Vor 50 JahrenAls Leverkusen weltweit wegen einer Badewanne bekannt wurde

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Harry Plein hält ein Foto der Badewanne.

Harry Plein zitierte die Badewanne von Beuys in einer eigenen Arbeit.

Am 3. November vor 50 Jahren wurde in Leverkusen eine Badewanne geschrubbt – mit ungeahntem Echo.

Die Geschichte von der Babybadewanne, der SPD und dem Bier gehört sicher zu den Legenden, die für immer im kollektiven Gedächtnis der ewig jungen Stadt Leverkusen bleiben werden. Manches wurde später falsch erzählt, der Kern dieser Geschichte spielte vor genau 50 Jahren.

Schon damals war es Parteien möglich, im Schloss Morsbroich Feiern abzuhalten. Auch der Alkenrather SPD-Ortsverein nutzte diese Möglichkeit, Morsbroich ist ja quasi die gute Stube Alkenraths, das Schloss liegt noch so grade im Viertel. Einer der Augenzeugen der Feier ist Dieter März, der als 23-Jähriger anwesend war. Er sagt: „Es gab bei der SPD viele Feste früher und es wurde auch immer ordentlich getrunken.“  

Gesucht wurde eine Möglichkeit zum Gläserspülen. Im Keller sei man fündig geworden, sagt März, dort stand die kleine Badewanne, die verschmiert und mit Leukoplast-Pflastern beklebt gewesen sei. „Die stand zwischen Stühlen und anderem Kram, in einem Abstellraum“, sagt Dieter März. Tatsächlich wird es sich um einen Magazinraum gehandelt haben, in dem wohl auch Stühle gestanden haben, die der Hausmeister und Genossen noch für weitere Gäste nach oben holen wollten.

Leverkusen: Bei der SPD wurde viel gefeiert

Die kleine Wanne nahmen zwei Genossinnen mit, entfernten die Pflaster und schrubbten sie blitzblank. Weil sie erhöht auf einem Gestell steht, sei sie „ideal zum Spülen der Kölschgläser gewesen“, sagt März, der freilich zugibt, dass auch er die genauen Umstände dieser Aktivitäten der beiden Genossinnen nicht wirklich mitbekommen habe. Vielleicht, weil solche Arbeiten im Hintergrund, damals noch mehr als heute, meist den Frauen überlassen wurden. Der Hausmeister, der die Entnahme aus dem Magazin so leichtfertig hingenommen habe, sei angetrunken gewesen, „hackevoll“, sagt März.  Der Schaden wird auf 80.000 Mark beziffert.

Peinlich: Die Wanne war ein Kunstobjekt von Joseph Beuys, der sie mit Heftpflaster, Mullbinden, Fett und Kupferdraht bearbeitet hatte. Nach Leverkusen war sie als Leihgabe des Kunstsammlers Lothar Schirmer gekommen, sie tourte in der Wanderausstellung „Realität-Realismus-Realität“ des Wuppertaler Von-der-Heidt-Museums durch diverse Städte, darunter Leverkusen. Wann im Museum aufgefallen ist, was da tatsächlich geschehen ist, ist nicht ganz klar. Die beiden Frauen mit dem Sinn für Sauberkeit, Marianne Klein und Hilde Müller, sind leider beide schon länger tot. März sagt, erst als die Wanne zurück beim Sammler war, sei das aufgefallen. Laut Spiegel soll Schirmer gesagt haben, die saubere Wanne sehe aus wie ein rasierter Kaktus.

Leverkusen: Alle hielte dicht

Was selten ist: Alle, die was wussten, hielten dicht. Erst zwei Jahre nach der Putzaktion der beiden Genossinnen bekam der Spiegel als erste Zeitung Wind von der Sache, aber schon da wurde schon seit Monaten über Schadensersatz verhandelt. Danach beschäftigten sich alle großen Zeitungen mit der Wanne, von der Frankfurter Allgemeinen bis zum Stern, sogar weltweit wurde über das Alkenrather Missgeschick berichtet.

Die Frage, was noch Kunst sei, war neu angefacht. Sogar eine Werbung für das Scheuermittel „Ata“ bezog sich auf die Geschichte. Für die Boulevardzeitungen ein wahres Festmahl – fürs Museum war’s eine peinliche Sache. Und bei der SPD? „Wir haben Angst gehabt, dass Regress auf uns persönlich zukommt“, sagt März. Man habe den damaligen Ortsvereinsvorsitzenden Otto Massmann abgewählt und durch einen Studenten ersetzt, „weil bei dem nichts zu holen gewesen wäre“.

Joseph Beuys soll sauer gewesen sein, soll es abgelehnt haben, das Kunstwerk noch einmal zu bearbeiten, er tat es dann aber vier Jahre später doch. So kommt es, dass Leverkusen heute in die offizielle Beschreibung der Babybadewanne aufgenommen wurde: „Joseph Beuys, Badewanne, 1960, Weißes Email, Heftpflaster, Klebeband, Mull, Fett, Ölfarbe, Kupferdraht, vom Künstler neu bearbeitet in München 1977 nach Beschädigung in Leverkusen 1973.“ Zu besichtigen ist sie im Lenbachhaus in München. Unklar ist, ob sie noch einmal nach Leverkusen ausgeliehen würde. 

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