ersten Weltkriegs gebietsweise für weitaus mehr Tote sorgte als das Kriegsgeschehen. 17 Millionen Menschen starben Schätzungen zufolge durch den Krieg. Zwischen 25 und 50 Millionen Menschen sollen an der Seuche gestorben sein.

„Dennoch ist der Erste Weltkrieg im kollektiven Gedächtnis als das alles andere überragende Ereignis verankert. Die Spanische Grippe dagegen ist aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit verschwunden“, schreibt Heinz Schrenk in seinem Aufsatz: „Das Kriegsende an Rhein und Wupper: der Hunger, die verlorene Schlacht und die Spanische Grippe“ erschienen in den „Aufsätzen zur deutschen Geschichte“ Band 1. Herausgeber ist die Arbeitsgemeinschaft Genealogie und Geschichte Leverkusen (AGGL). Zu den Autoren gehören neben Heinz Schrenk, Hans-Jürgen Dorn, JoannaMattisenundHans Mittler.

digas-161659073_MDS-KSTA-2019-01-04-71-142273495

Einen Wiesdorfer Musiker traf es.

Schrenk hat sich mit der Berichterstattung im Bergischen Raum befasst. Die Informationen über die Grippe waren seinen Recherchen zufolge damals sehr dürftig, teilweise haarsträubend falsch. Als wohlmeinende Ratschläge wurde zum Beispiel der Verzehr von Rote Beete empfohlen, was ein Indiz für die Hilflosigkeit gegenüber der Pandemie sein dürfte. Sie verliefindreiWellen, bracherstmals im Frühjahr 1918 aus, gefolgt von einer zweiten Welle im August 1918. Die dritte Welle dann setzte im Frühjahr 1919 ein. Wie Schrenk darlegt, wird der Ausbruch in einem Militärlage rin Kansas in den USA vermutet. Die Truppen brachten die ansteckendeKrankheit nach Europa. „Blitz-Katarrh, Flandern-Fieber, Drei-Tage-Grippe oder eben Spanische Grippe, so wurde die Erkrankung allgemein bezeichnet“, erklärtSchrenk.

DieZensur aller am Krieg beteiligten Länder sorgte dafür, dass möglichst wenig Zusammenhänge zum Kriegsgeschehen hergestellt wurden. Spanien indes war am Krieg nicht beteiligt und dementsprechend wurden die Zeitungen dort nicht zensiert. Über die Infektionder SpanischenKönigin berichteten dann auch die Blätter der kriegsführenden Staaten ausführlich, folglich wurde die Welle der Berichte zum Namensgeber. Die Presse, so Schrenk, lieferte damals in derRegion Informationen auf „nie gekanntem Niveau“.

So berichteten die Medien

Es gab die Opladener Zeitung, die Bergische Arbeiterstimme aus Solingen und im Kölner Raum den Stadt-Anzeiger zur Kölnischen Zeitung, das Kölner Tageblatt, die Kölnische Volkszeitung oder den Kölner Lokalanzeiger. Durch das Belagerungsgesetz seien aber die Möglichkeiten, die Bevölkerung zu informieren, sehr eingeschränkt gewesen. „Die militärischen Zensurbehörden ließen generell alle Texte entfernen, die für die eigene Sache schädlich sein konnten.“ Folglich gab es Raum für Spekulationen. Auch das von der Firma Bayer hergestellte Medikament Aspirin geriet in den Verdacht, den krankheitsauslösenden Giftstoff unter die Menschen der Feindstaaten zu verbreiten.

Die Bergische Presse berichtete im Mai 1918 von einer rätselhaften Krankheit aus Spanien, die aber noch weit weg sei. Doch rasend schnell und unaufhaltsam war derVerlauf der Pandemie. Die Berichte schildern, dass öffentliche Vergnügungsorte wie ausgestorben wirkten. Der Eisenbahnverkehr war gestört, da auch viele Beamte von der Krankheit betroffen waren. Allerdings: „Dass die Grippe Meldungen bis in die letzte Oktoberwoche in den Rubriken „Aus aller Welt“oder„Vermischtes“verblieben,ist sicherlich der Zensur zuzuschreiben, auch wenn dafür gegenwärtig kein Beweis erbracht werden kann“, so Schrenk.

Die Opladener Zeitung vermeldete am19.Oktober 1918 aus dem Verbreitungsgebiet der AOK von „bisher 5 bis 6000 Krankmeldungen wöchentlich.“ Diese seien ab dem 6. Oktober auf 720 gestiegen. Die Bergische Arbeiterstimmer wiederum berichtete aus dem Kreis Solingen, dass die Schulen in der Region geschlossen wurden. Und Geistliche erhielten die Anweisung, den Aberglauben zu vertreiben, der sich mit der Grippe eingestellt hatte. Und auch das angebliche Allheilmittel Alkohol sei bei der Krankheit unangebracht.

KStA abonnieren