Gänsehaut-MomenteTherapiepony Müsli erreicht die Herzen vieler Kranker

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Chantal Schmitz bringt Müsli auch kleine Kunststücke wie „Männchen machen“ bei, das kommt bei Kindern gut an.

Chantal Schmitz bringt Müsli auch kleine Kunststücke wie „Männchen machen“ bei, das kommt bei Kindern gut an.

  • Vor einem Jahr wurde aus "Stardancer" das Therapiepony "Müsli".
  • Die Wirkung des süßen Minipferdes auf Kranke ist oft erstaunlich.
  • Krankenpflegerin Chantal Schmitz erlebt mit dem Pony oft Gänsehaut-Momente.

Leichlingen – Man kann Pferden beibringen, Treppen zu gehen. Ungeliebte, dunkle Räume zu betreten. Küsschen geben und Kopf schütteln. Eins kann man sie nicht lehren: Empathie. Müsli hat sie. Und den Rest hat Chantal Schmitz ihm beigebracht.

Müsli hat eine blonde Wuschelfrisur, treue, dunkelbraune Augen und mit zwei Jahren und vier Monaten eine Körperhöhe von 86 Zentimetern. „Da kommt auch nichts mehr“, sagt seine Besitzerin lachend. Müsli ist ein american miniature horse, ein Minipony. Und er hat ein Handycap: Eine Hüftdysplasie, die ihn zum Reiten untauglich macht.

Daher wurde er im Alter von einem Jahr von seinem Besitzer ausgemustert und von Chantal Schmitz aufgenommen. „Ich hatte immer Pferde, aber reiten wollte ich eigentlich nicht mehr“, sagt die Mitarbeiterin des ambulanten Pflegedienstes Sorgende Hände in Leichlingen. Also passten sie und Müsli schon einmal gut zusammen.

Was konnte sie nun mit dem kleinen Kerl anfangen, fragte Schmitz sich – und Google. Und fand heraus, dass Miniponys in den USA schon erfolgreich in der Therapie eingesetzt werden. Heute trägt Müsli ein Geschirr, auf dem auf der einen Seite sein Namen steht und auf der anderen Seite „Therapiepony“.

Immer Ruhe bewahren

Eine wirkliche Ausbildung gibt es dafür in Deutschland nicht – im Gegensatz zu Reitpferden zu Therapiezwecken. Also hat Schmitz ihm selbst beigebracht, auch in stressigen Situationen die Ruhe zu bewahren, Treppen zu steigen und Räume zu betreten. Und in ihren Ford Transit einzusteigen, den sie zum Minipferde-Transporter umgebaut hat.

Auf dem Reiterhof kam ein erster Kontakt mit einer Mitarbeiterin einer Einrichtung für schwerbehinderte Kinder zustande. Die besuchte Schmitz mit Müsli. Und die Betreuer trauten ihren Augen nicht. Das Minipferd ging zu einem Jungen im Rollstuhl, der wegen einer schweren Spastik mit den Händen um sich schlug – und legte den Kopf auf seinen Schoß. Der Junge wurde ganz ruhig und ließ Müsli beim anschließenden Spaziergang nicht aus den Augen, auch wenn er dafür den Kopf drehen musste, was ihm sonst schwer fiel.

Die Betreuer hatten das Kind noch nie so erlebt, berichtet Schmitz. Und sie selbst war erstaunt von Müslis Verhalten. Das Pony war in dem Trubel ganz ruhig und konzentriert „nicht so hampelig wie sonst“. Empathisch eben. Ob es sich aufgrund seiner eigenen Beeinträchtigung mit den Kindern verbunden fühlt? „Kann sein, wer weiß das schon“, sagt Schmitz. Empathie eben.

Überraschende Wirkung

Die Wirkung des süßen Minipferdes testete sie daraufhin bei einem dementen Mann, der seit zwei Jahren kaum noch ein Wort gesprochen habe. „Als er Müsli sah, sagte er: »Ja komm mal her, wer bist Du denn?«. Das war Gänsehaut pur“, berichtet Schmitz. Auf ihrem Instagram-Account „chantis_muesli“ berichtet sie seitdem von den Erlebnissen mit ihrem Therapiepony und hat schon viele Reaktionen bekommen. Derzeit macht sie die Besuche ehrenamtlich. Wohin sich das Ganze entwickelt – das muss die Zeit nach Corona zeigen.

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Müsli hieß übrigens früher „Stardancer“. „Das schien mir in Anbetracht der Hüftgeschichte doch ziemlich verfehlt“, sagt Schmitz. Und warum dann Müsli? „Ich dachte: Müsli, das mag jeder.“ Und wer könnte ein Minipony mit blonder Mähne und braunen Augen, das bereitwillig Küsschen gibt, nicht mögen?

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