Für Leverkusen geht es um mehr als zehn Millionen Euro.
Konflikt mit KrankenkassenStadt Leverkusen fürchtet Unterfinanzierung des Rettungsdienstes

Die Krankenkassen wollen Fehlfahrten des Rettungsdienstes nicht mehr wie bisher finanzieren.
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Die Stadt Leverkusen fürchtet eine Unterfinanzierung des Rettungsdienstes. In einem Konflikt mit den Krankenkassen geht es um fast zehn Millionen Euro für Fehlfahrten des Rettungsdienstes, die – laut Stadt – die Krankenkassen übernehmen müssten, das aber nicht mehr wollen. Damit verließen die Kassen „das bis dato gängige Kostendeckungsprinzip“, heißt es aus dem Rathaus. Ein Überblick, worum es genau geht.
Wie finanziert sich der Rettungsdienst grundsätzlich?
Das ist einigermaßen kompliziert. „Vom Grundsatz her trägt die Stadt Leverkusen die vollständigen Kosten“, steht in einer Mitteilung der Verwaltung, das heißt für Kosten für Notfallfahrten, Personal und Infrastruktur. Nach Sozialgesetzbuch können die Rettungsdienstträger, also die Stadt, Fahrten mit den Krankenkassen abrechnen.
Worauf beruht die Beteiligung der Krankenkassen?
Auf einem Rettungsdienstbedarfsplan. Den muss die Stadt Leverkusen gemäß Rettungsdienstgesetz erstellen. Die Krankenversicherungen haben die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. „Ein Einvernehmen mit den Kostenträgern (den Krankenkassen, d. Red.) ist anzustreben“, so die Stadt. Klappt das nicht, muss die Bezirksregierung vermitteln. Letztlich bildet der Bedarfsplan dann die Grundlage für die Gebührensatzung, die die Kosten für die Krankenkassen im Detail regelt. „Auch hier soll ein Einvernehmen zwischen der Stadt Leverkusen als Trägerin des Rettungsdienstes und den Kostenträgern angestrebt werden.“ So weit die Theorie.
Wo liegt das aktuelle Problem?
Bei den Fehlfahrten und der Gesetzgebung dazu. Denn eine Bundesgesetzgebung dazu gibt es nicht. Es gilt die Landesgesetzgebung. Die wollen die Versicherungen aber nicht mehr akzeptieren. Die neue Rechtsauffassung der Kassen lautet vereinfacht: Sind die Kosten nicht bundesweit geregelt, könne man diese nicht übernehmen. Die neue Rechtsauffassung basiert auf einem Vorstandsbeschluss der Krankenversicherungen.„Das Land habe keine Befugnis“, zitiert die Stadt die Kassen aus Gesprächen dazu.
Die Stadt schreibt: Fehlfahrten zählen zu Unterstützungsleistungen, die in die Gebührenkalkulation für die Krankenkassen integriert werden können. Gesetzlich sind die Krankenversicherungen verpflichtet, Fahrtkosten zu übernehmen, „sofern diese medizinisch notwendig sind“. In Leverkusen habe man die Kosten für die Fehlfahrten seit vielen Jahren hälftig geteilt, den einen Teil zahlt die Stadt, den anderen zahlen die Krankenkassen.
Um wie viel Geld geht es?
Insgesamt um fast zehn Millionen Euro – bisher. Die Stadt hat nach eigener Aussage die neue Leverkusener Fassung für die Gebührensatzung am 14. März dieses Jahres eingereicht. Am 15. Mai sei bei einem Gespräch zwischen Stadt und Krankenversicherungen herausgekommen, dass die Kassen den Ausgleich bei den Fehlfahrten für die Jahre 2018 bis 2020 nicht mehr zahlen wollen, „entgegen vorheriger Absprachen“. Das ergebe eine Unterdeckung von rund 1,4 Millionen Euro. Die könne nicht mehr in die neue Satzung aufgenommen werden, die dem Rat dieses Jahr noch vorgelegt werden soll.
Teil davon ist auch die Finanzierung der Fehlfahrten für die Jahre 2021 und 2023, auch hier lehnen die Kassen ab, die Hälfte zu bezahlen. Das macht noch mal ein Minus bei den Einnahmen von den Kassen von rund 9,3 Millionen Euro für die Stadt. 2022 hatte der Rat die aktuelle Gebührensatzung beschlossen, deshalb wollen die Kassen die Unterdeckung für jenes Jahr übernehmen.
Wie begründen die Kassen das?
Damit, dass die letzte Satzung drei Jahre zurückliegt. Damit habe die „Stadt Leverkusen eine willentliche Unterdeckung in Kauf genommen“. Diese Rechtsauffassung weist die Stadt zurück, stattdessen verweist die Verwaltung um Dezernentin Andrea Deppe, die für den Rettungsdienst zuständig ist, auf die geübte Praxis. Sie sagt: „Wir haben uns auf eine Absprache mit den Krankenkassen verlassen, die von diesen nun so nicht mehr mitgetragen wird.“ Man müsse nun die Ergebnisse der aktuell laufenden Spitzengespräche abwarten. Deppe zeigt sich optimistisch: „Hier erwarte ich eine klare Entscheidung zugunsten der Kommunen.“
Was tut die Stadt bis dahin?
Zunächst: Kräfte bündeln. Zum Beispiel mit dem Städtetag NRW und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren. In der Verwaltung sollen Mitarbeiter aus den Fachbereichen Feuerwehr, Recht und Ordnung sowie Finanzen dafür zusammenarbeiten. Bisher hat die Finanzabteilung das Thema alleine bearbeitet. Die Verwaltung prüft zudem, welche Auswirkungen es hätte, eine Gebührensatzung ohne Einvernehmen mit den Kassen zu verabschieden. Weil sich das Ganze wohl noch hinziehen wird, soll die Rettungsdienst-Gebührensatzung nun jährlich fortgeschrieben werden. Wegen hoher Fluktuation und längerer Ausfallzeiten habe sich die Bearbeitung in den vergangenen Jahren immer wieder verzögert. Und zurzeit beherrsche nur ein Verwaltungsmitarbeiter die „komplexe Berechnung“ für die Gebührensatzung. Das will die Stadt jetzt auch ändern und eine personelle Reserve dafür aufbauen.
Wie will die Stadt die fehlenden Einnahmen kompensieren?
Diese Entwicklung ist angesichts der aktuellen Haushaltslage der Stadt Leverkusen fatal. Die Verwaltung habe inzwischen „die Abläufe im Bereich Katastrophenschutz und Notfalldienst optimiert“. Seit dem 1. Oktober fordert die Stadt zum Beispiel ausstehende Rettungsdienstgebühren „mit Hochdruck“ ein. 14 Monate habe der Rückstand betragen, den Mitarbeiter der Feuerwehr mit Unterstützung von drei Kräften des Job Service Leverkusen (JSL) auf rund eineinhalb Monate reduziert hätten. Dadurch habe man rund 9,4 Millionen Euro eingenommen, schätzt die Stadt. Gegenrechnen lässt sich die Summe in der Bilanz allerdings nicht, denn die Einnahmen stehen der Stadt ohnehin zu.