Wenn zwei Musikerinnen mit Witz, Virtuosität und Herzblut die berühmteste Liebesgeschichte der Weltliteratur neu erzählen, verwandelt sich Oper in ein leichtes Erlebnis.
„Oper légère“In Leverkusen gibt es Romeo und Julia für alle

Franziska Dannheim und Jeong-Min Kim (Flügel) verwandeln eine große Oper in ein leichtes, kluges und verführerisches Erlebnis.
Copyright: Timon Brombach
Oper – aber in light, frisch und zum Mitnehmen, so das Versprechen. Aus dem Forum Studio tauchen Besucher am Sonntagabend in eine andere Zeit: Es ist Verona, 16. Jahrhundert, Hitze liegt über den Gassen und zwei junge Menschen wagen das Unmögliche. Doch was nach schwerem Opernabend klingt, wirkt bei Franziska Dannheim und Jeong-Min Kim am Flügel wie ein lauer Sommerwind – voller Wärme, Leichtigkeit und dennoch mit Schärfe, wenn es die Musik verlangt.
„Oper légère“ heißt ihr fast zwanzig Jahre bewehrte Format und der Name ist Programm: nur eine Stimme und ein Piano. Aber wie viel darin steckt, zeigt sich schon in den ersten Minuten. Dannheim singt Bellinis Belcanto-Linien – endlos lange, geschmeidige Melodiebögen, die sängerisch höchste Atemkontrolle und Ausdruckskraft verlangen – mit gläserner Klarheit und wechselt danach fast beiläufig in die Rolle der Erzählerin. Sie nimmt die Zuhörer bei der Hand, erzählt von verfeindeten Familien, von Schicksal und Zufall. Einfach. Verständlich.
Forum Leverkusen: Bellini trifft Gounod
Dass Vincenzo Bellini, der Fürst des Belcanto, in diesem Jahr seinen 190. Todestag hat, bekommt einen eigenen Nachhall: Seine „I Capuleti e i Montecchi“ blitzen im Forum mit all den verzierten Linien auf, die den Atem anhalten lassen. Charles Gounods französische „Roméo et Juliette“ dagegen bringt die Herzensmelodien, die sich mit Leichtigkeit ins Ohr legen. Zusammen entsteht eine musikalische Erzählung, die zeigt: Liebe ist immer mehrstimmig – italienisch verziert, französisch schwärmerisch, aber immer von derselben Sehnsucht durchzogen. Die Unterschiede der Werke sind gut aufbereitet. Jeong-Min Kim, „Generalmusikdirektorin“, wie Dannheim sagt, lässt den Flügel klingen, als ob ein ganzes Orchester im Studio säße. Mit federndem Anschlag malt sie die Stimmungen, verdichtet die Dramatik und schenkt den lyrischen Momenten feine Schattierungen. Das Publikum lauscht, als hielte es den Atem an – so unaufdringlich und doch tragend wirkt ihr Spiel.
Große Kunst ohne Dünkel, Emotionen ohne Kitsch
Zwischen den Arien spricht Dannheim so, als säße sie mit den Zuhörenden am Tisch. Ab und zu unterbricht sie auch einfach mitten im Singen, um einen Gedanken loszuwerden. Ihre Moderationen sind nie trocken, sondern charmant, humorvoll, manchmal augenzwinkernd. „Spontane Massentrauung möglich“, ruft sie an einer Stelle ins Studio – und tatsächlich wirkt es, als ob das Publikum für einen Moment selbst in den Bann einer großen Liebesgeschichte gezogen würde: „Ja!“
Die Tragik bleibt spürbar, aber sie wird getragen von einem Grundton des Leichten, des Verständlichen. Am Ende ist es genau diese Mischung, die den Abend so besonders macht: große Kunst ohne Dünkel, Emotionen ohne Kitsch, Bildung ohne Belehrung. „Oper légère – Romeo und Julia“ gelingt das Kunststück, Oper gleichzeitig zu entzaubern und neu zu verzaubern. Wer gekommen ist, weil er Oper liebt, geht beschwingt. Wer gekommen ist, um Oper endlich zu verstehen, verlässt das Forum als neuer Liebhaber. Überraschung: Große Gefühle und leichte Formen stehen in keinem Widerspruch.