Prozess nach Messermord in Leichlingen„Mein Bruder hat mir immer Angst gemacht“

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Die Spurenlage lässt Raum für Zweifel: Deshalb sagen im Prozess um den mutmaßlichen Muttermord in Leichlingen eine ganze Reihe Zeugen aus.

Leichlingen – „Das eine ist die Krankheit. Und das andere ist der Charakter.“ Fast dreieinhalb Stunden unterzieht sich am zweiten Tag des Mordprozesses gegen Klaus F. (Name geändert) die Schwester des Angeklagten einer Befragung vor dem Landgericht. Das ist extrem belastend für die 44-Jährige. Sie geht fest davon aus, dass es tatsächlich ihr Bruder war, der Mitte März die Mutter der beiden erstochen hat. Was aber noch zu beweisen ist.

Der schwer psychisch kranke Mann sitzt ihr schräg gegenüber im Saal 2 des Gerichts. Einen Blickkontakt gibt es trotzdem nicht zwischen den Geschwistern. Der Angeklagte hat den Blick gesenkt; als es besonders hart wird für ihn, zieht er sich für eine Zeit die Mütze auf den Kopf.

Als Kind schwer gemobbt

Die Schwester zeichnet das Bild eines Jungen, der es schon in der Grundschule an der Uferstraße schwer hatte. Auch in der Nachbarschaft habe es Probleme mit anderen Kindern gegeben: „Der ist immer so schlimm gemobbt worden.“

Aber das sei es eben nicht nur gewesen: „Mein Bruder hat mir halt immer Angst gemacht“, fasst sie zusammen. Und schluchzt ein weiteres Mal. Sie weiß, dass Klaus der Meinung ist, dass sie immer bevorzugt worden ist. Vor allem vom Vater, der ein meist unzugänglicher Mann war. In diesem Punkt sind sich die ungleichen Geschwister immerhin einig. Am Dienstag hatte der Angeklagte seine Schwester als „Wonneproppen“ bezeichnet, der immer Papas Liebling gewesen sei.

Hoffnungsschimmer Landrat-Lucas-Schule

Am Mittwoch wird die Situation anders dargestellt. Der Bruder sei nicht nur Opfer gewesen, sondern auch Täter. Die Schwester erinnert sich noch sehr genau an die eine oder andere Begebenheit, in der sie schikaniert worden sei.

Als Klaus F. mit Absicht nicht auf das Leichlinger Gymnasium, sondern nach Opladen zur Landrat-Lucas-Schule wechselte, schien sich seine soziale Lage zu verbessern. „Da hatte er das erste Mal einen Freund“, teilt die Zeugin ihre Beobachtung mit dem Gericht.

Drogenkonsum beginnt schon früh

Aber das habe nicht lange gehalten. Irgendwann wollte Klaus F. unbedingt beim „Grillmeister“ arbeiten und Geld verdienen. Mit Blick auf seinen wohl mit 15 Jahren beginnenden Drogenkonsum ist das für die Schwester logisch: Er brauchte Geld, um das Cannabis zu finanzieren. Sie besuchte in der Zeit die Musikschule.

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Mit seinem regelmäßigen Drogenkonsum begann für Klaus F. offenbar ein unaufhörlicher Abstieg. Zu Hause sei die Situation immer unerträglicher geworden; wegen Kleinigkeiten habe es ständig Streit gegeben und sie habe ihrem Bruder immer nachgegeben. Ergebnis: „Ich saß auf einem Pulverfass.“

Als die Eltern den 18-jährigen nicht lange vor dem Abitur nicht mehr daheim haben wollten, sei sie „erleichtert“ gewesen. Wenn sie etwas von ihrem Bruder mitbekam, war sie hin- und hergerissen zwischen Abscheu und dem Wunsch nach Harmonie. Ein Schlaglicht: Als sie ihn eines Tages bettelnd in der Opladener Fußgängerzone sitzen sah, ging sie vorbei ohne hinzuschauen.

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