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„Fühlte mich vom Fußballgott verraten“Reiner Calmund predigt in Wiesdorf über Gott und die Welt – und findet klare Worte zum Krieg

Lesezeit 3 Minuten
Reiner Calmund in der Christuskirche.

Reiner Calmund predigt in der Christuskirche - und die Menschen hören ihm gebannt zu.

Reiner Calmund, Ex-Manager von Bayer 04, stellt sich in der Christuskirche ans Pult und spricht über Gott, die (Fußball-)Welt und den Krieg in der Ukraine.

Wenn die Grenzen zwischen Kirche und Fußballplatz verschwimmen und Reiner Calmund im Sonntagsgottesdienst mitpredigt, kann es sich nur um einen von Pfarrer Siegfried Eckerts besonderen „Drei-Fragezeichen-Gottesdiensten“ handeln. Diese sollen, so Eckert, das Evangelium „dialogischer“ gestalten.

So sprechen die beiden über Verrat, Aggressionen und Demut – aber nicht, wie man das aus der Kirche gewohnt ist, sondern natürlich auf die „Calli“-Art: ehrlich und klar. So äußert sich Calmund in der Christuskirche auch zum Thema Waffenlieferungen in die Ukraine. Und dafür gibt es Applaus.

Für Calli gibt es keinen Fußballgott

„Haben Sie sich in Ihrem Leben schon mal verraten gefühlt?“, ist jedoch zunächst einmal Eckerts Einstiegsfrage an Calmund. „Und wenn ja: Was gab Ihnen die Kraft, damit umzugehen?“ Calmund erinnert sich: „Als wir 2002 drei Titel verspielten, fühlte ich mich tatsächlich vom Fußballgott verraten.“ Doch dann habe er eine Erkenntnis gehabt: „Mir wurde bewusst, dass es keinen Fußballgott gibt und der wahre Gott sicherlich Wichtigeres zu tun hat, als dafür zu sorgen, dass eine kleine Werkself das große Real Madrid bezwingt.“

Als nächstes möchte Eckert wissen: „Wie sind sie in ihrem Leben mit Aggressionen umgegangen?“ Callis Antwort: „Im Laufe meines Lebens habe ich natürlich mal gepoltert, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Etwa wenn ein Mitarbeiter nicht so zündete, wie ich es erwartet hatte.“ Und auch Schiedsrichter oder gegnerische Manager hätten „ihr Fett weg gekriegt“. Er betont aber auch: „Tatsächlich war ich immer – und bin es bis heute – ein Harmoniemensch.“ Er wünsche sich nichts mehr, als Frieden in jeder noch so kleinen und fernen Ecke.

Zwiegespräch über den Ukraine-Krieg

In dem Zusammenhang kommen die beidem im Zwiegespräch auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen. „Haben sie eine Meinung zu dem Thema Waffenlieferungen ?“, fragt Eckerts vorsichtig. Und, ja: Calmund hat eine klare Meinung und findet Worte, die deutlicher nicht sein könnten: „Wir haben in dieser Situation einen Aggressor, der bekämpft werden muss!“ Er ordnet ein: „Ich will eines klar sagen: Ich bin grundsätzlich gegen Waffen. In der Ukraine ist das Kind aber schon im Brunnen.“ Zudem: „Ich bin weit davon entfernt, den Russen alleine die Schuld für alles Schlechte in der Welt zuzuweisen. Aber sie haben die Ukraine überfallen und bedrohen ihre Integrität.“ Deshalb müsse der Ukraine geholfen werden.

Als er sich an den zweiten Weltkrieg erinnert, wird Calmund laut: „Der zweite Weltkrieg, das waren 60, 70 Millionen Tote – haben wir das schon vergessen? Der konnte auch erst beendet werden, als Deutschland militärisch besiegt war.“ Demnach könne man Verhandlungen mit einem Verbrecherischen System erst dann starten, wenn die Verbrecher nicht mehr „am Ruder“ sind.

Bezüglich des Fußballs habe er, Calmund, immer gesagt: „Wir brauchen Typen.“ Und es brauche auch in der Gesellschaft Typen mit Ecken und Kanten. „Aber was wir nicht brauchen, sind Vollidioten“, sagt er gen Ende– und haut dabei nach jedem Wort kräftig mit der flachen Hand auf das Rednerpult und wird noch einmal emotional. Dennoch: Neben Waffen sieht er die Lösung in Gesprächen: „Jedes gesprochene Wort ist besser, als eine verschossene Patrone.“

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