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Wenn Legenden aufeinander treffenElvis Costello und die WDR Big Band spielen in Leverkusen

4 min
Elvis Costello spielte bei den Jazztagen erstmals mit der WDR Big Band.

Elvis Costello spielte bei den Jazztagen erstmals mit der WDR Big Band.

Der Engländer und die renommierte Band stehen zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne.

Acht Songs dauert es, bis Elvis Costello selbst zur Gitarre greift. Bei „Jimmi standing in the rain“, so erzählt es der 71-jährige Engländer am Mittwochabend im Leverkusener Forum, habe er beim Schreiben an seinen Großvater gedacht, der in den 1920er-Jahren als Schiffsmusiker auf dem Wasser unterwegs gewesen sei. „Forgotten Man of an indifferent nation, waiting on a platform at a Lancashire station, somebody's calling you again, the sky is falling, Jimmie's standing in the rain“ säuselt Costello ins Mikrofon, begleitet von Michael Leonhart an der Trompete.

Die Kollaboration, die an diesem Abend im Rahmen der Leverkusener Jazztage zu hören ist, hat es so bisher noch nie gegeben: Elvis Costello trifft die WDR Big Band, die von Michael Leonhart dirigiert wird. Eine echte Legende steht da auf der Bühne. Obwohl es eigentlich mehrere sind. Auch der WDR-Klangkörper ist seit Jahrzehnten in der ganzen Welt hoch angesehen. Das macht auch Dirigent Leonhart deutlich, es sei immer schon ein Traum gewesen, diese Big Band zu dirigieren. Leonhart ist in der Szene im Übrigen kaum weniger prominent, hat mit zahllosen Größen zusammengearbeitet.

Leonhart hat für diesen Abend und für zwei weitere Konzerte Costello-Songs für Big Band arrangiert. Weil Costello seit seinem ersten Album „My Aim Is True“ (1977) zwischen Folk, Blues, Rock, Punk und Klassik im Grunde alles schon mal ausprobiert hat, ist die Verbindung zwar vielleicht nicht direkt zu erwarten gewesen, aber musikalisch erscheint sie folgerichtig. Die nächste Facette eben.

Leverkusen: Costello nölt, krächzt, säuselt und singt

Costello singt nicht nur, er nölt, krächzt, säuselt und spricht. In Leverkusen war er wohl noch nie, die einzige Erinnerung ans Rheinland, die er mit dem Publikum teilt, sei einmal eine Aufzeichnung für den WDR-Rockpalast gewesen, sagt er.

Die WDR Big Band steht bei dem Konzert im Hintergrund, das ist keine Überraschung. Zwar gibt es immer wieder einzelne Soli der famosen Instrumentalisten, aber deutlich dosierter als man das von der Band kennt. Auffällig: Der Posaunensatz bekommt kein einziges Solo in Costellos Stücken.

Nachdem die Band sich zu Beginn noch in einem Instrumental austoben darf, betritt der Star des Abends die Bühne. So, wie man ihn erwartet hat. Mit Hut und markanter Brille. Lässig postiert er sich vor der Band und dreht sich zum Publikum. Das rastet standesgemäß aus. „Watching the detectives“ von seinem Debütalbum ist das erste Stück, es folgen „Accidents will happen“ von „Armed Forces“ (1979) und mit „Newspaper Pane“ ein recht aktueller Song aus dem Jahr 2020.

Michael Leonhart dirigierte die Band.

Michael Leonhart dirigierte die Band.

Mit schwerem Groove kommt „Human Hands“ von „Imperial Bedroom“ aus dem Jahr 1982. Ein Liebeslied, das er im damaligen Westdeutschland geschrieben habe, sagt Costello. „All I ever want is just to fall into your human hands“ krächzt der Engländer. Ob das so gewollt oder eine Alterserscheinung ist, ist schwer zu sagen. Jedenfalls verleiht es dem Titel eine gewisse Authentizität und Sehnsucht. Während die Band vor allem in den tiefen Lagen ein breites Fundament legt, kann Simon Oslender an den Tasten loslegen.

Die Rhythmusgruppe der Big Band gehört nicht zur Stammbesetzung. Neben Oslender an den Keyboards spielen am Mittwochabend Wolfgang Haffner (Schlagzeug), Thomas Stieger (Bass) und Bruno Müller (Gitarre) mit der WDR Big Band.

„Radio is everything“, geschrieben während der Corona-Pandemie, entwickelt sich zum Zwiegespräch zwischen dem gesprochenen Vortrag von Costello und dem schwebenden Flügelhorn von Andy Haderer: „They say I have a perfect face for radio and a trumpet for listening.“ In „Shut him down“, eine Komposition von Costello und Leonhart, bekommt Tenorsaxofonist Paul Heller Raum.

In epischer Breite, mit diversen Tempowechseln entwickelt sich „Almost ideal eyes“ zu einem echten Höhepunkt des Abends. Hier zeigen sowohl Band als auch Sänger, was in ihnen steckt. In „Shipbuilding“, das Elvis Costello 1983 mit Chet Baker eingespielt hat, greift Michael Leonhart einmal mehr selbst zur Trompete. „We Are All Cowards Now“ – das nächste Liebeslied – und „Pump It Up“, ein Stück, das Costello 1978 noch mit seiner damaligen Band „The Attractions“ aufgenommen hatte, beenden das rund eineinhalbstündige Programm. Als Zugabe gibt es „That Day Is Done“, ein Song, für den Costello mit Paul McCartney zusammengearbeitet hatte. Und für den er an diesem Abend das erste und einzige Mal ans Klavier geht.